Prue und Stephen Henschke (3. und 4. von links) im Kreise ihrer Familie.

Prue und Stephen Henschke (3. und 4. von links) im Kreise ihrer Familie.
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World Champions: Familie Henschke

Ihre Vorfahren mussten die deutsche Heimat aus religiösen Gründen verlassen. In Australien fand die Familie Henschke im Weinbau das Glück. Ihr Shiraz »Hill of Grace« ist längst eine weltbekannte Rotwein-Ikone

Wer je das Glück hat, das Gut der Familie Henschke in Keyneton im Eden Valley etwa 90 Kilometer nord-östlich der australischen Metropole Adelaide zu besuchen, kann da zwar kein Tor in die Vergangenheit bestaunen, aber doch eines aus der Vergangenheit – nämlich das »Henschke Cellar Door«. Ursprünglich war dies der Eingang zu jenem großen Schuppen, den der Stammvater der Sippe, John C. Henschke, ein gelernter Steinmetz, aus Feldsteinen von den umliegenden Wiesen mit seinen eigenen Händen errichtet und damit den Grundstein für das heutige Weingut der Familie Henschke gelegt hat.

Der Urahn, ursprünglich als Johann Christian Hentschke am Weihnachtstag des Jahres 1803 im brandenburgischen Kutschlau geboren, verließ im Juli des Jahres 1841 gemeinsam mit 212 weiteren Alt-Lutheranen aus dem Kreis Züllichau die deutsche Heimat, um im fernen Australien sein Glück zu suchen. Auf der dänischen Dreimastbark Skjold segelte die Gruppe von Hamburg-Altona nach Port Adelaide, wo sie am 28. Oktober des Jahres eintraf. Henschkes Frau und zwei seiner Kinder waren während der beschwerlichen Reise verstorben. Ein Jahr später ließ er sich mit seinen zwei Söhnen in Lobethal in den Adelaide Hills nieder, wo er erneut heiratete. Nach der Einbürgerung im Jahr 1847 war es ihm schließlich möglich, selbst Land zu kaufen, was er zunächst in Krondorf im Barossa Valley tat. 1862 erwarb Henschke für seinen Sohn Gotthard das Land, das heute den Namen Keyneton trägt und wo er 1868 seine ersten 300 Gallonen Wein erzeugen konnte.

Familiengeschichte

50 Jahre nach der Ankunft des Vaters in Südaustralien erwarb Sohn Paul Gotthard Henschke, Sohn aus zweiter Ehe, Land unweit der von den deutschen Neusiedlern ­errichteten Gnadenberg-Kirche. Und der Wein, der inzwischen aus den seinerzeit dort gepflanzten Trauben entsteht, ist heute eine Rotwein-Ikone: der Shiraz mit dem einprägsamen Namen »Hill of Grace«.

Der Rebberg wurde Anfang der 1860er-Jahre von einem gewissen Nicolaus Stanitzki errichtet, einem ebenfalls deutschstäm­migen Gärtner, dessen Heimatort ganze zehn Kilometer von Henschkes ursprünglichem Wohnort entfernt lag. 1872 übergab Henschke senior das Weingut an seinen Sohn, im folgenden Jahr verstarb er. Und der Zufall wollte es, dass der Winzer der dritten Generation, der 1878 geborene Paul Alfred Henschke, später eine gewisse Johanne Ida Stanitzki heiratete – die Enkelin jenes Pioniers, der die ersten Reben am Hill of Grace ausgesetzt und damit die Saat für den späteren Weltruhm gelegt hatte. Ironie am Rande: Beide Familien stammten aus der Region um Grünberg, heute Zielona Góra in Polen, dem historischen Zen­trum des schlesischen Weinbaus.

TOP Von Shiraz bis Riesling

Heute ist mit dem sympathischen Ehepaar Prue und Stephen Henschke die fünfte ­Generation am Hill of Grace am Werken. Sie haben den Weinbau unter anderem in Deutschland studiert und ihren Horizont durch unzählige Reisen erweitert. Auch wenn die Rebsorte Shiraz für ihre absoluten Flaggschiff-Weine steht, so haben sie im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche weitere Weiß- und Rotweinsorten erprobt und auf geeignetem Terroir zur Perfektion gebracht. Prue Henschke ist eine Expertin für Weingärten, sie hat jenen im Barossa und Eden Valley noch welche in Lenswood in den Adelaide Hills hinzugefügt, wo sie Versuche mit Pinot Noir, Chardonnay, Merlot und Grünem Veltliner betreibt. Im Eden Valley wächst feiner Riesling, aber auch Barbera und Nebbiolo werden erprobt. Im heißen Barossa Valley stehen hitzeverträglichere Rotweinsorten wie Counoise, Mataro oder Tempranillo im Fokus.

Stephen Henschke ist seit 1979 Kellermeister und bekannt für seinen minimalistischen Zugang bei der Vinifikation. Er greift nur ein, wenn er muss, es wird kaum gepumpt, mit Schwefel gespart, kaum filtriert oder geschönt. »Unsere Weine haben keine Kosmetik nötig«, so der Winzer. Trotz oder gerade wegen seiner umfassenden Ausbildung greift Stephen gerne auf Althergebrachtes zurück, verbindet Traditionen aus der Alten Welt mit Technologien aus der Neuen.

Gemeinsam baute das Paar sein Wein­gut auf eine stattliche Größe von heute 122 Hektar aus. Doch der Klimawandel und Auswirkungen der damit verbundenen Naturkatastrophen ließen auch Henschke nicht unberührt. Als Ende 2019 in den Adelaide Hills Buschfeuer eine Rebfläche von 1100 Hektar vernichteten, wurden auch 90 Prozent des Lenswood Vineyards ein Raub der Flammen. Die gute Nachricht: 2019 kam auch ein neuer Wein, ein dritter Single-Vineyard-Shiraz aus einer 50 Jahre alten Anlage namens The Wheelright im Eden Valley auf den Markt, um das 150-jährige Jubiläum des Betriebes zu feiern. Mit dem »Hill of Grace« und dem »Mount Edelstone« bildet er nun ein edles Trio. Und mit dem ältesten Sohn Johann, einem perfekt ausgebildeten Winemaker, steht bereits die sechste Generation bereit, um dieses tolle Gut zu weiteren Höhen zu führen.

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Hill of Grace - Der berühmteste Wein aus Down Under

Der unter diesem Namen produzierte Single-Vineyard-Shiraz ist wohl der berühmteste Wein dieser Kategorie aus Australien (Penfolds »Grange« ist eine Cuvée aus Trauben von verschiedenen Weinbergen). Kein anderer Shiraz zeigt eine vergleichbare Gewürznote und eine so seidige Textur wie dieser aus über 150 Jahre alten Rebstöcken. Erstmals produziert im Jahrgang 1958, sollte es 30 Jahre dauern, bevor er seinen Status erlangte. Es ist das Winzerpaar Prue und Stephen Henschke, das für den Ruf dieses Weins verantwortlich ist. Nur wenige Jahrgänge wurden seit 1958 ausgelassen: 2011, 2000, 1974 und 1960. Seit 2002 wird der Wein mit Schraubverschluss verkauft. Die Zahl der Spitzenjahrgänge ist enorm: 2015, 2013, 2012, 2010, 2009, 2006, 2005, 2004, 2002, 1999, 1998, 1996, 1994, 1992, 1991, 1990, 1986, 1978, 1972, 1962, 1959 und 1958. Der vier Hektar große Weingarten mit nicht veredelten Reben wird biodynamisch bewirtschaftet, geerntet wird vor dem österlichen Vollmond. Vergoren wird in alten, offenen Betonbottichen, der Maischekuchen wird mit gewachsten Brettern abgedeckt und sanft nach unten gedrückt, der Ausbau erfolgt in teils neuen, teils gebrauchten Fässern aus amerikanischer und französischer Eiche und dauert im Schnitt 18 Monate.

Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2020

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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