Tasting vom 02.01.2003
Frankreich oder Italien, Bordeaux oder die Toskana – wo wachsen die besseren Cabernets? Das war die zentrale Frage einer hochkarätigen Verkostung, die in Affi bei Verona stattfand. Bordeaux und insbesondere das Medoc ist unbestritten die Heimat grandioser Weine auf Cabernet-Basis. In den vergangenen beiden Jahrzehnten aber haben die französischen Hochgewächse zunehmend Konkurrenz bekommen. Neben Weinen aus Kalifornien sind hier vor allem italienische Cabernets, vorwiegend aus der Toskana, zu nennen. In einer großen Verkostung standen nun die letzten fünf Jahrgänge der besten Cabernet-Weine aus den beiden Ländern auf dem Prüfstand. Neben den Premier Crus und Cheval Blanc standen am Podium: Sassicaia, Ornellaia, Solaia, Grattamacco, Trinoro und als einziger Nicht-Toskaner Gajas Darmagi. Vorbereitet hatte die Mega-Degustation Johann Innerhofer, passionierter Weinliebhaber und Weinsammler, der ehedem das Weinfestival in Meran aufbaute und nun mit seiner Agentur Winecellar feine Weine aus aller Welt vertreibt. Vielleicht lag es an meinem Gaumen, der doch mehr an die italienischen Weine gewohnt ist, vielleicht lag es am Umstand, dass die Verkostung in Italien stattfand und vorwiegend Verkoster aus Italien anwesend waren. Fest steht, dass die italienischen Weine sich nicht nur gut schlugen, sondern die Verkostung beinahe dominierten. Während sich die Italiener in allen Jahrgängen erstaunlich konstant zeigten, gab es bei Bordeaux wesentlich größere Schwankungen. Die Jahrgänge 1999 und 1997 hielten dort wahrlich nichts Umwerfendes bereit. Insbesondere 1997 waren in Bordeaux nur die Preise groß. Höchst interessant wäre es, diese Verkostung in fünf oder zehn Jahren nochmals zu wiederholen, um zu sehen, wie sich die Weine im Alter entwickeln. Bisher gibt es in dieser Hinsicht bei den Italienern noch sehr wenig Erfahrung, während wir bei Bordeaux zur Genüge herausragende Beispiele erstklassig gereifter Weine haben. Letztendlich ist es immer noch diese Lagerfähigkeit, die Bordeaux von allen anderen unterscheidet. Aber wer weiß, vielleicht haben auch in dieser Hinsicht die anderen Anbaugebiete schon aufgeschlossen. In den nachfolgenden Kostnotizen finden Sie vorangestellt die Bewertungen des Autors nach dem 100-Punkte-System; nachgestellt die Bewertungen des gesamten Panels, das nach dem 20-Punkte-System wertete. Die mitunter deutlichen Abweichungen sind darauf zurückzuführen, dass in zwei Sessions verkostet wurde; eine Nachmittagssession mit rund 20 Teilnehmern, bei der ich teilnahm sowie eine Abendsession mit 50 Teilnehmern, von der das Endergebnis stammt. Offensichtlich waren einzelne Flaschen auf unterschiedlichem Niveau. von Othmar Kiem