Wiener Wirtshaus Wunder

Um die klassischen Wirtshäuser Wiens, auch Beisln genannt, werden die Wiener in der ganzen Welt beneidet. Zu Recht, denn die Beislszene ist so »pumperlgsund« und lebendig wie eh und je.

Die Italiener haben ihre Trattoria, die Deutschen ihre Kneipe und die Franzosen ihr Bistro. Und die Wiener haben ihr Beisl. Damit sind wir schon bei der ersten Besonderheit dieser gastronomischen Gattung. Sie steht in engem Zusammenhang mit einer Stadt – und nicht mit einem Land. Das Beisl gehört zu Wien, auch wenn das Internetlexikon Wikipedia unter einem Beisl ein »österreichisches Wirtshaus oder Gasthaus« versteht. Aber wer von einem Beisl spricht, wird in Dornbirn ebenso auf Unverständnis stoßen wie im Südburgenland.

Gemütlichkeit und kulinarische Genüsse
Doch was ist nun ein typisches Wiener Beisl? Was verbirgt sich hinter diesem Begriff, der bei vielen klischeehafte Assoziationen wie dunkle Wirtsstuben, deftige Hausmannskost und Kellner mit sprödem Charme hervorruft? Schwierig ist eine eindeutige Definition auch deshalb, weil sich diese gastronomische Gattung im Laufe der Zeit stark gewandelt hat. Waren es früher zumeist Lokale von ­simpler Art, so sind inzwischen sogenannte »Nobelbeisln« hinzugekommen, Beisln, in ­denen oft namhafte Köche am Herd stehen und eine verwöhnte Klientel an Feinschmeckern versorgen. Man nehme das Beispiel Plachutta, ­eine Familie, der es auf bewundernswerte Weise gelungen ist, zahllose Elemente der typischen Wiener Wirtshausküche in den Rang einer gehobenen Systemgastronomie zu hieven. Und das mit großem Erfolg: »Würde man alle Markknochen, die bei uns in einem Jahr verspeist werden, übereinanderlegen, dann würde dieser Turm um 1100 Meter höher sein als der Mount Everest«, lässt sich ­Mario Plachutta diesen Vergleich auf der Zunge zergehen.

Nobelbeisln vs. Urbeisln
Um ein wenig Orientierung im un­übersichtlich gewordenen Dschungel der Wiener Beislszene zu schaffen, ist eine Einordnung notwendig – soweit das möglich ist. Beginnen wir mit ­jenen Beisln, in denen das Essen die Hauptrolle spielt und die sich damit einen Namen gemacht haben. Sie fallen automatisch in die Kategorie der Nobelbeisln. Da wäre einmal der »Grünauer« zu nennen, der in diesem Genre eine Pionierrolle innehatte und schon Mitte der 1980er-Jahre als echtes Ausnahme-Beisl gefeiert wurde. Einen ähnlichen Kultstatus besitzt auch »Rudi’s Beisl« in der Wiedner Hauptstraße. Siebeck, der über die Wiener Beisln ein eigenes Buch geschrieben hat, nannte es das beste Beisl überhaupt.

Schwenken wir nun aber zu den »Urbeisln« mit der dazupassenden Einrichtung. Es sind jene, von denen es oft heißt, sie seien vor allem in optischer Hinsicht »stimmig«, was immer man darunter verstehen mag. Dabei beschränken wir uns aber auf eine kleine Auswahl, die man auch der Küche wegen durchaus auf­suchen kann. Etwa die »3 Hacken« im ersten Bezirk. Dieses Beisl gibt es schon seit ewigen Zeiten, und es hat sich selbst durch eine sanfte Runderneuerung nicht wesentlich verändert. Die »3 Hacken« sind der Inbegriff eines Wiener Beisls. Optisch von astreiner Machart ist aber vor allem das »Ubl« im – wie es in Wien heißt – vierten Hieb. Auch dieses Beisl hat mehr als hundert Jahre auf dem Buckel, der Begriff »zeitlos« ist hier zum Lokal geworden.

Die Beislszene blüht nach wie vor
Gute Wiener Beisln und Gasthäuser wären gewiss noch einige zu nennen. Etwa das ebenfalls in Hernals neu übernommene »Weinhaus Arlt«, eines der ältesten Gasthäuser ­Wiens. Oder der legendäre »Renner« in Döbling, den man nur nach einer mehrwöchigen Hungerkur aufsuchen sollte, denn die Portionen dort sind monströs. In der Innenstadt sind es wiederum Traditionsburgen wie der »Pfudl«, der »Reinthaler«, das vor einigen Jahren neu übernommene »Ofenloch« oder der eigenwillige »Gustl Bauer«, in dem der vor drei Jahren verstorbene Helmut Zilk schon 1967 einen Stammtisch besaß. Und schließlich wären da noch die ganz urigen, wie das »Hansy« im zweiten Bezirk, das »Zur eisernen Zeit« am Naschmarkt oder jenes Beisl im vierten Bezirk, das seit 1908 besteht und bei dessen Namen jede Art von Originalität ausgespart wurde. Es heißt einfach »Das Wirtshaus«.

Den vollständigen Artikel mit noch mehr Wiener Lebensart und Beisln aller Kategorien lesen Sie im Falstaff 06/11.

Tipps: Die besten Beisln in Wien

Text: Herbert Hacker
aus Falstaff 06/11

Herbert Hacker
Herbert Hacker
Autor
Mehr zum Thema