Zucht und Ordnung

Kaviar vom gezüchteten Stör ist gefragt wie nie. Kein Wunder, die Meere
sind leergefischt, Wildfang-Kaviar aus Russland oder dem Iran ist rar und
teuer. Und Blindverkostungen zeigen: Zuchtkaviar wird immer besser!

Alle starren gebannt auf den Inhalt der kleinen Metalldose. Darin schimmert weißer Kaviar, die Fischeier eines Albinostörs. Walter Grüll, Fischzüchter aus Grödig in der Nähe von Salzburg, lässt die 50-Gramm-Dose in der Runde kreisen. Jeder nimmt vorsichtig eine kleine Menge und lässt sich die cremige Masse auf der Zunge zergehen. Alle sind sich einig: »Diesen Geschmack wird man so schnell nicht vergessen.« Weltweit beträgt die Jahresproduktion dieser raren und intensiv schmeckenden Delikatesse nur acht bis zehn Kilo – eine homöopathische Menge. Entsprechend ist der Preis: Für Kaviar vom Albino-Stör werden auf dem Weltmarkt bis zu 45.000 Euro pro Kilo verlangt.

Damit ist weißer Kaviar das teuerste Lebensmittel der Welt. Selbst weiße Trüffeln aus Alba mit einem Kilopreis von bis zu 9000 Euro wirken im Vergleich dazu wie ein Produkt aus dem Diskont-Supermarkt.

Dass diese Delikatesse, die einst ausschließlich dem Schah von Persien vorbehalten war, ausgerechnet an einem Ort wie Grödig gewonnen wird, ist in vielerlei Hinsicht erstaunlich. In diesem kleinen, unscheinbaren Dorf direkt am Fuß des Untersbergs erwartet eigentlich niemand einen florierenden Kaviarhandel. Grülls Fischgeschäft »Al Pescatore« wirkt auf den ersten Blick eher wie eine einfache Fischbude in Norddeutschland – mit Kieler Sprotten und Salzheringen.

Doch immer öfter schneien hier Feinschmecker und Gourmets herein, die zum Teil von weit her angereist kommen. Sie interessieren sich nicht so sehr für Grülls Forellen und Karpfen, sondern meist für seinen Kaviar. Wie viele andere Fischzüchter auf der Welt hat auch Grüll rechtzeitig erkannt, dass Kaviar vom gezüchteten Stör ein Produkt der Zukunft ist. Der Hintergrund dafür ist einfach: Russischer und iranischer Kaviar sind offiziell kaum noch zu bekommen. Und wenn, dann nur zu horrenden Preisen.

Touzimsky und Wagner-Bacher beim Kaviar-KaufUnd wie gut ist nun Kaviar vom gezüchteten Stör im Vergleich zum Wildfang? Immer öfter stellt sich bei Blindverkostungen heraus, dass die Unterschiede – wenn überhaupt – nur marginal sind. Nicht selten gewinnt der gezüchtete Kaviar sogar, da die Qualität der Störeier von wild gefangenen Tieren immer schlechter wird. Zuchtkaviar ist jedoch kein schnelles Geschäft. Die wichtigste Voraussetzung ist Geduld. Grüll etwa hat vor 17 Jahren mit der Störzucht begonnen, erst vor sieben Jahren konnte er den Tieren die ersten Eier entnehmen. »Das waren damals noch sehr geringe Mengen«, sagt Grüll, »man muss bedenken, dass ein Störweibchen ungefähr zehn Jahre alt werden muss, bis es zum ersten Mal laicht.« Damit es schneller geht, werden die Tiere in den großen Zuchtfarmen oft ganzjährig in warmen Hallen gehalten. Das beschleunigt den Prozess um einige Jahre. »Aber wir machen das nicht«, sagt Grüll, »wir wollen der Natur nicht ins Handwerk pfuschen. Das wirkt sich auch auf die Qualität aus.«

Die vollständige Reportage sowie Einkaufstipps von "Meinl am Graben"-Leiter Helmut Touzimsky und Starköchin Lisl Wagner-Bacher (siehe Bild oben) lesen Sie im Falstaff 01.10