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Island: Exotik im Norden

Die Naturkulisse Islands ist einzigartig auf der Welt. Die kulinarischen Spezialitäten
sind jedoch nicht jedermanns Sache.

Vom Berg her weht ein starker Wind mit Fischgeruch. Die Erklärung hierfür hat Stella Maria parat, die es des Klimas wegen von Rimini auf die Halbinsel Snæfellsnes verschlagen hat: »Der Geruch kommt vom Grönlandhai.« Schließlich liegt ja am Fuße eines schroffen Berges mit Blick auf das Meer, nahe der Kleinstadt Stykkishólmur gelegen, das Hai-Museum Bjarnarhöfn. Wobei das Wort »Museum« nicht ganz zutreffend ist, denn in Bjarnarhöfn wird der Grönlandhai, der übrigens mit einer Körperlänge von bis zu sieben Metern der viertgrößte seiner Familie ist, auch verarbeitet. Dazu braucht es in erster Linie Zeit, ständigen Wind und möglichst keine geruchsempfindlichen Nachbarn.
Der Monsterfisch wird übrigens nicht aktiv gejagt, sondern ausschließlich als Beifang von den Fischern geliefert, die damit selbst nichts anfangen können. Zwischen 60 und 80 Tiere pro Jahr enden so als traditionelle Spezialität, ihr Fleisch ist stark ammoniakhaltig, und um den Fisch zu entgiften, muss er zunächst fermentiert werden – und das dauert zwischen sechs und neun Wochen. Anschließend werden die Fischteile mitsamt der rauen Haut getrocknet, was nochmals Zeit erfordert – mindestens drei bis vier Monate, manchmal sogar zwei Jahre. Die Isländer lieben Kæstur Hákarl, wie der fermentierte Hai hier heißt. Der Ge­­schmack ist für mitteleuropäische Gaumen allerdings etwas gewöhnungsbedürftig, denn der Ammoniakduft bleibt bestehen und der Griff zum »Schwarzen Tod« – wie der Brennivín, der isländische, nach Kümmel duftende Schnaps heißt – unumgänglich.
In den Spezialitätenlokalen wie etwa dem »Þrír Frakkar« in der Innenstadt Reykjavíks bekommt man diese und andere lokale Köstlichkeiten immer. Auf der Speisekarte dieses Lokals finden sich unter anderem auch diverse Rezepte vom Svartfugl, wie der Papageientaucher auf Isländisch heißt. Die possierlichen Tiere werden zwar überall als Maskottchen angeboten, landen aber dennoch gern auf dem Teller. Aus der Vogelbrust werden feine Streifen herausgelöst, deren Geschmack übrigens sehr an Fisch erinnert. Kein Wunder, denn schließlich ist das die Hauptnahrung der herzigen Vögel. Sehr empfindlich reagiert man in Island darauf, wenn man den Stolz der heimischen Pferde verletzt, indem man sie als Ponys bezeichnet. Immerhin waren die Pferde ja Arbeitstiere und Fleischlieferanten.

Ein Islandpferd ist kein Pony

Einige Spezialitätenrestaurants wie zum Beispiel das »Forréttabarinn« in Reykjavík oder das »Bautin« in Akureyri bieten auch heute noch verschieden zubereitete Pferdesteaks an – obwohl sie zunehmend vom importierten Beefsteak made in USA verdrängt werden. Was die mittlerweile in Scharen kommenden Besucher aber sehr schätzen, ist die als Nationalgericht geltende Kjötsúpa – ein dicker Lammeintopf, den man manchmal sogar in den Imbissbuden der Tankstellen serviert bekommt. Wer als Reisender die Ringstraße – wie der Weg, der einmal um die Insel führt, genannt wird – verlässt, muss manchmal in Ermangelung von Restaurants mit Imbissbuden, vorliebnehmen. In diesen wird neben dem obligaten Pylsur (Hotdogs) auch häufig Kjötsúpa serviert.
Reichlich vorhanden sind auf der baumlosen Insel Schafe. Und von ihnen wird hier im wahrsten Sinne des Wortes alles gegessen. Allerdings bereiten nur noch wenige Restaurants auch jene Speisen zu, die man einst auf der kargen Insel verzehrt hat, wie etwa in Sauermilch eingelegte Schafshoden oder Köpfe mit Augen. Letztere bekommt man – neben den obligaten Hotdogs – im Fast-Food-Lokal »Fljótt og Gott« im Reykjavíker Busterminal BSI.  

Dorsch, Rotbarsch, Scholle

Der Nordatlantik liefert neben dem Grönlandhai aber auch noch andere großartige Spezialitäten wie Dorsch, Heilbutt, Rotbarsch und Scholle. Davon profitieren auch die mittlerweile in ganz Island vertretenen Fish-&-Chips-Lokale. Einige dieser Restaurants bieten weit mehr als bloß fetttriefende panierte Fischfilets, wie man sie aus Großbritannien kennt. Die Panade ist hauchdünn, und statt der tiefgekühlten Pommes made in USA werden die kleinen runden lokalen Kartoffeln angeboten.
Ein solches Lokal ist das »Icelandic Fish & Chips« in Reykjavík. Das Konzept des Restaurants ist so erfolgreich, dass mittlerweile auch eine Filiale im West Village in Manhattan eröffnet hat. Die Dips werden übrigens nicht aus Industrie-Mayonnaise gemacht, sondern aus Skyr – einer kalorienarmen Mischung aus Joghurt und Topfen, die man in Island seit rund 1000 Jahren kennt. Zu den größten Spezialitäten Islands ge-hören auch die erstklassigen Kaisergranaten, die hier Isländische Hummer genannt werden. Das Restaurant »Fjöruborðið« in der kleinen Ortschaft Stokkseyri an der Südküste ist für seine in Butter und Knoblauch sautierten Kaisergranaten bekannt.

Modern Icelandic

Isländer sind, was ihre kulinarischen Genüsse angeht, nicht konservativ. Die isolierte Lage mag zwar lange Zeit dafür gesorgt haben, dass man von der restlichen Welt abgeschnitten war, mit dem Aufkommen des Flugverkehrs ist die Insel aber als Kreuzung zwischen Nordamerika und Europa mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Die kulinarische Szene ist mittlerweile so weitläufig wie die Hauptstadt selbst. Neben traditionellen Restaurants gibt es junge Kreative, die aus der Schatzkiste alte Rezepte geborgen haben und diese in die Jetztzeit transponieren.
Im »Matur og Drykkur« (Essen und Trinken) – untergebracht in einer hippen ehemaligen Fischfabrik im Hafen Reykjavíks – zaubert das Team von Gísli Auðunsson Grandioses auf den Teller: getrockneten, hauchdünn geschnittenen Fisch, doppelt geräuchertes Lamm mit Buttermilch und Muskatnuss und als größte Überraschung einen Dorschkopf in Hühnersuppe gekocht und anschließend geflämmt. Dazu wird eine große Auswahl an verschiedenen Broten und hausgemachten Aufstrichen serviert. Auch das zart gebratene Lamm mit Beeren und Grünkohl ist von hervorragender Qualität. Den kulinarischen Tipp für das »Matur og Drykkur« hat uns übrigens ein anderer Wirt eines ebenso hippen Innenstadtlokals gegeben: Das »L96 Matwerk« auf der Laugavegur 96 serviert eine Mischung aus internationalen Gerichten mit isländischem Touch – etwa verschiedene gebratene Fische und den Papageientaucher Svartfugl.

Debatten über Walfang – Ein No-Go

Island gehört zu den wenigen Nationen, die immer noch auf Walfang gehen – und das ohne jegliche Ausreden auf die Wissenschaft. Walfleisch ist auf vielen Speisekarten zu finden – und es ist dringend davon abzuraten, mit Isländern eine Diskussion über das Thema Walfang anzufangen. Das vergiftet die Stimmung, denn die Isländer beharren auf dieser Tradition und rücken von dieser Meinung nicht ab. Fest steht auch, dass die Nachfrage nach Walfleisch mit dem zunehmenden Tourismus deutlich gestiegen ist, da sie der »Möchte-ich-auch-einmal-probieren«-Effekt fördert. Im »Þrír Frakkar« gibt es
beispielsweise nicht nur Sashimi vom Wal, sondern auch Pfeffersteak vom Walfilet.
Wie auch immer man zu diesem Thema stehen mag, bleibt jedem selbst überlassen. Tatsache ist, dass Wale als langlebige Meeressäugetiere eine sehr große Menge toxischer Substanzen in ihrem Fett anreichern, die dann mitverzehrt werden. Umgekehrt sollte auch erwähnt werden, dass das Whale-Watching in Island mittlerweile zu den bevorzugten Tourismusaktivitäten zählt. Es gibt mehrere Häfen, von denen aus die Safaris angeboten werden. Denn die größte Sensation auf der Insel aus Feuer und Eis ist und bleibt die grandiose Naturkulisse.

Erschienen in
Falstaff Nr. 05/2018

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Wolfgang Weitlaner
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Nýlendugata 14, 101 Reykjavík
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