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Zeit zum Aufräumen: Ab in den Keller

Falstaff verrät wie man den eigenen Weinkeller fit für die Zeit nach Corona macht und was es dabei zu beachten gilt.

Wer einen persönlichen Weinkeller sein Eigen nennt, ist in diesen ­Tagen klar im Vor­teil. Man muss nicht außer, sondern nur unters Haus gehen, ­um die gewünschten Tropfen auszuwählen. Und wenn man nun unfreiwillig auch etwas mehr Zeit daheim verbringt als sonst, dann könnte man doch gleich ein paar Stunden darauf verwenden, anstatt »Home Office« einmal »Home Cellar« zu nutzen. Die Partnerin oder der Partner wird ja vielleicht ­sogar froh und dankbar sein für ein paar Stunden Privatspähre. Denn wenn Sie keinen hauptamtlichen Kellerknecht haben, dann könnte es sein, dass im unterirdischen Reich neben vielen Flaschen auch einige ­Arbeit für Sie liegen geblieben ist.

Ordnung ist alles

Wenn wir schon dabei sind: Führen Sie eigentlich noch Ihr Kellerbuch, in das Sie anfangs noch so fleißig Ihre Neuerwerbungen samt Daten wie Menge und Preis eingetragen haben? Und wie rasch finden Sie diese eine gesuchte, sehr spezielle Flasche, auf ­die Sie sich gerade heute Abend freuen? Zu Beginn einer Sammlung denkt man ja, das Gedächtnis reicht zu diesem Zwecke völlig aus. Einige Jahre später überlegt man dann allerdings schon eher den Griff zur Flasche mit dem Gehirn-Tonikum statt zu der unauffindbaren Château Margaux 1983. Daher der erste Rat: Denken Sie über einen Neustart in Ihrer Kellerverwaltung nach. Dafür ist es nie zu spät, und es macht ab dem Moment Sinn, wo die Zahl Ihrer Lagerbestände dreistellig wird. Es gibt hierfür auch moderne technische Hilfen. Eine simple Excel-Liste am PC ist ein kostengünstiger Einstieg, aber es gibt natürlich auch eine Menge an speziell für diesen Zweck entwickelter Software bis hin zu maßgeschneiderten Programm-Lösungen. Sicher, das Einpflegen­ der neuen und das Austragen der genossenen Weine bleibt Ihnen nicht erspart. Aber auf Knopfdruck zu sehen, wo welche Flasche liegt oder welchen Wert Ihre Raritäten tagesaktuell darstellen, ist schon eine tolle Sache. Und erst eine komplette elektronische Kellerinventur mit einem Tastendruck – denken Sie jetzt darüber nach!

Den Keller aufzuräumen, ist eine spannende Herausforderung. Man freut sich stets über neue, unerwartete Funde.
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Den Keller aufzuräumen, ist eine spannende Herausforderung. Man freut sich stets über neue, unerwartete Funde.

Platz sinnvoll nutzen

Unlängst durfte ich mich im Keller eines befreundeten Sammlers umsehen, und dabei ist mir wieder einmal ein Phänomen aufgefallen, das mich schon länger vor ein Rätsel stellt. Der gute Mann hatte volle Holzkisten – sechs Stück davon – mit edlen Rotweinen, wohlgeordnet nach Produzenten, übereinandergestapelt. »Ich kaufe mir jedes Jahr zwölf Flaschen von diesen Betrieben«, erzählte er voll Stolz. Der jeweils älteste Jahrgang, und damit jener der Trinkreife am nächsten, befand sich ganz unten im Stapel, der jüngste in der obersten Schicht. Wie der Mann es anstellt, da jemals wieder heranzukommen, weiß ich nicht. Welchen Wein ich bei unserem nächsten Dinner von ihm anfordern werde? Sie ahnen es …Ich persönlich kann mir keinen Designer-Keller leisten, lege aber Wert auf Funktionalität. Und weil ich im Keller auch nicht so viel Platz habe, wie ich gerne hätte, arbeite ich mit stapelbaren, zusammenklappbaren Kunststofflagerkisten, die sich auf beiden schmalen Frontseiten öffnen lassen. So kann ich auf sehr begrenztem Raum auch Tausende Flaschen ruhen lassen und komme stets an jede einzelne Flasche heran. Diese Zwölfer-Kisten sind ungemein robust und lassen sich sehr gut transportieren. Braucht man sie nicht, legt man sie einfach zusammen und kann auf geringer Fläche problemlos hundert Stück und noch mehr auftürmen. Ein weiterer Vorteil: Diese Stapelkisten sind vollkommen problemlos zu reinigen.

Land unter vermeiden

Wann haben Sie zuletzt die Luftfeuchtig-keit in Ihrem Keller gemessen? Dieser Punkt wird gerne unterschätzt. Zu viel Feuchtigkeit ist genauso schlecht wie ein zu trockener Keller. Manche Menschen denken, Wein fühlt sich in diesen überfeuchten Tropfsteinhöhlen wohl, und diese wären gut für die Naturkorken, damit sie nicht austrocknen. Irrtum, die Feuchtigkeit fördert die Schimmelbildung, und die Etiketten werden ruiniert oder lösen sich auf. Sollten Sie Ihre Weinflaschen stehend aufbewahren, hätte zu viel Feuchtigkeit im Keller vielleicht einen Sinn. Sollten sie aber liegen – was explizit vorzuziehen ist –, dann wird der Kork ohnehin befeuchtet, und zwar von der anderen Seite – und das reicht.

Legen Sie Wert auf Etikette

Apropos Etikette: Sollten Sie Sorge haben, dass Ihr Kellerklima für die Erhaltung des einwandfreien Zustands der Flaschenetikette – und das ist bei gewissen Weinen durchaus auch wertbestimmend – suboptimal geeignet sein könnte, dann kaufen Sie sich bitte transparente Frischhaltefolie. Genau, die aus der Küche. Mit diesem dünnen, aber sehr reißfesten Material, das sich bei späterer Gelegenheit ganz leicht und rückstandslos entfernen lässt, schützt man seine Sammlerstücke sehr effektiv, denn auch in einem trockenen Keller ist man vor Staub und Schmutz nie sicher. Bei optimalem Klima kann man die Flaschen natürlich auch in Seidenpapier einwickeln.

Stapelbare Lagerkisten aus Kunststoff sind extrem stabil und vielseitig einsetzbar.
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Stapelbare Lagerkisten aus Kunststoff sind extrem stabil und vielseitig einsetzbar.

Der Sicherheits-Check

Für einen optimalen Weingenuss möchte ich Ihnen zwei Helfer vorstellen: Der ers­te heißt Coravin. Die meisten von Ihnen kennen dieses geniale Tool, das es möglich macht, einen Wein zu verkosten, ohne die Flasche tatsächlich zu öffnen. Dieses etwas kostspielige Gerät findet in der Gastronomie breite Anwendung, im privaten Bereich stößt es erstaunlicherweise auf weniger Verständnis. Wie oft habe ich schon gehört: »Coravin? Brauche ich nicht, wenn ich eine gute Flasche aufmache, dann trinke ich sie sowieso aus – auch allein, wenn es sein muss.« Man ist offensichtlich der Meinung, der Coravin ist nur etwas für Weinasketen, die sich alle paar Tage in absoluter Einsamkeit mit einer Handbreit von Pétrus im Glas bescheiden. Ein Irrtum. Man kann das Gerät auch wesentlich sinnvoller verwenden. Mal angenommen, Sie wollen feststellen, ob ein spezieller Wein die von Ihnen gewünschte Trinkreife erreicht hat oder doch noch nicht. Klassische Lösung: Flasche öffnen, probieren und sich ärgern – der hätte noch ein, zwei Jahre vertragen. Mit Coravin: Minimenge für den Probeschluck aus der Flasche geholt. Jetzt können Sie entscheiden – trinken oder warten. Bei der zweiten guten Flasche Bordeaux hat sich das Gerät schon gerechnet. Fall zwei: Sie sind eingeladen und bringen eine tolle Flasche aus Ihrem Keller mit. Dort wird diese unter großem Tamtam geöffnet – und dann das Unvermeidliche: Korkfehler. Man riecht Moder statt beerige Aromen und feine Röstanklänge. Peinlich. Hätten Sie den Wein schon zu Hause gecheckt, wären Sie jetzt auf der sicheren ­Seite. Aus eigener Erfahrung darf ich an­fügen: Wenn man nur kleine Mengen aus der Flasche entnimmt, dann reift der Wein locker für die nächsten fünf Jahre so weiter, dass Sie keinen Unterschied zu einer Originalflasche finden werden.

Der Korken-Schreck

Wenn Sie öfter ältere Weine oder solche aus Burgunderflaschen öffnen, dann wissen Sie, dass dies mit herkömmlichen Korkenziehern schwierig ist. Alte Korken zerbröseln, Burgunderkorken reißen auch mit dem besten Screwpull ab. Wir haben vieles ausprobiert, am Ende hat uns aber ein Spezialkorkenzieher überzeugt. Er ist zwar nicht billig, aber sein Geld unbedingt wert. Unter dem Na-men »The Durand« verbindet er auf geniale Weise die Wirkung eines klassischen Spiralkorkenziehers mit hohler Seele und dem Prinzip eines Lamellenkorkenziehers. Für junge Weine braucht man dieses Spezialgerät natürlich nicht, aber wenn es ans Ein­gemachte geht, dann will man nie wieder etwas anderes als den Durand. So, nun wird es aber Zeit, sich an die Arbeit zu machen, im Keller wartet nämlich auch manch liebsame Überraschung. Denn man findet immer einen edlen Tropfen, den man eigentlich längst ausgetrunken glaubte. Es sei denn, man hat brav und lückenlos sein Kellerbuch geführt …


»Kühl, feucht und dunkel«

Die wichtigsten Regeln für einen perfekten Weinkeller:

  • Stehend oder liegend? Alle Weine, die mit einem Naturkork verschlossen sind, werden liegend gelagert, um das Austrocknen des Korkens zu verhindern. Sind Flaschen mit Vinolok-Glasverschlüssen oder Schraubern versehen, kann man sie auch problemlos stehend lagern.
     
  • Die ideale Temperatur: Je kälter der Wein aufbewahrt wird, umso langsamer entwickelt er sich. Hitze ist der Feind einer optimalen Rei­fung, Profis lagern ihre Weine bei 12 ­bis 13 Grad, das mögliche Temperatur­fenster liegt zwischen 7 und 18 Grad, alles darüber oder darunter sollte man meiden. Wichtig ist, so wenig Tempera­turschwankungen wie möglich zu haben.
     
  • Wein liebt es dunkel: Dauerbelichtung tut keinem Wein gut, besonders Schaumwein verliert bereits nach 14 Tagen im Tageslicht an Frische – die UV-Strahlen des Sonnenlichts führen zu einem vorschnellen Reifungsprozess.
     
  • Die ideale luftfeuchtigkeit: Zu viel Feuchtigkeit im Keller unterstützt unerwünschte Schimmelbildung, der Zustand der Etiketten leidet. Zu trockene Luft lässt die Naturkorken austrocknen und unter Umständen undicht werden. Heute geht man von einem idealen Bereich von 50 bis 80 Prozent aus.
     
  • Neutrale Umgebung: Vermeiden Sie es, anderes im Weinkeller zu lagern, denn alle Arten von Gerüchen werden durch die Korken von Weinen über kurz oder lang »eingeatmet«. ­Ge­müse, Winterreifen oder Lackdosen haben im Weinkeller nichts verloren!
     
  • Stoßfrei lagern: Die Erfahrung hat gezeigt, dass man­che Weine sehr schlecht auf ständige Erschütterungen reagieren. Wenn also unter Ihrem Haus die U-Bahn durch­braust oder eine Eisenbahntrasse direkt daneben liegt, sollten Sie für Ihre edlen Tropfen lieber eine andere Lagermög­lichkeit finden.

Erschienen in
Falstaff Nr. 03/2020

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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