Wiener Wein Wunder

Sechs jungen Wienern, die sich zur »WienWein«-Gruppe verschworen haben, gelang die Renaissance der Wiener Weinkultur. Jetzt wehren sich die Winzer gegen Spekulanten, die Reb­flächen umwidmen wollen.

Auf den Bergen um Wien wird schon jahrtausendelang Wein angebaut, und dennoch ist es noch gar nicht so lange her, da konnte man in den Restaurants der Stadt kaum Wiener Wein bekommen. Die besten Winzer der österreichischen Hauptstadt belieferten zwar schon Spitzenrestaurants in Weltmetropolen, aber in der eigenen Stadt war die Nachfrage nach Wiener Qualitätswein ähnlich stark wie nach deutschen Kreszenzen – also kaum vorhanden. Winzer Fritz Wieninger erinnert sich: »In den Neunzigerjahren habe ich vom Grünen Veltliner Herrenholz mehr in
New York verkauft als in Wien.« Das Image des Wiener Weins war im Keller – abgesehen von wenigen Ausnahmen handelte es sich um gefällige Massenware, die sich vor allem für »G’spritzte«, also zur Verdünnung mit Sodawasser, eignete.

Wieninger war einer von wenigen Wiener Winzern, die bei Vergleichsverkostungen mit favorisierten Weinen aus bekannteren Gebieten wie der Wachau oder dem Kamptal mithalten konnten. Michael Edlmoser, Richard Zahel und Rainer Christ zählten auch zu dieser raren Spezies und ärgerten sich ebenso über die geringe Nachfrage vor der eigenen Haustür. So verabredete sich das Quartett zu einem Treffen im Restaurant »Steirereck«, und obwohl sich davor gar nicht alle persönlich kannten, war man sich schon vor der Vorspeise einig, dass man etwas gegen das ramponierte Image des Wiener Weins unternehmen müsse. Es war zu Beginn des Jahres 2006, als die ­WienWein-Gruppe von den vier engagierten Winzern gegründet wurde.

Blieck von der begehrten Lage Nussberg auf die Donaumetropole/ Foto: ÖWM, Gerhard Elze

Neues Selbstbewusstsein
Nur fünf Jahre später haben die Bemühun­gen der Gruppe sichtbar Früchte getragen: Jedes Wiener Restaurant, das etwas auf sich hält, hat mehrere Wiener Labels auf der Weinkarte. Auch bei Hobby-Weintrinkern ist die Nach­frage um ein Zigfaches gestiegen. Der Ruf des Wiener Weins hat sich radikal verbessert, und die Namen der Winzer sind wie die der besten Lagen wohlbekannt. Die Renaissance des ­Wiener Weins geht zu einem großen Teil auf das Konto der Gründungsmitglieder von ­WienWein. »Wir haben uns auf Anhieb blendend verstanden, wir sind eine absolut eingeschworene Truppe ohne Wenn und Aber!«, schwärmt Fritz Wieninger. »Die Wiener sind stolz auf ihren Wein und sehen ihn nicht mehr als Touris­tengag und Mitbringsel. Wiener Wein wird mit Selbstverständlichkeit bestellt, und man bekommt ihn auch!« Im Jahr 2010 stießen zwei große und traditionsreiche Weingüter zur Gruppe: das Weingut Cobenzl unter der Leitung von Thomas Podsednik und das Weingut Mayer am Pfarrplatz, angeführt von Gerhard Lobner. WienWein hat sich stets als offene Gruppierung verstanden, und es war mit Quereinsteiger Stefan Hajszan auch schon ein siebtes Mitglied im Gespräch.

Fritz Wieninger ist die treibende Kraft der WienWein-Gruppe / Foto: beigestellt

Einst ein hässliches Entlein ...
Wein gehört zu Wien wie der Stephansdom und das Riesenrad, die Donaumetropole verfügt über die größte innerstädtische Rebfläche der Welt. Traditionen werden besonders bei den »Heurigen«, den typischen rustikalen Weinlokalen mit deftigem Speisenangebot und weinseliger Schrammelmusik, hochgehalten. Der dort mit Vorliebe ausgeschenkte »Gemischte Satz« ist eine Wiener Besonderheit, dessen dürftige Qualität lange zum schlechten Ruf des dortigen Weins beigetragen hat.

Es ist unbestritten das Verdienst der WienWein-Winzer, dass der im Mischsatz erzeugte Wein nun populärer ist denn je. »Wir haben aus einem hässlichen Entlein einen Wein gemacht, auf den die Wiener so richtig stolz sind!«, bringt es Fritz Wieninger auf den Punkt. Anders als bei einer Cuvée, bei der die Weine reinsortig vergoren und meist kurz vor der Füllung verschnitten werden, findet hier die Vermählung schon in der Natur statt. Die Trauben werden gemeinsam gelesen und vergoren. Wie früher treten daher die Charakte­ristika der Sorten in den Hintergrund und die Vorzüge des jeweiligen Terroirs in den Vordergrund. Den Weinfreunden der Großelterngeneration war es nie wichtig, welche Rebsorten ins Glas kamen, entscheidend war immer die Lage.

Richard Zahel gehört zu den Gründern der WienWein-Gruppe / Foto: beigestelltForbestand sichern
Die Wiener Weingärten liegen zum Großteil an malerischen Hängen und bieten nicht selten einen herrlichen Ausblick über die Stadt. Kein Wunder, dass derartig schöne Grundstücke auch Begehrlichkeiten von anderen Freunden guter Lagen und schöner Aussicht wecken. Mit großer Sorge wird das Treiben von Spekulanten beob­achtet, die Weingärten aufkaufen, brach liegen lassen und auf Umwidmungen hoffen. Die Preise werden dadurch so stark in die Höhe getrieben, dass Winzer oft nicht mehr mithalten können. Der Quadratmeterpreis liegt um das bis zu Zehnfache höher als in anderen Weinbaugebieten. »Den Leuten, die glauben, sie machen aus unseren Weingärten Golfplätze, denen werden wir’s zeigen«, fasst Fritz Wieninger die neueste Initiative von WienWein zusammen und übt mit öffentlichkeitswirksam vorgebrachten Forderungen Druck auf die ­Politik aus. Im Kern geht es darum, dass die in der Weinbauflur als Weinberge eingetragenen Flächen auch verpflichtend mit Reben bepflanzt werden müssen. Wer sich dem widersetzt und entsprechende Grundstücke als Ziergarten oder Spielwiese nutzt, der soll eine massive »Liebhaberei-Abgabe« entrichten, die zweckgebunden dem Weinbau zugutekommen soll. Die Wiener Stadtpolitik ist den Winzern traditionell gewogen, und die Umsetzung der Forderungen ist keineswegs unrealistisch.

Das Weingut Christ ­ spiegelt den modernen Ansatz der Gruppe wider / Foto: beigestellt

INFO
Wiener Wein im Überblick: Im Wiener Stadtgebiet betreiben etwa 230 Weinhauer auf fast 700 Hektar Weinbau. 86 Prozent der Rebfläche entfallen auf den 19. und den 21. Bezirk. Von Stammersdorf, Strebersdorf und Jedlersdorf im Norden der Stadt über die Donau nach Nussdorf, Heiligenstadt, Grinzing, Sievering und Neustift am Walde, Dornbach und Ottakring bis ins südliche Mauer und Oberlaa erstreckt sich die Weinregion Wien. Das ist die weltweit größte innerstädtische Rebfläche überhaupt. Mit einem Anteil von 80 Prozent nehmen die Weißweine einen Großteil der Rebfläche der Weinregion Wien ein.

Text von Bernhard Degen
Aus Falstaff Nr. 4/2011

Bernhard Degen
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