Tajarin, die dünnen Eierteignudeln, stehen auf jeder Karte. Weiße Trüffel dazu ist perfekt!

Tajarin, die dünnen Eierteignudeln, stehen auf jeder Karte. Weiße Trüffel dazu ist perfekt!
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Piemont: Ein Paradies für Feinschmecker

Im Herbst sind die Langhe ein besonders lohnendes Reiseziel, denn da sitzen die Trüffelhobel locker. Und in Alba macht vor allem ein genialer Koch ganz großes Kino.

Am Hauptplatz von Alba: Der mächtige Dom aus rotem Backstein zieht viele Besucher hierher. Feinschmecker suchen hier allerdings  ein anderes Ziel. Es liegt im ersten Stock, in einem der Bürgerhäuser am Platz. Im »Piazza Duomo« ist mit Enrico Crippa einer der besten Köche Italiens am Werk.

Crippa lernte sein Handwerk bei Gualtiero Marchesi in Mailand, arbeitete dann in Frankreich und Japan. Bruno Ceretto holte ihn nach Alba. Ceretto ist nicht nur Weinproduzent, sondern auch bekennender Feinschmecker. Aus dem Haus am Stadtplatz wollte er einen Treffpunkt für Gourmets machen. Die historische Fassade blieb erhalten, das Innere wurde von den Star­architekten Steven Shaller und Bill Katz neu gestaltet.

Das Restaurant ist auf zwei Ebenen angelegt. Zu ebener Erde, offen hin zum Platz, ist eine moderne Interpretation einer Trattoria eingerichtet, »La Piola«. Hier gibt es die traditionellen Gerichte der Langhe in hervorragender Qualität. Im ersten Stock befindet sich der Gourmet-Tempel. Der Eingang ist ganz in Rosa gehalten. »Mostfarben«, korrigiert mich Bruno Ceretto. Der Service schnurrt dahin wie ein Schweizer Uhrwerk.

Sommelier Vincenzo Donatiello hat immer den richtigen Weintipp parat. Crippas Küche ist sehr präzise, fast dezent. Ohne große Knalleffekte, die braucht er auch nicht. Er überzeugt durch hochwertige Ausgangsprodukte, zumeist aus der Region, meisterliches Handwerk und fein abgestimmte Aromen. Er liebt Gemüse und frisches Kräuterwerk. Im Laufe der Jahre ist sein Garten auf beachtliche vier Hektar angewachsen. Damit schafft er es, den Gemüse-Bedarf von »Piazza Duomo« und »La Piola« weitgehend zu decken. Unbedingt probieren sollten Sie den »Insalata 21…31…41…51«: Ein Salat mit über 50 verschiedenen Kräutern, gewürzt mit einer kräftigen Dashi, köstlich!

Die Langhe – so werden die Hügel um Alba auch genannt – sind eine der kulinarisch spannendsten Regionen Italiens. Hier wird auch zu Hause großer Wert auf gutes Essen gelegt. Da muss sich ein Koch schon anstrengen, wenn er es besser als die Mama machen und erfolgreich sein möchte. Die Köche und Wirte der Langhe haben sich ins Zeug geworfen, und heute zählt die Region eine außerordentlich hohe Dichte an Michelin-Sternen. 

So auch das »Ciau del Tornavento« in Treiso. Maurilio Garola steht dort in der Küche, Nadia Benech überwacht den akkuraten Service. Aus dem ehemaligen Schulgebäude haben die beiden nach verschiedenen Zu- und Umbauten einen wahren Genuss­tempel gemacht. Die großzügig verglaste Rückfront eröffnet eine faszinierende Aussicht über die Weinhügel. Weinliebhaber kommen schon am Eingang auf ihre Kosten: Dicke Glasplatten geben den Blick auf den reichlich ausgestatteten Weinkeller frei. Rund 65.000 Flaschen lagen darin. In der Hauptsache sind es Weine aus den Langhe, aber auch sonst ist alles vertreten, was gut und teuer ist. Lassen Sie sich einen Rundgang durch den Keller nicht entgehen. Bei Tisch sollten Sie »Gamberi di San Remo impanati nella Tonda Gentile« probieren: Garnelen mit einer Kruste aus piemontesischen Haselnüssen. Ein weiterer Klassiker des »Tor­navento« ist das Zweierlei vom Ziegenkitz. Und im Herbst natürlich Trüffel. Maurilio serviert sie am liebsten auf pochiertem Ei.

Vergangenen Herbst eröffnete Maurilio Garola ein zweites Lokal, das »Campamac« in Bar-baresco, ein gediegenes Wirtshaus, das er ge-meinsam mit Paolo Dalla Mora führt. In der großen Schauküche am Eingang werden edle Fleischteile gegrillt. Aus der zweiten Küche kommen alle restlichen Gerichte. Ein reich bestückter Keller garantiert außerdem, dass man im »Campamac« nie auf dem Trockenen sitzt.

Etwas außerhalb der Langhe liegt das »Antica Corona Reale da Renzo« in Cervere. Papa Renzo machte das Restaurant bekannt, Sohn Gian Piero Vivalda verpasste der traditionellen Küche den nötigen Feinschliff und erkochte den zweiten Stern. In der »Antica Corona« kann man alle traditionellen Gerichte des Piemont genießen. Als Horsd’œuvre gibt es Cotechino (Schwartenwurst) auf Kartoffelpüree. Ein Klassiker sind »Ravioli al Plin« (hauchdünne Teigtaschen mit einer Mischung aus Rind-, Kalb- und Schweinefleisch gefüllt). Bei Renzo werden sie ohne Sauce serviert, angerichtet auf einer Serviette. Im Mund zergehen sie wie schmackhafte Pralinen. Als Hauptgang dann ein Gericht, das nur mehr in wenigen Orten angeboten wird: »Finanziera«, ein Eintopf aus Fleisch, Bries und Hirn vom Kalb und gebackenen Hühnerkämmen. Das kann deftig sein, bei Renzo ist es intensiv im Geschmack, dann aber doch fein und leicht. Und für die gute Verdauung sorgt ein ordentlicher Schluck Barolo!

In den Langhe isst man nicht nur in den Sternelokalen hervorragend, es gibt auch viele Wirtshäuser – lokal als Trattoria oder Osteria bezeichnet –, die über exzellente Küche verfügen. Der Service ist dort mitunter etwas direkter und weniger ausgefeilt, das Essen aber sehr schmackhaft. Und die Weinkeller sind sowieso überall reich bestückt. Meist stehen die großen Klassiker auf der Karte. Da wäre zunächst einmaldas »Carne cruda«: rohes Fleisch aus Teilen des piemontesischen Fassona-Rindes. Doch Carne cruda ist kein Tatar. Das Fleisch wird immer mit dem Messer klein geschnitten, niemals durch den Fleischwolf gejagt. So behalten die einzelnen Stücke ihre Struktur, ihren Biss. Dann wird das Fleisch nur mit Salz, etwas Zitrone und Olivenöl angerichtet, sonst nichts. Stürzen Sie sich also nicht gleich auf die Salz- und Pfeffermühle, weil Sie finden, das Carne cruda sei zu mild gewürzt und Sie dabei ein Tartar im Kopf haben. Probieren Sie einige Bissen, ergründen Sie den Geschmack des Fleisches. Erst danach eventuell nachwürzen. Im Piemont wird viel Gemüse verkocht. Weit verbreitet ist Topinambur, bei uns oft auch als Erdartischocke bezeichnet. Eine Spezialität sind auch die Cardi, ein der Artischocke verwandtes Distelgewächs, von dem die fetten Stiele verarbeitet werden. Beides wird gerne in Fonduta, einer herzhaften Käsesauce, serviert.

Ein weiterer Klassiker sind die »Tajarin«, dünne Eierteignudeln, die mit dem Messer in feine Streifen geschnitten werden, hausgemacht selbstverständlich. In jeder Trattoria schmecken sie anders, manche nehmen dafür 20 Eidotter auf einen Kilo Teig, manche 30, Spitzenreiter kommen auf über 40! Das ist dann kein leichtes Nudelgericht, sondern ein Teller mit Substanz. Serviert werden die Tajarin gerne mit herzhaftem Ragu, das auf dem Herd lange sämig geköchelt wurde. Oder man genießt sie mit zerlassener Butter. Grandios wird das Ganze, wenn obendrauf noch ordentlich Weiße Trüffel gehobelt werden.

Und damit wären wir endlich bei der Sache, die Feinschmecker neben dem Wein am meisten am Piemont fasziniert: die Trüffel. Nicht die Schwarze, sondern die Weiße Trüffel ist in Alba verbreitet. Intensiver und feiner in Geruch und Ge­schmack als die Schwarze, ist sie seltener, leider auch deutlich teurer.

Die Trüffel ist ein Pilz, der unter der Erde an den Wurzeln verschiedener Bäume wächst. Gesucht wird sie mit Hunden, deren feine Nase die stark duftende Trüffel auch noch in 30 Zentimeter Tiefe ausfindig macht. Je nach Witterungsverlauf wachsen Trüffel von Oktober bis Jahresende. Berühmt ist der Trüffelmarkt in Alba, der im Oktober stattfindet. Allerdings: Die besseren Qualitäten an Trüffeln wachsen im November und Dezember, wenn es kühler wird. Da sinken dann meist auch die Preise.
Daher unser Rat: Besuchen Sie den Trüffelmarkt, er ist eine Attraktion, aber kommen Sie zum Trüffelessen erst später, wenn der Trubel vorbei ist.

Um Trüffel zu genießen, braucht es im Übrigen keine großartigen Gerichte. Ein pochiertes Ei, eventuell etwas Fonduta dazu – fertig ist der Genuss!

Top 10 Restaurants in Langhe

Piazza Duomo
Piazza Risorgimento, 4, 12051 Alba
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La Ciau del Tornavento
Piazza Baracco 7, 12050 Treiso
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Antica Corona Reale Da Renzo
Via Fossano 13, 12040 Cervere
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Ristorante Bovio
Via Alba, 17bis, 12064 La Morra
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Massimo Camia
Strada Provinciale Alba – Barolo 122
12064 La Morra
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Ristorante all’Enoteca, Canale
Via Roma 57, 12043 Canale
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Ristorante Il Centro, Priocca
Via Umberto I, 5, 12040 Priocca
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La Coccinella
Via Provinciale 5, 12050 Serravalle Langhe
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Osteria dell’Arborina
Fraz. Annunziata 27/B, 12064 La Morra
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Ristorante Damiano Nigro di Villa d’Amelia
Loc. Manera 1, 12050 Benevello
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Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2018

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Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien
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