Zeit der Ernte

In den heimischen Weingärten herrscht jetzt regelrechter Hochbetrieb. Ende August hat bereits die Weinlese der Frühsorten begonnen, bis zum Oktober, und mancherorts weit darüber hinaus, werden nun die vollreifen Trauben geerntet und in die Keller gebracht.

Jetzt sind die Keller bereit, um das sich alljährlich wiederholende Wunder der Weinwerdung zu vollbringen. Nach allen Regeln der Winzerkunst werden nun die Früchte zu Most und allmählich in Wein verwandelt. Diese Metamorphose, bei der mittels der Hefen und des in den Früchten vorhandenen natürlichen Zuckers kohlensaures Gas und alkoholischer Wein entstehen, ist so alt wie die zivilisierte Welt, vielleicht sogar ein wenig älter. 

Nun blicken die Winzer einmal öfter Richtung Himmel, um die Entwicklung des Wetters einschätzen zu können. Feuchtes, kühles Wetter birgt Gefahren, das Auftreten von Fäulnis könnte den schon sicher geglaubten Erfolg zunichtemachen. Ein Indian Summer, der »Altweibersommer«, wird herbeigesehnt. Trocken, sonnig und windig, so ­lieben es die Weingärten im September und Oktober, denn dann können die Trauben perfekt ausreifen und durch große Temperatur­unterschiede zwischen Tag und Nacht eine besonders gute Aromatik entwickeln.

Die Süßweinwinzer haben ihre Weingärten bereits in kilometerlange Netze verpackt, ­damit die Starenschwärme den verlockenden honigsüßen Beeren nichts anhaben können. Lostag für den September ist der Ägiditag, der Erste des Monats, denn so wie das Wetter zu Ägidius ist, so bleibt es den ganzen Monat. Auch der 8. September verdient Beachtung: Wie zu Maria Geburt das Wetter ist, bleibt es gleich acht Wochen. Auch egal, heißt es doch: »Zu Theres (15. Oktober) und Galles (hl. Gallus, 16. Oktober) lest alles.« Man darf gespannt sein, was der Jahrgang 2010 den Winzern und schließlich auch den Weinfreunden an angenehmen Überraschungen zu bieten haben wird.

von Peter Moser

Aus Falstaff 06/10