Die Harlan-Family: Sohn Will, Ehefrau Deborah, Gründer H. William »Bill« Harlan und Tochter Amanda.

Die Harlan-Family: Sohn Will, Ehefrau Deborah, Gründer H. William »Bill« Harlan und Tochter Amanda.
© Harlan Estate

World Champions: Harlan Estate

In den 1980er-Jahren reifte Bill Harlans Entschluss, im Napa Valley einen Rotwein zu erzeugen, der es mit den besten Grands Crus aus Frankreich aufnehmen kann. Längst hat er seine Vision in die Tat umgesetzt.

In den 1970er-Jahren gehörte Bill Harlan zu den Gründern von Pacific Union, einem Immobilienunternehmen mit Sitz in San Francisco, das Milliardenumsätze machte. Nach dem Verkauf eines Großteils seines Anteils an GMAC verfügte er daher über ein kleines Vermögen.

Seinen ersten Besuch im Napa Valley unternahm Bill Harlan als Jugendlicher im Jahr 1958. »Ich hatte gehört, dass man dort gratis Wein probieren darf, ohne dass jemand den Ausweis kontrolliert. Damals habe ich mir schon gedacht, hier ein Stück Land für ein Weingut zu kaufen, eine Familie zu gründen, Wein zu machen, das wäre eine tolle Sache.« Später freundete sich Harlan mit Robert Mondavi an, der so manchen guten Tipp für ihn parat hatte. Harlan: »Als ich 1979 mein erstes Grundstück im Napa Valley gekauft hatte, riet er mir davon ab, es dort mit Weinbau zu versuchen. Er schlug eine Art gemeinsames Forum für die Napa Vintners Association und eine alljährliche Charity-Auktion wie im Hospice de Beaune im Burgund vor.« 1981 ging die Auktion in Meadowood dann tatsächlich über die Bühne. 

Aus Meadowood wurde später ein »Relais & Châteaux«-Resort mit Kaliforniens zweitem 3-Sterne-Restaurant im Guide Michelin. Noch heute ist es ein Fixpunkt für jeden Besucher im Napa Valley. Hier wohnt und speist die Elite in luxuriösem Ambiente oder man spielt eine Runde auf dem vielleicht schönsten Croquet-Platz der Welt.

Das legendäre Meadowood Resort fungiert als kulinarisches Hauptquartier für alle Fans der grossen Napa-Valley-Weine.
© Harlan Estate
Das legendäre Meadowood Resort fungiert als kulinarisches Hauptquartier für alle Fans der grossen Napa-Valley-Weine.

Vision Premier Grand Cru

Man schrieb das Jahr 1984, als der heute 79 Jahre alte H. William »Bill« Harlan mit dem Kauf eines unberührten Stücks Land auf den westlichen Hügeln der Mayacamas-Berge bei Oakville im zentralen Napa Valley den Grundstein für Harlan Estate legte. Insgesamt erwarb er 97 Hektar. 17 davon sollten das ideale Terroir für einen echten kalifornischen Premier Grand Cru sein. Die Terrassen mit den Reben wurden dem Wald abgerungen und folgen dem natürlichen Verlauf des Geländes in eleganten Kurven. Immer wieder eröffnen sich neue Ausblicke hinunter ins Tal oder nordwärts bis zum Mount St. Helena. Die Böden sind karg und meist vulkanischen Ursprungs, im Weingarten dominiert die Rebsorte Cabernet Sauvignon mit 70 Prozent, dazu gesellen sich 20 Prozent Merlot, 8 Prozent Cabernet Franc und 2 Prozent Petit Verdot. 

In den Jahren ab 1987 gab es die ersten Versuchsvinifikationen, die lediglich dazu dienten, herauszufinden, welche Sorten wo auf diesem absolut jungfräulichen Terroir die besten Ergebnisse bieten. Der erste kommerzielle Jahrgang war 1990, der schließlich im Jahr 1996 auf den Markt kam. Und allen, die damals die Gelegenheit hatten, die ersten Weine zu verkosten, war schnell klar: Hier entsteht Großes. Ein Raunen ging durch die Expertenrunde, in der sich kein Geringerer befand als der weltweit wichtigste Weinkritiker seiner Zeit. Robert Parker Jr. schrieb bereits 1998 über den Harlan Estate Proprietary Red: »Eigentümer Bill Harlan, sein Kellermeister Bob Levy und der französische Berater Michel Rolland erzeugen den einzigen wirklich sehr profunden Wein in ganz Kalifornien. Er besitzt alle Element für
Größe – Individualität, Kraft, verbunden mit Eleganz, außerordentliche Komplexität, bemerkenswertes Reifepotenzial und eine ansprechende Dichte ohne jede Schwerfälligkeit.« 

Eng bepflanzte Berglagen mit Terrassen, die dem Geländeverlauf exakt folgen, sind typisch für Harlan Estate. Von den 17 Hektar sind 70 Prozent mit Cabernet Sauvignon bestockt, der Rest mit 20 Prozent Merlot, 8 Prozent Cabernet Franc und 2 Prozent Petit Verdot.
© Harlan Estate
Eng bepflanzte Berglagen mit Terrassen, die dem Geländeverlauf exakt folgen, sind typisch für Harlan Estate. Von den 17 Hektar sind 70 Prozent mit Cabernet Sauvignon bestockt, der Rest mit 20 Prozent Merlot, 8 Prozent Cabernet Franc und 2 Prozent Petit Verdot.

Das war der offizielle Ritterschlag, und von nun an stieg die Nachfrage explosionsartig an. Die Warteliste wurde immer länger. Denn die erzeugte Menge bei Harlan liegt im Durchschnitt bei international vergleichsweise bescheidenen 1800 Kisten. Erst seit dem Jahrgang 1995 gibt es auch einen richtigen Zweitwein nach Bordelaiser Vorbild, der meist den Cabernet Franc und die Erzeugnisse aus jungen Reben auffängt. Im Jahr 1999 war das Weingut wie viele andere im Napa Valley von einer Reblaus-Epidemie betroffen, die Bill Harlan dazu zwang, die Reben aus einer zweiten Welle Anfang der 90er-Jahre nochmals auf wirklich reblausresistente Unterlagen umzupflanzen. Der Qualität des Grand Vin tat dies zu keinem Zeitpunkt einen Abbruch, zu rigoros war die Herangehensweise. Das Einzige, was in diesen Jahren litt, war die Menge, die man anbieten konnte. Umso umkämpfter war jede einzelne Flasche dieses großen Rotweins.

Harlan Estate kommt heute als ein fast reinsortiger Cabernet Sauvignon, gewürzt mit einer Nuance von Merlot und Petit Verdot, in Ausnahmejahren auch etwas Cabernet Franc, auf die Flasche. Zu den größten Jahrgängen des Proprietary Red zählen 1991, 1994, 1995, 1997, 2001, 2002, 2005, 2007, 2010, 2012 und natürlich 2013.  Bereits sieben Mal hat »The Wine Advocate« die Traumnote von 100 Punkten verliehen, sechsmal davon der große Bob Parker höchstpersönlich; auch seine Nachfolgerin Lisa Perrotti-Brown scheint den Wein zu mögen, sie hat den von Parker noch mit 96 Punkten beurteilten 2014er bereits auf 98 Punkte aufgewertet, 2015 mit 100 und den Jahrgang 2016 mit potenziellen 100 Punkten bedacht. 

Dass solche Einschätzungen auch mit einer anhaltenden Preissteigerung verbunden sind, versteht sich von selbst. Die jüngsten Jahrgänge liegen bereits im vierstelligen Bereich. Millesima berechnet aktuell für den 100-Punkte-Wein aus 2015 einen Preis von 1400 Euro pro Bouteille, Unger für den tollen 1997er (100 PP) einen Preis von 1249 Euro. Der Zweitwein The Maiden 2015 kostet vergleichsweise günstige 480 Euro, auch reifere Jahrgänge ohne Höchstbewertungen wie 2011 (91 PP, ungerweine.de; € 714,–) oder 2006 (96 PP, Millesima; € 840,–) sind preiswerter zu haben. 

Promontory, das jüngste Weingutprojekt der Familie, wird von Bills Sohn Will Harlan geführt.
© Harlan Estate
Promontory, das jüngste Weingutprojekt der Familie, wird von Bills Sohn Will Harlan geführt.

Und es folgt der zweite Streich

Bereits im Jahr 1997 wurde die Bond Winery in Oakville gegründet, die nun von Scott Gould geleitet wird. Für Weingärten und Keller sind die gleichen Personen wie bei Harlan Estate am Werk. Hier entstehen fünf exzellente Cabernets Sauvignons aus ausgesuchten Hanglagen im Napa Valley, die einen perfekten Ausdruck des jeweiligen Terroirs vermitteln. Die Namen der Grands Crus sind Melbury, Quella, Vecina, St. Eden und Pluribus, der Zweitwein trägt den Namen Matriarch. Dem breiteren Angebot von Bond ist auch der Umstand zu verdanken, dass dieses Harlan-Projekt noch mehr 100-Punkte-Weine erzeugt hat als Harlan selbst. Im aktuellen Zwischenstand hat Bond mit acht glatten 100-Punktern und drei potenziellen 100-Punkte-Weinen die Nase vorn, die interne Rangliste führt Vecina vor St. Eden und Pluribus an.

Der «Tank Room» auf Harlan Estate, wo auch österreichische Fässer von Stockinger im Einsatz sind.
© Harlan Estate
Der «Tank Room» auf Harlan Estate, wo auch österreichische Fässer von Stockinger im Einsatz sind.

Operation next generation

Das jüngste Weinprojekt, das aktuell dritte im Bunde, hört auf den Namen Promontory und liegt etwas südlich von Harlan am Berg hinter den bekannten Weingütern Dominus und Blankiet. Wieder wurde hier ein unberührtes Waldstück erworben, auf dem nun auf den westlich exponierten Hängen direkt zwischen die Baumgruppen kleine Rebparzellen eingewoben wurden, die heute weniger als fünf Prozent der Gesamtfläche bedecken. Die Premiere des Promontory Estate war der Jahrgang 2009, der Jahrgang 2013 wurde bereits zur Gänze in Stückfässern ausgebaut, erzeugt von der österreichischen Edelküferei Stockinger. Die Produktion dieses Weins liegt aktuell bei 2000 Kisten, soll aber in Zukunft auf 4000 angehoben werden. Die Leitung des Projekts unterliegt der zweiten Generation der Familie, der junge Will Harlan wird dabei von Harlan-Weinbau-Direktor Cory Empting unterstützt. 

Der Wein von Promontory wird übrigens im Gegensatz zu Harlan und Bond über den Platz Bordeaux verkauft. Und so ist dieser Wein bei mehreren Anbietern im deutschsprachigen Raum verfügbar, der mit 99 Parker-Punkten ausgezeichnete Wein kostet etwa 650 Euro. Allerdings wird auch hier ein Preisanstieg unvermeidbar sein, nachdem Lisa Perrotti-Brown zuletzt den 2016er mit 97–100 Punkten würdigte. 

Unter dem Namen The Mascot vertreibt Will Harlan seit dem Jahrgang 2008 einen saftigen Cabernet Sauvignon, der aus den jüngeren Reben von Harlan Estate, Bond und Promontory, gewonnen wird. »Dieser Wein begann als Projekt mit dem Ziel,  einen Wein zu schaffen, den ich mit meinen Freunden gemeinsam genießen kann«, sagt Will Harlan. Und in den letzten zehn Jahren sind die Freunde immer mehr geworden, der Preis des Weins liegt mittlerweile im Handel bei etwa 130 US-Dollar. 

Genau genommen gibt es noch ein weiteres Weinprojekt. Doch dieses ist nur dem exklusiven privaten Club von etwa 600 Members vorbehalten, der seit dem Jahr 2000 am Gelände des Meadowood Resort seinen Sitz hat. Die Mitglieder von »The Napa Valley Reserve« haben ursprünglich kolportierte 165.000 US-Dollar hingelegt, um neben einer Vielzahl von anderen Privilegien den vom Harlan-Team erzeugten Rotwein The Napa Valley Reserve genießen zu dürfen. Dieser Wein reifte nicht in großen Kelleranlagen, sondern direkt in der eigenen kleinen Club-Weinkellerei. Dort wurde er auch abgefüllt. 


Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2019

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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