© Shutterstock

Gardasee: Ein See für alle Fälle

Seit Jahrhunderten zieht der Gardasee Romantiker wie Genießer gleichermaßen in seinen Bann. Und der größte italienische See ist heute mehr denn je eine Reise wert.

Leuchtend gelbe Zitronen und silbrig glänzende Olivenbäume begrüßen den Besucher und stillen mit einem Schlag die Sehnsucht nach dem Süden. ­Der Gardasee erstreckt sich über drei Regionen – Trentino im Norden, Venetien im Osten und Süden, Lombardei im Westen – und zeigt dementsprechend viele Gesichter. Während sich die Landschaft am Nordufer alpin präsentiert, fühlt man sich am Südufer mit den flachen Sandstränden beinahe wie am Meer. Entlang der Uferstraße an der Ostseite liegen pittoreske Ortschaften, hintereinander aufgereiht wie auf einer Perlenkette. Das Westufer beginnt im Süden hügelig mit ausgedehnten Olivenhainen und Weingärten und endet Richtung Norden mit Felswänden, an die sich Zitronengärten schmiegen.

Kulinarische Traditionen

Das Nordufer um die Städte Riva und Torbole gehörte bis zum Jahr 1919 zur k. u. k. Monarchie. Es sollte daher nicht verwundern, wenn man hier auf Speisekarten Gerichte wie »Canederli« oder »Strudel« findet. Eine lokale Spezialität ist »Carne Sa­lada«, eingelegtes Rindfleisch, das roh als Carpaccio oder geschmort serviert wird. Besonders fein schmecken diese Gerichte im »Ristorante Acetaia del Balsamico« an der Straße zum Lago di Tenno. Schon allein der traumhafte Ausblick auf Riva und den Nordzipfel des Gardasees ist einen Besuch wert.

Nördlich von Riva, im Sarcatal, wird Nosiola angebaut, eine typische Weißweinsorte des Trentino. Die Cantina di Toblino erzeugt daraus neben einem frischen Weißwein einen formidablen Vino Santo, einen Strohwein, der hier lange Tradition hat. Von Malcesine bis Peschiera im Süden erstreckt sich der venetische Teil des Sees. Die »Locanda San Vigilio« zwischen Torri del Benaco und Garda ist ein magischer Ort. Wie ein Horn ragt die Landzunge in den See. Neben einem kleinen Hafen stehen historische Gebäude aus dem 16. Jahrhundert. Die Zimmer und Suiten sind stilvoll eingerichtet. Ein Abendessen auf der Terrasse des Restaurants bei Sonnenuntergang – romantischer kann ein Dinner nicht sein!

Bardolino ist nicht nur ein lieblicher Ort weiter südlich am See, sondern auch der Name des wichtigsten Rotweins des Gebiets. Hergestellt wird Bardolino aus Cor­vina, Rondinella und anderen lokalen Sorten, es ist eine ähnliche Mischung wie im benachbarten Valpolicella. Ein Bardolino duftet nach Kirschen und Himbeeren, hat feines Tannin und ist ein leichter bis mittelschwerer Wein, der für den unkomplizierten Genuss steht.

Große Erfolge feiert derzeit die Rosé-Variante des Bardolino, der Chiaretto. Zum Sonnenuntergang im Hafen von Lazise ein Glas Chiaretto – das ist Leichtigkeit. Hervorragenden Bardolino und Chiaretto gibt es etwa bei Guerrieri Rizzardi. Im Shop vor den Toren Bardolinos kann man auch Valpolicella, Saove und Olivenöl erstehen. Das Olivenöl vom Gardasee gilt als eines der feinsten Italiens, ideal zu Gerichten mit zartem Geschmack wie Seefisch oder Gemüse. Exzellentes Öl gibt es auch auf der anderen Seeseite bei Gianfranco Comincioli in Puegnano. Seine sortenreinen Öle sind Weltklasse.

Wohnen beim Wein

Ein traumhafter Platz für den Aufenthalt am Gardasee ist das »Villa Cordevigo Wine Relais« in Cavaion. In den Hügeln hinter dem See gelegen, vermeidet man hier den touristischen Trubel. Im angeschlossenen »Ristorante Oseleta« genießt man auf Sterneniveau. Einfacher, aber doch auch mit Charme geht es unten in Lazise im »Agriturismo Al Vajo« zu. Emilio Fasoletti war viele Jahre Direktor der Winzervereinigung im Valpolicella, bevor er gemeinsam mit seiner Familie das Bed & Breakfast am Ortsrand von Lazise eröffnete. Die Zimmer in der neu errichteten Dependance bieten einen wunderbaren Blick auf den See. Fasoletti kennt auch viele Tipps und Geschichten rund um den See.

Fruchtig-frischen Bardolino erzeugt Luciano Piona in seinem Weingut Cavalchina in Custoza. Doch bekannter als für seinen Bardolino ist Cavalchina für den gleichnamigen Weißwein Custoza, für den Garganega, Trebbiano Toscano, Tocai Friulano, Fernanda und einige andere lokale Sorten verwendet werden. Ein Custoza ist weich, von zartem, leicht aromatischem Aroma, fruchtig, kann aber zu beachtlicher Komplexität heranwachsen. Cavalchinas Erzeugnis Amedeo beweist das hinlänglich. Ein guter Custoza bietet sich als Alternative zum bekannten Lugana an.

Nicht weit von Custoza liegt Valeggio sul Mincio. Einen Abstecher dorthin sollte man unbedingt einplanen; auch wegen des überaus sehenswerten Mühlendorfs Borghetto, vor allem aber, um im Traditionsrestaurant »Alla Borsa« die berühmten Tortellini zu genießen.

Lugana I Frati

Das Anbaugebiet des Lugana erstreckt sich von Sirmione den See entlang westwärts bis Desenzano. Lugana entsteht zu 90 Prozent aus der Sorte Trebbiano di Lugana, auch Turbiana genannt. Er zeigt gute Fülle, eine überraschend rassige Säure und kann vorzüglich altern.

Ein Weingut, das sowohl Custoza als auch Lugana erzeugt und daneben auch noch wunderbaren Valpolicella und Amarone, ist Zenato in San Benedetto di Lugana. Gegründet in den 1960er-Jahren von Sergio Zenato, wird der Betrieb heute von den Geschwistern Nadia und Alberto Zenato geleitet. Führender Erzeuger von Lugana ist aber Ca’ dei Frati. Als Igino Dal Cero vor 40 Jahren den Betrieb vom Großvater übernahm, gehörten vier Hektar Weingärten dazu. Heute sind es über 200 Hektar, ein kometenhafter Aufstieg. Trotz dieser Größe ist Ca’ dei Frati immer noch ein Familienbetrieb.

Hauptwein ist der Lugana I Frati. Er wird im Stahltank vergoren und ruht dann lange auf der Feinhefe. Für den Lugana Brolettino werden Partien verwendet, die einen vollmundigen, kraftvollen Wein ergeben, der auch hervorragend altern kann. Probieren und kaufen kann man die Weine direkt im sehenswerten Weinshop, der einem alten Kloster nachempfunden ist. Der beste Platz aber, um einen Lugana von Ca’ dei Frati zu genießen, ist das Restaurant »Esplanade« am Seeufer von Desenzano.

Mondänes Urlaubsziel

Ein anderer spannender Produzent von Lugana ist Montonale in Desenzano. Mit viel Dynamik und Energie erzeugen die Brüder Girelli zwei hervorragende Lugana, den Montunal und die Selektion Orestilla. Verkosten kann man die Weine in der Probierstube über den neuen ­Kellern.

Das Gebiet am südwestlichen Seeufer um Manerba, Puegnagno und Polenazze bildet eine eigene Weinbauzone: Valtènesi. Hier ist das Reich der Groppello, einer lokalen Rebsorte, die erdig-herzhafte Rotweine hervorbringt. Die Sorte eignet sich auch als Basis für fruchtig-rassigen Rosé. Führende Erzeuger von Valtènesi Chiaretto sind Costaripa und Perla del Garda.

Die bezaubernde Westküste von Salò bis Limone ist seit Ende des 19. Jahrhunderts mondänes Urlaubsziel für Künstler und Betuchte. Hier gibt es bis heute die meisten Nobelhotels und Sterne-Restaurants. Am längsten mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet, nämlich bereits seit 1980, ist das Traditionsrestaurant »La Tortuga« in Gargnano. Und wer nach dem Abendessen nach einem Nachtlager sucht, hat zwei wunderbare Plätze zur Auswahl: die gediegene »Villa Giulia« oder die mondäne »Villa Feltri­nelli«. Buona notte!

Erschienen in
Falstaff Nr. 05/2020

Zum Magazin

Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien
Mehr entdecken
Restaurant
Acetaia del balsamico trentino
Heimische Küche mit eigenen Produkten, so auch Aceto Balsamico. B&B mit Zimmern, die einen...
Strada di San Zeno 2, 38060 Tenno
Weinbar
Affi Wine Bar Dal 1994
Der richtige Einstieg in die Weinwelt des Gardasees, aber auch ganz Italiens. Zu den Weinen werden...
29 Via Pascoli, 37010 Affi
Mehr zum Thema