Neben facettenreichen Prestige-Cuvées suchen Kenner immer öfter perfekt gereifte Champagner.

Neben facettenreichen Prestige-Cuvées suchen Kenner immer öfter perfekt gereifte Champagner.
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All about Prestige-Cuvées und gereifte Champagner

Begehrt und kostspielig: Falstaff verrät, worauf Sie beim Kauf von Luxus-Champagnern achten müssen und in welche Tropfen man am besten investiert.

Die Welt des Champagners ist ebenso berühmt wie berüchtigt für ihre nahezu unermessliche Vielfalt, die kaum überblickbare Zahl an unterschiedlichsten Qualitäten und Stilen. Da ist zunächst die überwiegende Zahl an Markenchampagnern ohne Jahrgang, die primär den jeweiligen Stil ihres Hauses repräsentieren und vollkommen unkompliziert genossen werden können. Über diese elegant-trinkfreudige Basis hinaus schätzt der wahre Schaumwein-Kenner die weiteren Stufen des Champagnergenusses. Seien es nun die reinsortigen Blanc de Blancs aus Chardonnay, die Blanc de Noirs aus blauen Trauben, die stark im Trend liegenden Rosé-Cuvées, die Champagner mit Jahrgangsbezeichnung sowie die Prestige-Cuvées, die in vielen Häusern die Spitze des Sortiments darstellen.

Für besondere Anlässe gibt es aber eine herausragende und höchst individuelle Champagner-Kategorie, die man mit Fug und Recht als oberste Liga bezeichnen kann – und die sich in mehrere Unter-Segmente aufgliedert. Auf den folgenden Seiten wollen wir diese Champagner-Juwelen in Gruppen zusammenfassen und so einen Überblick ermöglichen, welche Konzepte die Kellermeister mit diesen edelsten (und auch teuersten) Kreszenzen verfolgen. Vorweg: Es gibt unterschiedliche Gründe, welche die Verfügbarkeit dieser Weine stark einschränken und sie alleine dadurch schon zu begehrten Sammelobjekten – und in letzter Zeit zunehmend auch zu Spekulationsobjekten – machen, nämlich …

Die Herkunft der Trauben

Die Grundweine für einen Top-Champagner stammen im Regelfall aus einem einzigen, klar definierten Weinberg, der seit langer Zeit für ganz spezielle Qualitäten und Eigenschaften bekannt ist. Meist sind diese Champagner aus diesem Grund auch reinsortig. Der berühmteste Wein dieser Kategorie ist wohl der Jahrgangs-Champagner Clos du Mesnil von Krug. Nicht mehr als 15.000 Flaschen und einige hundert Magnums dieses exklusiven Blanc de Blancs entstehen seit 1979 aus der gerade einmal 1,87 Hektar großen Monopollage – und das nur in ausgewählten Jahren. Seit dem Jahrgang 1995 füllt Krug auch den Clos d’Ambonnay aus Pinot Noir ab.

Der winzige, von hohen Steinmauern eingefasste Weinberg misst gerade einmal 0,68 Hektar. Detail am Rande: Die Burgund-Legende Domaine de la Romanée-Conti bewirtschaftet den Grand Cru Romanée-Conti als Monopol mit 1,81 Hektar und Le Montrachet mit ebenfalls 0,68 Hektar – nur die Sorten sind hier genau umgekehrt. Eine Legende unter den Spitzen-Champagnern mit Clos-Bezeichnung ist auch der Clos des Goisses von Maison Philipponnat in Mareuil sur Aÿ. Bereits seit jeher gilt dieser ideal auf einem Hang nach Süden exponiert gelegene Weingarten als einer besten der Region. Hier wachsen auf 5,5 Hektar sowohl Chardonnay wie auch Pinot Noir. In limitierter Menge ist dieser Jahrgangs-Champagner auch als »Juste Rosé« in einer pinken Version verfügbar.

Aus zwei Parzellen in Aÿ, Chaudes Terres und Clos St. Jacques mit insgesamt etwa 0,4 Hektar, beide übrigens noch mit uralten, wurzelechten Pinot-Noir-Stöcken bepflanzt, stammt Bollingers sagenumwobene Cuvée Vieilles Vignes Françaises, ein ungemein komplexer, tiefgründiger Champagner: Zuletzt wurden im Jahr 2008 davon stattliche 3180 Flaschen gewonnen. Zu den gesuchtesten und teuersten Blanc de Blancs gehört zweifellos die »Cuvée S« von Champagne Salon, dem wohl einzigen Haus, das nur einen einzigen Champagner macht – und diesen auch nur in Top-Jahren. Eine einzige, nur einen Hektar große Parzelle in Le Mesnil-sur-Oger, dem Mekka für Chardonnay in der Champagne, besitzt Salon selbst, dazu gesellen sich noch handverlesene Trauben aus weiteren Miniparzellen im Grand Cru.

Und wenn man dann, wie im Jahr 2008, die Entscheidung trifft, nur Magnums abzufüllen, dann wir es nicht nur doppelt so teuer, sondern ebenso auch schwieriger, solch ein Exemplar in die Hand zu bekommen. Champagner mit Clos-Bezeichnungen sind immer selten. Zu diesen gesuchten Raritäten zählen auch der Clos Saint-Hillaire von Billecart-Salmon, Les Clos Pompadur von Pommery, Clos Lanson, Clos des Bouvèries von Duval-Leroy, Clos du Moulin von Cattier, Claude Cazals Clos Cazals oder Clos Faubourg Notre-Dame von Veuve Fourny.

Der Reifekeller von Krug in Reims.
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Der Reifekeller von Krug in Reims.

Champagner aus dem Meer

Eine äußerst spezielle Herkunft haben Champagner vom Meeresgrund. Hier muss freilich unterschieden werden zwischen einer absichtlichen Lagerung in den Tiefen der Ozeane und einer unabsichtlichen Versenkung der Flaschen – die meist mit  jener des gesamten Schiffes einhergegangen war. Immer wieder bergen Taucher uralte Champagner aus Schiffswracks, die dann von optimistischen Sammlern um sehr teures Geld ersteigert werden. Etwa ein 1907er Heidsieck Diamant Bleu aus dem Wrack der »Jönköpping«, die 1916 auf dem Weg nach Russland versenkt und erst 1998 wiederentdeckt wurde. Zunächst erzielten die Flaschen einen Preis von 25.000 Euro, ein Moskauer Hotelier ließ später sogar 200.000 Euro für solch eine Rarität springen.

Für insgesamt 168 deutlich ältere Flaschen, gefunden in einem Wrack vor der Ostseeinsel Aland, wurden ähnlich hohe Summen erlöst. Eine Flasche Juglar (später in Jacquesson aufgegangen) aus etwa 1820 erzielte stolze 24.000 Euro, eine Flasche Veuve Clicquot aus 1841 (aus demselben Schiffswrack)  erzielte rund 30.000 Euro. Das brachte das Haus Veuve Clicquot auf die Idee, nach dem Motto »cellar in the sea« gleich selbst einen Stahlkäfig, prall gefüllt mit Champagnerflaschen, an geeigneter Stelle im Meer zu versenken. 50 Jahre sollen diese nun dort ruhen, danach wird man sehen, wie sie sich in der Dunkelheit der Tiefe und unter völlig anderen Druckverhältnissen entwickelt haben.

Wer nicht solange warten will, kann den Unterschied zwischen Lagerung an Land und im Meer etwa bei Champagne André Chemin in Sacy erfahren, der seinen Brut Excellence für ein Jahr versuchsweise in sechzig Meter Tiefe vor der bretonischen Isle d’Ouessant versenkt hat und als Kassette »Entre Terre et Mer« anbietet. Auch das biodynamisch arbeitende Haus Leclerc Briant reift eine Cuvée in den kühlen Fluten des Atlantik, ehe sie unter dem Namen »Abyss« in den Handel kommt. Technisch steht diesen Winzern übrigens meistens die Firma Amphoris aus Brest zur Seite, die sich auf die Unterwasserlagerung edler Tropfen spezialisiert hat.

Rar und reif statt alt und schlecht gelagert

Neben der besonderen Herkunft hat auch die Dauer der Reifezeit auf der Feinhefe vor dem finalen Degorgieren nicht nur prägenden Einfluss auf den Geschmack des Champagners, sondern auch auf dessen Seltenheit – und damit auf den Preis. Grundsätzlich gilt: Die optimale Lagerung des Produktes ist immer ein wichtiger Punkt, denn Champagner reagiert sehr schnell und »ärgerlich« auf falsche Behandlung. Gereiften Champagner kauft man daher am besten nur vom Profi. Im Internet findet man zwar immer wieder Angebote für ältere und ganz alte Jahrgänge. Aber über die Lagerbedingungen dieser Champagner wird man leider erst dann etwas erfahren, wenn man die Flasche öffnet – in der Regel also leider zu spät.

Daher ist es sehr wichtig, zwischen »älteren« und »gereifteren« Produkten zu unterscheiden. Beginnen wir mit einem positiven Beispiel, nämlich dem zu Recht beliebten Luxus-Champagner Louis Roederer Cristal: Der klassische Cristal kommt nach einer Hefereife von sieben bis acht Jahren auf den Markt, aktuell ist also 2013 im Anmarsch. Von sehr guten Jahrgängen wird ein kleiner Teil der Produktion, Weiß ebenso wie Rosé, zurückbehalten und insgesamt mehr als 15 Jahre auf der Feinhefe zur Vollendung gebracht. Seit dem Jahrgang 1995 gibt es diese Serie namens Louis Roederer Cristal Vinotheque (es folgten 1996 und 1999) und nun ist der Jahrgang 2000 dran – auch in Magnums.

Von den Rosé-Magnums sind es übrigens nur wenige hundert Flaschen und für die ersten Jahrgänge zahlen Sammler mittlerweile bereits fünfstellige Beträge. Der Jahrgang 2000 wird knapp über € 4000,– für die Magnum kosten, die 0,75-Liter-Flasche kostet etwa die Hälfte. Der weiße Cristal 2000 Vinotheque liegt abermals um die Hälfte darunter und schlägt mit € 1000,– zu Buche.

Ähnlich lichte Höhen erreichen die Spitzenjahrgänge von Krugs Sortiment mit richtig lange gereiften Weinen. »Collection« nennt sich diese Linie, die eine tolle Jahrgangtiefe aufweist – im Moment ist man beim Jahrgang 1990 angelangt. Bei Dom Pérignon wurde eine vergleichbare Serie bis 1996 mit »Oenothèque« bezeichnet, seit dem Jahrgang 1998 heißt sie »Plénitude 2« (»P2«) – aktuell ist der Jahrgang 2003 dran. Und für die ganz spät degorgierte dritte Reifestufe »P3«, das sind aktuell Jahrgänge wie 1970 oder 1982, findet man nicht einmal Infos auf der Homepage des Hauses.

Der vierte im Bunde der großen Marken ist Bollinger, wo man mit »R.D.« (récemment degorgé) das ehemalige «Année Rare« abgelöst hat. Nun bringt man zunächst die Prestige-Cuvée »La Grande Année« und – einige Jahre zeitlich versetzt – die Cuvée »R.D.«, die entsprechend länger reift, aktuell repräsentiert durch den 2007er »R.D.«

Das Angebot wächst

Das Segment der Jahrgangs-Champagner, bezeichnet als »Grand Vintage«, spielt bei Moët & Chandon mit etwa fünf Prozent der Produktion eine eher untergeordnete Rolle, wie Kellermeister Bennoît Gouez berichtet. Seit 1993 wurde begonnen, pro Jahr etwa 40.000 Flaschen für die »Vintage Collection«-Reihe wegzulegen, im letzten Jahr wurde der Jahrgang 2002 als »Grand Vintage« auf den Markt gebracht. Tipp des Chef du Cave: »Schauen Sie sich nach 1992 und 1993 um, denn diese Jahrgänge sind so unterschätzt wie manche großen Jahre etwas überschätzt werden.«

Bei Lanson gibt es in Topjahrgängen die Jahrgangs-Prestige-Cuvée namens »Noble Cuvée«, und zwar auch als Blanc de Blancs und immer zu 100 Prozent Grands Crus. Aktueller Jahrgang ist 2002. Seit einiger Zeit werden auch sehr lange auf der Hefe gereifte Weine als »Vintage Collection« wieder auf den Markt gebracht, etwa 1990, 1983 oder der unglaublich jugendliche 1976er. Das kleine, aber feine Haus Diebault-Vallois aus der Top-Chardonnay-Kommune Cramant ist bekannt für seinen köstlichen Blanc de Blancs, speziell die Prestige-Cuvée »Fleur de Passion« wird von Kennern zu Recht geschätzt. In der Serie »Millesimé Collection« stecken nicht nur Trauben aus den besten Lagen der Familie, sie bringt diese feinen Cuvées auch erst dann auf den Markt, wenn sie das Terroir von Cramant exakt abzubilden in der Lage sind. »Fleur de Passion« 1999 wurde im Vorjahr freigegeben, nun folgte 2004.

»Nec Plus Ultra« heißt im Hause Paillard der gereifte Champagner allerhöchster Güte. Komponiert aus den Grands Crus Oger und Chouilly (Chardonnay-Trauben) sowie aus den Lagen Mailly und Verzenay (Pinot Noir) wird der Grundwein für zehn Monate im kleinen Holzfass auf der Feinhefe ausgebaut und reift dann in der Flaschengärung für zwölf bis 15 Jahre seiner Perfektion entgegen. Mit nur drei Gramm Restzucker ist er zudem staubtrocken und limitiert auf einige tausend nummerierte Flaschen. Erzeugt wurden davon die Jahrgänge 1990, 1995, 1996, der gesuchte Klassiker 1999, dann 2003, 2004 und ganz aktuell der Spitzenjahrgang 2008. Wer sich für noch gereiftere Produkte aus dieser »Family Collection« interessiert, tritt am besten direkt mit der Maison Bruno Paillard in Kontakt.

Generell gilt: Wenn Sie sich für den Erwerb solcher Spitzenprodukte entscheiden, dann konsultieren Sie am besten den Importeur oder Fachhändler Ihres Vertrauens. Diese wissen am besten, was an Jahrgängen und Formaten nicht nur vorrätig, sondern auch empfehlenswert ist. Und mit etwas Vorlauf sind viele Champagnerhäuser bereit, für spezielle Anlässe wie Geburtstage und Hochzeiten auch gereiftere Weine aus ihrer Reserve zu degorgieren.

Top-Investition »Ultra Prestige Champagner«

Justin Gibb, Direktor und Mitbegründer von Liv-ex (The London International Vintners Exchange), erklärt das Wertsteigerungspotenzial bei Prestigechampagner so: »Champagner der Spitzenklasse hat seit langem einen Reiz als Wertanlage, auch wenn dies den Besitzern meist gar nicht bewusst ist. Das Geheimnis ist Qualität, kombiniert mit globaler Verbreitung und relativ schnellem weltweiten Konsum, denn er wird auch von solchen, die sich nicht als Weintrinker bezeichnen würden, gerne getrunken. Trotz der hohen Ernte-Erträge bei Spitzen-Champagner – verglichen mit Spitzen-Bordeaux und Burgunder – schwindet daher das Angebot viel schneller, was in der Folge zu stetigen Preissteigerungen, insbesondere der Top-Jahrgänge, führt.«

Während man viele der als kollektibel eingestuften Rotweine aus Bordeaux, Burgund oder Napa Valley in Subskription kauft und nach der Auslieferung dann Jahre bis zur Genussreife lagern muss, ist jeder Champagner sofort trinkbar, wenn er auf den Markt kommt. Und während die Rotweine eines Jahrgangs so gut wie gleichzeitig auf den Markt gebracht werden, kommt ein großer Champagner-Jahrgang meist über einen wesentlich längeren Zeitraum auf den Markt. Ein weiterer Vorteil: Bei Champagner kann sich jeder selbst ein Bild davon machen, ob ihm das Ergebnis schmeckt, man kauft nie die Katze im Sack.

Legt man den renommierten Liv-ex-Marktstandard für den Fine-Wine-Markt diesen Überlegungen zugrunde, so zeigt sich, dass keine andere Kategorie im Vorjahr eine größere Steigerung verzeichnen konnte als der »Index Champagne 50«, der den Handel mit den 50 wichtigsten Produkten einer Region darstellt. Ebenso weiter im Aufwind ist Burgund, der beste Performer bei den Stillweinen ist allerdings Italien, wo die Nachfrage nach den Klassikern aus dem Piemont und der Toskana stark zugenommen hat. Mit einem Jahresplus von 13,4 Prozent heuer und satten 59 Prozent in den vergangenen fünf Jahren, haben allerdings jene, die auf große Champagner gesetzt haben, die Lacher klar auf ihrer Seite. Die »Bordeaux Legends 40« haben vergleichsweise »nur« 23 Prozent an Preissteigerung in den vergangenen fünf Jahren erlebt.

Die besten Champagner reifen viele Jahre auf der Hefe. Der Einzellagen-Champagner Clos des Goisses gehört zu Maison Philipponnat und genießt unter Genießern einen legendären Ruf.
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Die besten Champagner reifen viele Jahre auf der Hefe. Der Einzellagen-Champagner Clos des Goisses gehört zu Maison Philipponnat und genießt unter Genießern einen legendären Ruf.

Ein Trend, gekommen, um zu bleiben

Der Champagner-Boom lässt sich natürlich auch durch eine Folge von tollen Jahrgängen, speziell mit 2008 und zuletzt 2012, erklären. Tatsächlich ist der Preisanstieg für so genannte »Ultra Prestige Champagner« aus den großen Jahrgängen der jüngeren Vergangenheit leicht zu erklären, denn immer mehr Weinfreunde wissen einen perfekt gereiften Champagner und den Vorzug größerer Formate zu schätzen. Und: Im Vergleich zu den klassifizierten Gewächsen der weißen Burgunder sind hier immer noch Schnäppchen zu machen. Andererseits ist man gut beraten, aktuelle Topprodukte zeitgerecht einzukaufen und sie selbst bis zur Perfektion zu lagern – oder sie gegebenenfalls mit sattem Gewinn wieder in den Markt zurückzuführen.

Dabei gilt: Größere Formate und rare Cuvées aus Spitzenjahrgängen erzielen die höchsten Renditen.  Das wachsende internationale Interesse hat dazu geführt, dass nun mit Herbst 2021 erstmals auch ein Champagner den exklusiven Weg über den Place de Bordeaux geht: Es ist Philipponnats legendärer Clos des Goisses Extra Brut, Jahrgang 2012, der nun bei führenden Weinhändlern angeboten wird. Um den Markt etwas anzuheizen, hat Charles Philipponnat auch noch eine kleinere Partie – 900 Flaschen – vom Clos des Goisses L.V. (long vieillessment) Millesime 1996 dazugepackt, der ebenfalls erst heuer im Frühjahr degorgiert wurde.

Mit ein Grund dafür, dass der Weltmarkt diese Goldmine erst so spät zu erschließen begann, liegt in der Ignoranz der führenden amerikanischen »Experten«, die in Spitzen-Champagnern eher einen teuren Partyspaß für in die Jahre gekommene Ladys an den Pools von Malibu sahen als ernstzunehmende große Weine mit Weltklasse-Potenzial.Beim »Wine Advocate« etwa gab es in der Zeit von Robert Parker nie die begehrten 100 Punkte für einen Champagner. Erst 2018 traute sich Stephan Reinhart, der dort kurze Zeit für die Champagner verantwortlich war, für den Louis Roederer Cristal Rosé 2002 – völlig gerechtfertigt – die höchste Punktezahl zu vergeben.

Das Beispiel scheint Schule gemacht zu haben: Der neue Juror für die »Sprudel-Region«, William Kelley, vergab allein in diesem Jahr zehn Mal 100 Punkte für Champagner. Detail am Rande: Der neue Besitzer des »Wine Advocate« ist Franzose und heißt Michelin – genau, der mit den roten Büchern und den Autoreifen. Aber Achtung: Manche dieser Top-Champagner sind so selten (und teuer), dass sie schon in die Kategorie »Phantomweine« fallen. Der »Substance« von Jacques Selosse zum Beispiel. Auch wer irgendwo einen Blanc de Blancs Les Roises oder Les Pierrières von Ulysse Collin entdeckt, sollte sofort zugreifen. Jérôme Prévosts Champagne La Closerie »Les Béguines«, exklusiv aus Pinot Meunier gekeltert, ist ebenfalls nicht leicht zu finden. Und mit 100 Parker-Punkten im Gepäck wird die Suche in Zukunft nicht leichter.


Top 10

Die meistgehandelten Edel-Champagner 2021:

  • 2012 Louis Roederer Cristal Rosé
  • 2012 Bollinger La Grande Année
  • 2008 Dom Perignon
  • 2010 Dom Perignon
  • 2008 Taittinger Comtes de Champagne Blanc de Blancs
  • 2010 Dom Perignon Luminous
  • 2013 Louis Roederer Cristal
  • 2008 Louis Roederer Cristal
  • 2012 Pol Roger Sir Winston Churchill
  • 2012 Louis Roederer Cristal

Die besten Jahrgänge

Nicht jedes Ernte-Jahr ist für Spitzenchampagner geeignet.

Jüngere Top-Jahre:
2015, 2012, 2008, 2002

Gute Jüngere Jahre:
2014, 2013,  2011, 2010, 2009, 2006, 2005, 1999, 1998

Vintage -Klassiker:
1996, 1990, 1988, 1985, 1982, 1979, 1976, 1971, 1966, 1964, 1961, 1959, 1955, 1952, 1949, 1947, 1945


Abgehoben

Preis-Wahnsinn: Champagner aus Absurdistan

Man kann den Preis eines Champagners auf unterschiedliche Weise in die Höhe treiben, etwa, indem man enorm große Flaschen befüllt, doch am Ende zählt immer der Inhalt. Vorausgesetzt, dieser interessiert seinen neuen Besitzer überhaupt. Wird lediglich das Äußere der Flasche mit edlen Materialien behübscht, macht das auch den besten Champagner nicht noch einmal besser. Studiert man die Rankings mit den teuersten Champagnern, dann findet man da oft Wundersames und für den wahren Weinfreund einigermaßen seltsam anmutende Kreationen.

Neben den Wein-Antiquitäten vom Meeresgrund (siehe Haupt-Story), die wenig Trinkfreude versprechen, sind es Materialien wie Gold und Edelsteine, die besondere Flaschen zieren. An der Spitze steht der Champagne Goût de Diamants, entworfen von Alexander Amosu, geschmückt mit einem 19-karätigen Diamanten sowie einem 18-Karat-Goldetikett. Kostenpunkt: 1,8 Millionen Euro die Flasche.

Wesentlich geschmackvoller und mit einem Preis von 115.000 Pfund Sterling auch leistbarer präsentierte Harrods wenige Exemplare des Champagne Rare High Jewellery 1997, verziert vom französischen Traditionsjuwelier Mellerio. Weitere 1000 Magnums vom gleichen Champagner kamen um fast geschenkte 1150 Pfund pro Flasche in den Handel. Wie sehr sich Konsumenten von einer goldenen Verpackung zum Kauf eines eher durchschnittlichen Champagners verführen lassen, zeigt auch das Beispiel »Ace of Spades« von Armand de Brignac, den der Rapper Jay-Z von Champagne Cattier in glänzendes Gold und möglichst große Flaschen füllen ließ.

Die 30-Liter-Füllung namens »Brut Gold Midas« mit 1,5 Meter Höhe und 45 Kilo Gewicht ist die bisher größte ihrer Art und macht sicher Spaß beim Einschenken. Um wohlfeile € 60.000,– können sich Betuchte selbst daran versuchen …

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Erschienen in
Falstaff Nr. 09/2021

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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