Wiesnwirte mit Tradition: Cousins Christian (l.) und Michael F. Schottenhamel.

Wiesnwirte mit Tradition: Cousins Christian (l.) und Michael F. Schottenhamel.
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Wiesnwirt Christian Schottenhamel: »Die Vorfreude ist riesengroß!«

Erstmals nach zwei Jahren Pause steigt in diesem Jahr wieder das Oktoberfest. Wiesnwirt Christian Schottenhamel im Gespräch über die Herausforderungen der Corona-Zeit, Kritiker und Neuerungen im Zelt.

Die Festhalle Schottenhamel gibt es seit 1867 und ist das älteste Festzelt auf dem Münchner Oktoberfest. Die Wirtsfamilie Schottenhamel pflegt Traditionen: Seit über 50 Jahren spielen hier bereits Otto Schwarzfischer und seine Musikanten, und die weiblichen Bedienungen tragen klassische Servierschürzen und passende Häubchen anstatt Dirndl. Außerdem wird in der Festhalle eine der wichtigsten Amtshandlungen Münchens ausgeübt: Punkt 12 Uhr am ersten Wiesnsamstag sticht der Oberbürgermeister das erste Fass an und ruft den berühmten Satz »O'zapft is!«.

Christian Schottenhamel, seit 1988 Festwirt auf der Wiesn, wurde 2017 zum stellvertretenden Sprecher der Wiesnwirte gewählt. Zudem ist er der Präsident der Filser-Buam, einem Münchner Trachtenverein zur Pflege der bayerischen Tradition. Der 60-jährige Vollblut-Gastronom und Parade-Bayer betreibt neben dem Paulaner am Nockherberg, wo jährlich das »Derbleckn« der bayerischen Politiker zelebriert wird, drei weitere Gaststätten in und um München und zwei kleine Boutique-Hotels in der Münchner Innenstadt.

Falstaff: Zwei Jahre Zwangspause. Pfarrer Rainer Maria Schießler, der lange als Kellner in Ihrem Zelt gearbeitet hat, stellte eben sein Buch »Wiesnglück – eine Liebeserklärung« vor. Was verbinden Sie mit dem Begriff »Wiesnglück?«
Christian Schottenhamel: Es sind viele kleine Dinge, die mein persönliches Wiesnglück ausmachen: Das »Ozapf’t is!« des Oberbürgermeisters, ein gemeinsamer Wiesnbummel mit meinem Sohn und meiner Frau Johanna und das letzte Lied »Bergwerk« nach einer hoffentlich erfolgreichen und friedlichen Wiesn bei gedämpftem Licht und im Schein der Sternwerfer – all das sind persönliche Highlights für mich.

Wie haben Sie und die anderen Wirte die lange Durststrecke überbrückt?
Jeder Wiesnwirt ist auch Gastronom in einem ortsansässigen Betrieb. Wie alle Gastronomen mussten auch wir Wege finden, um mit den durch Corona entstandenen Herausforderungen und den Folgen zurechtzukommen und den Betrieb wieder aufnehmen und optimieren.

Vorfreude oder Nervosität? Wie ist die Stimmung bei den Wirten der großen und kleinen Zelte?
Mittlerweile ist die Vorfreude riesengroß. So kurz vor dem Start haben wir den Point of No Return erreicht und blicken alle positiv nach vorne.

Es gibt ja auch Kritiker: »Die feiern und wir müssen im Winter frieren.« Wie empfinden Sie persönlich die Stimmung der Münchner?
Wir merken, dass sich die Menschen wahnsinnig auf das Fest freuen und sich nach Ausgelassenheit sehnen. Wir Wiesnwirte sind außerdem schon lange mit den Themen Energieeinsparung und Umweltschutz befasst, und es sind für uns Selbstverständlichkeiten, mit Ressourcen so schonend wie möglich umzugehen.

Musste sich das Oktoberfest in diesem Jahr – auch wegen der immer noch nicht überwundenen Pandemie – neu erfinden?
Die Stadt München hat grünes Licht für die Umsetzung der Wiesn gegeben, der Oberbürgermeister kommt persönlich zum Anzapfen, und wir sehen dem kommenden Oktoberfest bedenkenlos entgegen. Die Zelte sind gut durchlüftet und es gibt Pläne, sollten seitens des Personals Erkrankungen eintreten.

Personalmangel in der Gastronomie. Wie schwierig war es, ausreichend Personal für das Zelt zu bekommen?
Wir konnten unsere Teams vollständig besetzen, worüber wir uns sehr freuen. Das Oktoberfest ist nach wie vor ein attraktiver Arbeitsplatz. Natürlich gab es einige Neubesetzungen – aber so etwas tritt in jedem Unternehmen ein.

Im Jahr 2019 kamen 6,3 Millionen Besucher auf das Oktoberfest, der Rekord liegt bei 7 Millionen. Mit welchen Zahlen rechnen die Wiesnwirte 2022?
Mit etwa den gleichen Besucherzahlen wie sonst. Eventuell werden es um ein paar Vorsichtige weniger sein, dafür aber um ein paar jüngere Gäste mehr.

Wird es in diesem Jahr mehr lokale und weniger internationale Gäste geben? 
Die Besucherzahlen in München sind nach wie vor nicht auf dem Niveau von vor Corona. Wir rechnen vor allem mit Einheimischen und Gästen aus dem deutschsprachigen Raum, beziehungsweise aus dem benachbarten europäischen Ausland. Aber durch den günstigen Eurokurs ist ein Wiesnbesuch auch für Amerikaner durchaus attraktiv. Gäste aus Asien, aber vor allem aus Russland, werden wir in diesem Jahr auf dem Oktoberfest eher nicht sehen.

Was gibt es Neues in Ihrem Zelt?
In der Anstichboxe sind jetzt alle Schlegel seit 1980 ausgestellt, mit denen der jeweilige Oberbürgermeister angezapft hat. Die Schlegel stammen aus dem Nachlass des ehemaligen Wiesn-Stadtrats Hermann Memmel. Und ergänzend zur Kapelle Otto Schwarzfischer spielt in diesem Jahr erstmals an allen Tagen ab 20:30 Uhr die Band Südherz – ein Ableger der Kapelle Schwarzfischer – und gibt so richtig Gas.

Corinna von Bassewitz
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