WineExperts: Das Wesen des Weins ist Vielfalt

Experten wie Fred Loimer diskutierten darüber, was Wein zum Mehrkönner macht.

Wenn der Seminarkabarettist Professor Bernhard Ludwig an einer Weindiskussion teilnimmt – Thema: Wie viel Zusatznutzen braucht der Wein? – ist der Blick über den Flaschenrand garantiert. Schon in seinem Buch »Anleitung zum Lustvoll Leben« berichtete er über »potenten« Rotwein, der gut fürs Herz ist und obendrein noch verjüngend wirkt.

Außerdem waren bei der fünften Ausgabe von WineExperts – des vierteljährlich stattfindenden Weindiskussionsforums von Wein & Co – auch noch die drei Vorzeigewinzer in Sachen biodynamischer Weinbau dabei: Stefan Hajszan vom Wiener Weingut Hajszan Neumann, der Langenloiser Fred Loimer sowie Franz Strohmeier aus der Weststeiermark. Komplettiert wurde die Runde von der Journalistin und Weinakademikerin Luzia Schrampf sowie dem Gastgeber Oliver Sartena, Mitglied der Geschäftsleitung von Wein & Co mit dabei. Die Moderation übernahm Monika Kriwan, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei Wein & Co.

Megatrend Bio
Welche Trends sind neben der »Gesundheit« beim Wein noch zu beobachten? Und ist es vielleicht sogar ein Trend für sich, dass Wein mehr können muss, als einfach nur gut zu schmecken? »Der Konsument ist sicher kritischer und bewusster geworden«, spricht Oliver Sartena für den Weinhandel: »Kunden suchen Weine, die ihnen guttun. Sie kaufen vielleicht weniger ein, dafür aber Weine besserer Qualität. Es werden vermehrt Fragen nach dem Schwefelgehalt, nach Histamin oder natürlich auch nach biologisch hergestellten Weinen gestellt.«

Der Biotrend ist für Schrampf schon mehr »eine Generalströmung, die sich auch dank bekannter Vertreter festgesetzt hat.« Außerdem weiß sie um den Effekt auf die Qualität: »Der Biowein ist oft der bessere und bekömmlichere Wein und eine gute Möglichkeit, sich in Österreich hochklassig positionieren zu können.«

Eine WineExperts-Diskussion über Bio, Orange-Wines, Anti-Aging und sonstige »Zusatznutzen« von Wein / Foto: © Wein & Co
Eine WineExperts-Diskussion über Bio, Orange-Wines, Anti-Aging und sonstige »Zusatznutzen« von Wein / Foto: © Wein & Co

Warum Winzer auf biologischen bzw. biodynamischen Weinbau umsteigen, hat durchaus unterschiedliche Beweggründe. Für Stefan Hajszan war ein persönliches Schlüsselerlebnis ausschlaggebend: »Ich hatte ein Spritzmittel, das mir als natürlich angepriesen wurde, und dann war es plötzlich verboten. Da habe ich zu lesen begonnen, und nach einem Spritzmittel-Vortrag von einem BOKU-Professor wurde mir klar, wie giftig das Zeug ist. Da gibt es Pestizide, wenn du die kombinierst, hinterlässt du schwarze Erde.« Auch der Wunsch nach Qualitätssteigerung – »wir haben ja keinen Heiligenschein, und reich wird dabei auch niemand« – war für ihn ein Impuls.

Franz Strohmeier hat als einer der Ersten radikal umgestellt: »In den 90er-Jahren haben wir aufgrund der Feuchtigkeit extrem mit chemischen Mitteln gekämpft. Ich hatte drei Tage Kopfschmerzen, nachdem gespritzt wurde. Irgendwann wollte ich dem Ganzen dann nur noch seinen Lauf lassen.«  Von einem Tag zum anderen wurden Rebstöcke nicht mehr geschnitten und nicht mehr gespritzt – mit Erfolg: »Wir sind ein Weinbaugebiet, in dem Rebstöcke Tausende von Jahren ohne Mittel überlebt haben, warum sollte das heute nicht mehr möglich sein?«

Bauer statt Traktorfahrer mit Spritzplan
Für Fred Loimer stand weniger die Gesundheitsproblematik im Vordergrund als der Wunsch nach Qualitätsmaximierung. Außerdem hätten viele Spritzmittel gar nicht die gewünschte Wirkung gezeigt: »Der Wendepunkt kam für mich mit dem Peronospora-Jahr 2005 (Anmerkung: Pilzbefall von Rebe und Blatt), wo wir alles gespritzt haben, aber das Zeug nichts geholfen hat. Ich hatte irgendwann auch keine Lust mehr, Traktorfahrer mit Spritzplan zu sein. Das war vom Bauer weit entfernt.« Er bedauert allerdings, dass man hierzulande mit biodynamischem Weinen noch international hinterherhinkt: »Wohl auch, weil sich in Restaurants Bio zwar in der Küche, aber noch nicht beim Wein durchgesetzt hat.«

Dabei würden auch volkswirtschaftliche Aspekte dafür sprechen. Für Hajszan sind beispielsweise viele durch Hochwasser verursachte Schäden auf Überdüngung zurückzuführen, »weil kein Humus mehr da ist«, und Loimer verweist gar auf höhere Lohnnebenkosten: »Wenn ich heute doppelt so viele Arbeitskräfte einstelle, damit die Laubwandgestaltung lockerer wird, hat auch die Gesellschaft etwas davon. Für Herbizide zahlst du 20 Prozent Mehrwertsteuer, für Mitarbeiter 110 Prozent Lohnnebenkosten.«

Orange-Fan Fred Loimer: »Orange-Wines sind phantastische Speisenbegleiter!« / Foto: © Wein & CoHype um Orange Wines
Als erfreulichen Subtrend von Bio etablieren sich die »Orange Wines« – wie Rotweine hergestellte Weißweine –, die meist absolut naturbelassen länger auf der Maische vergoren werden und daher eine dunkelgelbe bis orange Färbung aufweisen. Luzia Schrampf dazu: »Ich hab mich immer gefragt, ob die wohl wieder verschwinden, aber dann hat mir ein Kollege erzählt, dass sie sich in London bereits in Top-Lokalen etabliert haben.« Sie selbst habe die besten Erfahrungen mit Orange Wines als Speisenbegleiter gemacht.

Fasziniert von Orange Wines zeigt sich vor allem Franz Strohmeier, der mit seinem Orange-Vertreter »Wein der Stille« schon viele überzeugen konnte: »Es ist die Vielfalt, das Aha-Erlebnis, das mich fasziniert. Die Frage ist auch, wie man den Wein konsumiert, man muss ihm Zeit lassen, oft verändert er sich schon nach einer Stunde. Es ist eine völlig neue Sichtweise, spannend ist nicht nur der Geschmack, sondern auch die Entwicklung.«

Vielfalt ist gefragt
Vielfalt war überhaupt das Wort, das sich durch die ganze Diskussion zog – in Bezug auf den Wein, wie auch Orange-Winzerkollege Loimer formuliert: »Naturwein ist Vielfältigkeit, Ausdruck von Regionalität und Lebensfreude«, oder in Bezug auf Kundenwünsche – so Oliver Sartena: »Genau darum schenkt Wein & Co Nischenprodukten wie Orange Wines so große Beachtung«. Luzia Schrampf bringt es schließlich auf den Punkt: »Für alle diese Trends gilt: Egal wie man als Weintrinker dazu steht, sie zeugen vom Wunsch, Wein weiterzuentwickeln und nicht stehenzubleiben.«

www.weinco.at


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Marion Topitschnig
Autor