Da kann einem schon einmal schwindlig werden: Das »Vertigo« und die »Moon Bar« in Bangkok zählen zu den spektakulärsten Outdoor-Restaurants der Welt.

Da kann einem schon einmal schwindlig werden: Das »Vertigo« und die »Moon Bar« in Bangkok zählen zu den spektakulärsten Outdoor-Restaurants der Welt.
© Sanchai Kumar, Shutterstock

Schillerndes Bangkok

Lange galt die vielseitige Metropole Thailands als anstrengend und viel zu üppig – auch beim Essen. Heute kann man in den Gourmettempeln und an den Straßenecken hervorragend speisen.

Tassanakajohn seine Gäste überraschen will, dann serviert er ihnen Käse. Würzigen Camembert und cremigen Brie, handgemachte, hochwertige Ware von einer kleinen nachhaltigen Farm. Ton ist Chefkoch und Besitzer des »Le Du«, eines Nobelrestaurants in Bangkok – und der Käse ist für seine Gäste stets eine kleine Sensation. Er wird nicht aus Frankreich oder Italien eingeflogen, sondern in Thailand gemacht. »Thais machen mittlerweile recht guten Camembert«, sagt Ton. Und Käse ist bei Weitem nicht das einzige neue kulinarische Feld, das sie sich erschlossen haben.

Bangkok gilt vielen als Hauptstadt der Garküchen- und Snack-Kultur. Für sehr wenig Geld kann man hier an jeder Straßenecke genial gewürztes, frisches Essen genießen. Die thailändische Esskultur, dieser Bastard aus südostasiatischer Würz- und chinesischer und indischer Kochkunst, ist eine der großen der Welt und zeigt dies hier stets und ständig. Wenn es aber um gehobene Gastronomie oder internationale Küche ging, um Essen aus hochwertigen, vielleicht gar saisonalen Zutaten, sah es lange Zeit düster aus. Wie in so vielen asiatischen Großstädten waren die meisten Luxusrestaurants freudlose Hotel-Speisehallen mit öder Einheitsküche aus mittelmäßiger Importware. Und wer einmal Lust auf gute italienische Pasta, einen anständigen Cocktail oder Craft Beer hatte, musste das Land verlassen. Das ändert sich nun: In den vergangenen Jahren ist Bangkok zu einer der kulinarisch vielseitigsten und spannendsten Großstädte Asiens geworden.

Von Entenconfit bis Craft Beer

In der Neustadt um die Sukhumvit Road ist frische handgemachte Pasta ebenso zu bekommen wie Entenconfit, Sauerteigbrot oder indische Molekularküche. Mehr als zehn Kleinbrauereien brauen Craft-Biere wie Mango-IPAs oder Himbeer-Weizenbiere, und die vielleicht hippste Brauerei der Welt, Mikkeller, hat eine eigene Bar aufgesperrt, in der 30 internationale Biere gezapft werden. Dieser Boom an westlicher Esskultur mischt sich auch erfreulich mit der traditionellen: Bäckereien basteln Orangeblüten-Eclairs und Thai-Tee-Tartes, die Barkeeper der Stadt würzen einheimischen Rum mit Kaffir-Limettenblättern. Und manch altehrwürdiges Thai-Restaurant schreibt neuerdings auf seine Speisekarte, ob der Fisch aus nachhaltigem Fang stammt und welches Gemüse gerade Saison hat. Für Pessimisten mag das nach Verwestlichung, Identitätsverlust und übelster Fusionsküche klingen. Wer es aber kostet, stellt fest: Sehr oft funktioniert es erstaunlich gut. »Le Du«-Chef Ton ist das beste Beispiel dafür, wie fruchtbar es sein kann, wenn moderne westliche Konzepte auf Thai-Traditionen und -Zutaten treffen.

Ton absolvierte seine Kochausbildung am renommierten Culinary Institute of America, danach arbeitete er in legendären Restaurants in New York wie den Drei-Sterne-Häusern »Eleven Madison Park« und »Jean Georges«. Vor zwei Jahren kehrte er schließlich zurück in seine Heimat und sperrte mit dem »Le Du« sein erstes eigenes Restaurant auf. Sein Ziel: die Thai-Küche von Grund auf zu erneuern. »Thai ist eine der besten und größten Küchen der Welt, wenn es um den Geschmack, die Zutaten oder die Geschichte geht«, sagt er. »Der Reichtum an Aromen, an Gewürzen, an Gemüse, Fisch oder Obst ist einmalig. Aber es fehlt die Entwicklung. Schauen Sie zum Beispiel nach Frankreich, da hat sich die Küche in den vergangenen 100 Jahren enorm weiterentwickelt. Hier ist nicht viel passiert. Das wollen wir im ›Le Du‹ ändern.«

Gegrillter Wels & roher Hummer

»Le Du« heißt übersetzt »Jahreszeit«, die Karte des Restaurants ändert sich entsprechend etwa alle drei Monate – auch das tropische Klima Bangkoks ändert sich, Früchte und Gemüse werden zu unterschiedlichen Zeiten reif. Aufgetischt werden Gerichte, die von Klassikern inspiriert und durch neue Techniken weitergedreht wurden: Der in Bangkok allgegenwärtige gegrillte Wels wird hier zu knusprig-fischigen »Flocken« verarbeitet und über traditionelle gedämpfte Fischcreme gestreut. Ente und Lamm kommen nicht gebraten aus dem Wok, sondern sous vide geschmort, butterweich und saftig auf den Teller, statt Fisch aus großen Farmen gibt es lokalen Fang.

Als Nummer eins in Bangkok gilt derzeit das »Gaggan« von Gaggan Anand. Die Küche ist indisch und kompromisslos innovativ. In der San-Pellegrino-Liste der 50 besten Asia-Restaurants hat es das »Gaggan« in diesem Jahr an die Spitze geschafft.

Die beiden Restaurants, die die wohl beste klassische Thai-Küche Bangkoks bieten, sind das »Bo.lan« und das »Nahm«. Letzteres, im Hotel »Metropolitan« angesiedelt und in der San-Pellegrino-Liste der 50 besten Asien-Restaurants ebenfalls unter den ersten zehn gereiht, war lange Bangkoks einzige Adresse für Thai-Essen auf internationalem Niveau. Geleitet wird es vom Australier David Thompson, der mit seinen Restaurants »Sailors« in Sydney und dem ersten »Nahm« in London die Thai-Küche von der Straße ins Luxusrestaurant holte – und zwar so erfolgreich, dass er daraufhin für Staatsbanketts des thailändischen Königs engagiert wurde. Küchenchef des Bangkoker »Nahm«, und damit verantwortlich für die meisten Gerichte, ist allerdings der Thai Prin Polsuk.

Das »Bo.lan«, wie so vieles auf der modernen Sukhumvit gelegen, ist ein Gemeinschaftsprojekt zweier Thompson-Schüler – des Australiers Dylan Jones und seiner thailändischen Frau Duangporn Songvisava, genannt Bo. Die beiden lernten sich in der Küche des Londoner »Nahm« kennen und eröffneten gemeinsam ihr eigenes Lokal in Bangkok. »Bo.lan« setzt sich aus den Namen der beiden Chefs zusammen und bedeutet auf Thai »traditionell«. Jones und Duangporn finden ihre Inspiration in alten Kochbüchern und Thai-Beisln auf dem Land – Großmutter-Essen auf Sterneniveau.

»In den vergangenen Jahren hat sich die Restaurant-Szene in Bangkok extrem weiterentwickelt«, sagt Jess Barnes, Australier und Besitzer des Restaurants »Opposite Mess Hall«, eines der derzeit angesagtesten Lokale der Stadt. »Es gibt plötzlich Zugang zu guten Produkten und die Konsumenten verstehen Konzepte wie Nachhaltigkeit oder Saisonalität viel besser.« In seinem Restaurant bietet er etwa gedämpfte chinesische Brötchen mit frittiertem Tofu und geräuchertem Käse an, Waffeln mit Entenconfit oder Krabbensalat mit Minze und Chorizo-Öl, auf der Cocktailkarte steht ein Very Verde mit chiligewürztem Tequila oder ein Pomelo Margarita mit Chilisalz. »Die Hotels haben kein Monopol mehr auf die gehobene Gastronomie«, sagt Barnes. »Immer mehr Köche machen sich selbstständig, die thailändische Mittelschicht wächst, die Leute reisen um die Welt und studieren im Ausland, sie bekommen viel mehr davon mit, was in der Welt abgeht.«

»Le Du«-Koch Ton war nicht der einzige Thai im Culinary Institute of America: Im gleichen Jahr wie er schlossen drei Freunde die Schule ab. Auch sie sind mittlerweile nach Bangkok zurückgekehrt. Mit einem von ihnen plant Ton ein Projekt, ein weiterer wird ebenfalls ein eigenes Restaurant eröffnen. »In Japan, Australien oder Kalifornien ist die Restaurant-Szene deshalb so großartig, weil die Leute nicht Altes wiederholen, sondern ihre eigenen Sachen machen«, sagt Ton. »Das wird hier auch bald passieren. Ich erwarte, dass sich noch einiges tut.«

Anreise
Mit EVA Air direkt von Wien nonstop nach Bangkok. Die Airline fliegt viermal pro Woche – Dienstag, Mittwoch, Freitag, Sonntag – nach Bangkok und Taipeh. EVA Air bedient 66 Destinationen auf vier Kontinenten, ist Mitglied der Star Alliance und gehört zu den sichersten Airlines weltweit. 
www.evaair.com

Aus Falstaff Magazin Nr. 06/2015

Tobias Müller
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68/1 Soi Langsuan, 10330 Bangkok
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