Dinner mit Traumausblick: Im »Cin Cin« wird mediterrane Küche mit karibischer Leichtigkeit serviert.

Dinner mit Traumausblick: Im »Cin Cin« wird mediterrane Küche mit karibischer Leichtigkeit serviert.
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Barbados: Das Beste aus zwei Welten

Eine kulinarische Reise in die karibische Welt von Barbados – ins Paradies, wo Gott nach Meinung der Barbadier die Ferien verbringt.

Jeepfahrer Dwain kennt die Wege wie seine Westentasche und versteht es, auch einem unverhofft auftauchenden Verkehrsstau auszuweichen. Auf schmalen Straßen durchqueren wir mit ihm das Landesinnere von Barbados, eine sanfte Hügellandschaft, in der sich die silbrigen Pfeile des Zuckerrohrs in der Brise biegen. Wir sind auf dem Weg zur Ostküste, der schroffen, windzugewandten Seite der Karibikinsel, deutlich spärlicher bewohnt und für die Schifffahrt mit ihren unterirdischen Strömungen und tückischen Korallenriffen ungeeignet – einzig die Surfer finden hier ihr Paradies. Wir machen Halt bei der alten anglikanischen Kirche St. John, hoch auf einer Klippe, die das östliche Ufer beherrscht und den Blick auf eine zerklüftete Palisade von Korallenfelsen freigibt, an denen sich die Wellen des Atlantiks brechen.

Gegen sechs Uhr versinkt die Sonne blutrot im Meer. Schlagartig bricht die Nacht herein, und in den Sträuchern beginnt das Quietschen der zahllosen, fingernagelkleinen Frösche. Im Restaurant des Hotels »Ocean Two« an der Dover Beach in Christ Church ist es Zeit fürs Abendessen. Wir tafeln unter Palmen am Strand mit Patricia Alfonso Dass, der Direktorin des »Ocean Two«, und der Kochbuchautorin Sally Miller. Wirbelsturm »Maria« ist das beherrschende Thema. Alfonso Dass hat gerade erfahren, dass das Hotel einer befreundeten Kollegin auf der Nachbarinsel Dominica zerstört wurde. Zum Glück blieb Barbados sowohl von »Maria« als auch von der zuvor wütenden »Irma« verschont. 1955 hatte der letzte Hurrikan die Insel heimgesucht. »Es geht das Bonmot um, Barbados würde von den Wirbelstürmen in Ruhe gelassen, weil auch Gott hier den Urlaub verbringt«, erzählt Sally Miller.

Genuss auf Karibisch

Die Insel wurde im 17. Jahrhundert von den Engländern in Besitz genommen und mit Sklaven aus Westafrika besiedelt. Das prägte auch die barbadische Küche, die Sally Miller bestens kennt: »Sie besteht aus einfachen Gerichten westafrikanischen, kreolischen, aber auch britischen Ursprungs. Huhn, Schwein und viel Fisch werden gekocht und gegrillt, dazu gibt es meist Pürees aus Kartoffeln, Mais, Süßbanane oder der Brotfrucht.«

Der mittelgroße Brotfruchtbaum findet sich überall auf der Insel. Seine gelbgrünen Früchte werden geschält, klein geschnitten und ähnlich wie die Kartoffel gekocht, frittiert oder püriert. Weltweit berühmt wurde die Brotfrucht, weil sie Anlass zur Meuterei auf der Bounty war. Das Schiff sollte Stecklinge des Brotfruchtbaums von Tahiti nach Barbados bringen, um die Sklaven auf den Zuckerrohrplantagen mit den »Bread Fruits« zu ernähren. Das rare Trinkwasser wurde zur Bewässerung verwendet, was die durstige Besatzung zur Meuterei trieb.

Michael Harrison, Küchenchef des »Ocean Two«, hat die barbadische Küche von seiner Tante eingeimpft bekommen und verwendet ausschließlich lokale Produkte. Eine langjährige Anstellung im Londoner Sternerestaurant »Le Gavroche« hat seinen Horizont freilich gehörig erweitert, so dass er heute überraschende Gerichte aus dem Geiste einer aromatischen, gewürzreichen Fusionsküche serviert: Ein Ceviche vom Marlin etwa mit Avocado- und Zitrussalat mit gerösteten roten Rüben, konfierten Tomaten und Pistazienschaum. Oder eine Linsen-Speck-Suppe mit Huhn und Ananas. Anderntags ist die Besichtigung eines verwunschenen tropischen Gartens und einer labyrinthischen Tropfsteinhöhle angesagt – Barbados ist nicht vulkanischen Ursprungs, sondern fußt auf einem Kalksteinplateau.

Zum Lunch fahren wir an die spektakuläre Ostküste zu einem einfachen Strandrestaurant, das bei der einheimischen Bevölkerung hoch im Kurs steht. Wir stellen uns in der Schlange an und tragen unser Essen, beschallt von Calypsomusik, im Styroporbehälter ans Ufer. Gegessen wird mit Plastikbesteck. Es gibt eines der barbadischen Nationalgerichte: Flying Fish mit Cou-Cou und Macaroni Pie. Fliegend heißt der kleine Fisch, weil er mit flügelartigen Flossen über die Wasseroberfläche gleitet. Wir erhalten ihn gebraten zu einem polentaartigen Brei, dem Cou-Cou. Macaroni Pie ist ein Teigwaren-Käseauflauf, wie man ihn auch in unseren Breitengraden kennt. Getrunken wird hauptsächlich Bier. Die Weine in den günstigen Restaurants machen keine Freude. An einem Stand wird selbst produzierter Wein aus unterschiedlichen Früchten und Beeren verkauft – mit seiner Süße und dem leichten Essigstich gewöhnungsbedürftig.

St. Lawrence Gap heißt ein Strandabschnitt unweit des »Ocean Two.« Bei uns würde man vielleicht von einer »Fressmeile« sprechen. Feine Spezialitätenrestaurants reihen sich da wie auf einer Perlenschnur. Eine ähnliche Dichte empfehlenswerter Lokale (»Cin Cin«, »The Cliff« oder »The Lone Star«) gibt es vielleicht nur noch an der Westküste, ihrer Schönheit und vor allem ihres ökonomischen Reichtums wegen auch »Platinküste« genannt.

In St. Lawrence Gap besuchen wir gleich drei Restaurants. Unsere Begleiterin ist Sandrina Sankar, Verkaufs- und Marketingmanagerin einer Hotelkette. Sie ist Wienerin und lebt seit über zwanzig Jahren in der Karibik. Die Vorspeise genießen wir im »Pure Ocean«, den Hauptgang im »Primo« und das Dessert in der »Cocktail Kitchen«. Meeresfrüchte, Fisch und viel Gemüse, mediterran grundiert mit barbadischem Einschlag, alles sehr schmackhaft und überaus frisch. Okay auch die Weinkarten. Im »Primo« trinken wir einen freundlich kalkulierten Grünen Veltliner Kies von Kurt Angerer, ansonsten sind die Preise auf Barbados für gutes Essen und Trinken hoch.

Ein Gläschen Rum am Strand

Nach den feinen Desserts genießen wir als Schlummertrunk ein Gläschen Rum. Barbados ist die Insel, auf der das Zuckerrohr zum ersten Mal angepflanzt wurde. Hier wurde auch der Rum erfunden. Noch heute produzieren vier Destillerien Rum in ordentlicher Menge. Wir besuchen zwei Brennereien, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Die Foursquare Rum Factory in St. Philip ist über 350 Jahre alt und seit vier Generationen im Besitz der Familie Seale. Ihr Rum wird aus importierter Melasse gebrannt. Der jetzige Inhaber Richard Seale taut auf, als er merkt, dass bei der Degustation seine besten Rums gut ankommen. Der Tryptich ist eine Mischung der drei Jahrgänge 2004, 2005 und 2007, wurde in Bourbon- und Madeirafässern ausgebaut und besitzt feurige Süße, Schmelz und Länge.

Ausschließlich handwerklich arbeitet St. Nicholas Abbey in Cherry Tree Hill. Hier taucht man tief in die Vergangenheit ein. Das historische, als Museum inszenierte Gutshaus inmitten von Zuckerrohrfeldern und uralten Mahagoniwäldern geht auf das Jahr 1658 zurück. Die Boutique-Destillerie ist seit 2006 in Besitz der Familie Warren. Der Zuckerrohrsirup stammt aus eigenen Plantagen. Der junge Simon Warren führt persönlich durch die Brennerei mit ihrer erst kürzlich von der deutschen Firma Arnold Holstein installierten Destillieranlage. Die Abfüllung erfolgt fassweise und von Hand. Die Stilistik ist fein, leicht und sehr duftig. Wer eleganten und finessenreichen Rum sucht, wird auf St. Nicholas Abbey glücklich.

Sandrina Sankar ist eine hervorragende Botschafterin barbadischer Lebensart. Sie lobt die offene, fröhliche Art der Bevölkerung und die überdurchschnittlich gute Infrastruktur der Insel. »Auf Barbados«, sagt sie schließlich, »findet irgendwie das Beste aus zwei Welten zusammen. Die Zuverlässigkeit und das Pflichtbewusstsein von ›good old‹ Europa plus die Lebensfreude und die Sonne der Karibik.«
www.visitbarbados.org/de

Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2017

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Martin Kilchmann
Martin Kilchmann
Wein-Chefredakteur Schweiz
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