Der historische Stadtkern Baden-Badens machte ­die Stadt schon immer attraktiv. Nun drehen auch die Gastronomen auf.

Der historische Stadtkern Baden-Badens machte ­die Stadt schon immer attraktiv. Nun drehen auch die Gastronomen auf.
© GettyImages | Henryk Sodura Travel Photography

Baden-Baden: Neue kulinarische Leuchttürme

Kurstadt, Ärztestadt, Casinostadt – Baden-Baden war bislang alles andere als hip. In den vergangenen Jahren hat sich hinter der hübschen Fassade aber viel getan.

Wenn es dämmert in Baden-Baden, dann beginnt der Zauber. Vor dem Kurhaus läuft ein Mitarbeiter mit einem übermannsgroßen Stab die Kandelaber ab, öffnet eine Klappe und entzündet die Laternen. Nach und nach leuchtet dann warmes Licht vor dem Säulengang des Kurhauses auf, und wenn nicht aus der Ferne Motorengeräusch zu hören wäre, könnte man denken, dass man mit dem Besuch der Stadt zugleich eine Zeitreise ­in das 19. Jahrhundert unternommen hat.
Selbst wenig Fantasiebegabte können diesen Eindruck eine Weile aufrechterhalten, wenn sie vom klassizistischen Kurhaus aus Richtung Lichtentaler Allee spazieren, wo riesige Mammutbäume in den Himmel ragen und der Oosbach rauscht. Eingerahmt von Büschen und Magnolien steht hier das prunkvolle »Brenners Park-Hotel«, eines von Deutschlands schönsten Grandhotels, eröffnet im Jahr 1872, was sich an der fast schon kitschig-schönen Fassade ablesen lässt.
Die über die Stadt verteilten historischen Gebäude sind das Kapital von Baden-Baden, das seinen Namen den heißen Quellen verdankt, die schon die alten Römer schätzten. Deshalb kommen Chinesen, Amerikaner, Russen – Baden-Baden boomt, die steigenden Übernachtungszahlen belegen das. Und wahrscheinlich könnte man sich ausruhen auf dem verlockenden Angebot an Hotels, Parks, Kliniken und dem Casino, mit dem die Kurstadt seit jeher eine Mischung aus wohlhabenden, aber älteren Besuchern anlockt.

Statt Paul nun »Fritz & Felix«

Ein jüngeres Publikum hatte Baden-Baden bislang eher selten auf der Karte. Zu etabliert, zu traditionell, weit entfernt von der Lebensrealität. Warum sollte man mit Anfang/Mitte zwanzig das »Brenners« betreten, vorbei an befrackten Portiers die einschüchternde Lobby durchqueren? Nun, für solche Fälle gibt es jetzt einen neu geschaffenen Seiteneingang. Im früheren Restaurant, wo Damast-Tischwäsche und rote Teppiche dominierten, wo Paul Stradner zwei Sterne erkochte, befindet sich nun ein Lokal, das genauso gut in London stehen könnte. Vor einem Dreivierteljahr hat das mit hohen Lederhockern und schlammfarbenem Plüsch ausgestattete »Fritz & Felix« eröffnet, entwickelt nach einem Konzept des Schweizer Kochstars Nenad Mlinarevic. Bar, Restaurant, Küche? So genau nimmt man das nicht, die Trennung ist aufgeweicht.
Vis-à-vis der kleinen Tische, nur getrennt von einer Scheibe aus gewienertem Sicherheitsglas, ruht ein 2,8 Tonnen schweres Monstrum aus Gusseisen. Was aussieht wie eine halbe Dampflokomotive, ist der Charcoal-Grill, für den eigens das Fundament verstärkt werden musste. Eine Mischung aus Holzkohle und Holz befeuert diese Spezialanfertigung aus Spanien, 15 Kilogramm frisst sie jeden Abend. Mal liegt ein ganzes Spanferkel auf dem Rost, mal ein zwei Finger dickes Steak, genauso gut kann aber auch Gemüse in der Glut garen.
Was hier am Ende brutzelt, hängt von den Ideen Sebastian Mattis’ ab, einem Großstädter, der neu in die Provinz kam. Mattis, 42, war lange Souschef im Kölner Zweisterner »Le Moissonnier«, erkochte dann einen Stern im »Wein am Rhein« und zog im vergangenen Jahr her. Warum? »Einen kompletten Neuanfang zu wagen, fand ich bewundernswert«, sagt Mattis zum Wandel im »Brenners«. Er kann nun seine Idee einer jungen, zeitgemäßen Küche umsetzen, ohne dabei die Qualität klassischer Haute Cuisine aufzugeben. Auf seiner Karte stehen geröstete Lauchherzen, confierter Schweinebauch mit süß-sauren Zwetschgen, Lammschulter mit Harissa und Couscous-Sud – alles zum Teilen.
Zu keinem Zeitpunkt fühlt es sich so an, als habe man etwas verloren – es ist nur mehr dazugekommen. Wer mag, kann in Baden-Baden nach wie vor eine Auswahl der besten Kuchen und Torten des Landes im »Café König« bekommen. Oder feinste Pralinés und Trüffel aus der »Confiserie Rumpelmayer« mitnehmen. Genauso gut kann man aber im »Kaffeesack« ausgezeichnete Spezialitätenkaffees trinken. Diese hippe Brewbar befindet sich zwar in nicht ganz so prominenter Lage wie das »Café König«, ist aber nur wenige Minuten vom Zentrum entfernt (so wie übrigens fast alles nur wenige Minuten entfernt zu sein scheint, ein Auto braucht man nicht). Den Kaffee gibt’s übrigens auch im »Fritz & Felix« – die lokalen Netzwerke werden genutzt und gestärkt.

Man kann (und sollte) ins sagenhaft schöne Casino gehen, für dessen vier Haupträume die Schlösser von Versailles und Fontainebleau Vorbild waren. Bis zu 1800 Besucher machen das jeden Samstag, obligatorisch in Abendkleidung. Man kann aber auch den Roulette-Tisch links liegen lassen und nur zum Essen kommen, im »The Grill« von Patron Peter Schreck. Neben Sushi steht eine grandiose Steak-Auswahl bereit: Black Angus aus Australien oder Dry Aged aus Baden-Württemberg, Flanksteaks aus Nebraska und Entrecôte vom Pommerschen. Unter dem 900 Grad heißen Grill gelingt das Fleisch so, wie es sein soll: außen knusprig, innen roh. Dazu gibt es Pommes frites, die überragend sind.
Man kann deftig essen, etwa in der »Geroldsauer Mühle« am Ortsrand, wo es Schwarzwälder Küche gibt, bestückt mit heimischem Wild und Gemüse direkt aus der Region (einkaufen kann man hier übrigens auch wunderbar). Man kann aber auch ins vor zwei Jahren eröffnete »Roomers« gehen, ins angesagteste Hotel der Stadt. Dort isst man im Restaurant »Moriki« vietnamesische Sommerrollen, gefolgt von einem Drink in der Rooftop-Bar. Baden-Baden, lässig.
Im Erdgeschoss des »Roomers« hängen übrigens gut zwei Dutzend Kuckucksuhren an der Wand. Kein schlechtes Bild für den Umgang mit Tradition. Man darf sie bestaunen. Aber gelebt wird in der Gegenwart.

Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2019

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Philipp Elsbrock
Philipp Elsbrock
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