Die Wiener nennen den Heurigen ihr »Wohnzimmer im Grünen«. Hier wird der Wein zu kalten und warmen Schmankerl kredenzt.

Die Wiener nennen den Heurigen ihr »Wohnzimmer im Grünen«. Hier wird der Wein zu kalten und warmen Schmankerl kredenzt.
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Wiener Wein-Wunder

Wien ist nicht nur die Bundeshauptstadt Österreichs, sondern auch ein richtiges Weinbaugebiet, ausgestattet mit einer bedeutsamen Geschichte, die weit über die Größe der Anbaufläche hinausreicht.

Der Weinbau war für die Entwicklung Wiens über Jahrhunderte von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung und hat das Leben in der Stadt stets beeinflusst. Kaum zu glauben, aber in den frühen Tagen gab es in so gut wie jedem Bezirk Rebstöcke, sogar innerhalb der Stadtmauern im ersten Bezirk, wo sich am Schwarzenbergplatz heute der letzte Mini-Weingarten befindet. Die Weine aus dem »Gebirge« rund um die Donaumetropole galten bis zum Ende der Monarchie als die besten und gesuchtesten Kreszenzen des Landes, ein Nussberger fehlte auf keiner gepflegten Weinkarte.

Pop-Up Heurige in den Weingärten

Im 20. Jahrhundert war das Bild des Wiener Weins lange Zeit von einem Heurigenimage geprägt, in dem Scharen von weinselig zu Zithermusik schunkelnden Touristen dem G’spritzten zusprachen. Doch das Bild hat sich dramatisch gewandelt. Die Winzer haben längst erkannt, dass nicht Massenware, sondern nur höchste Weinqualität den Weg in die Zukunft ebnet, die Heurigenszene ist geschrumpft, und auch hier werden neue Wege wie Pop-up-Heurige mitten in den Weingärten beschritten, um ein jüngeres, urbanes Publikum zurückzugewinnen. Wegbereiter sind hier die führenden Weinproduzenten, die sich durch hartnäckige Arbeit ihren Platz unter den besten Erzeugern Österreichs zurückerobert haben und mit ihren Spezialitäten wie dem Herkunftswein Wiener Gemischter Satz DAC auch international von sich reden machen.

Innerhalb der Stadtgrenzen

In nicht weniger als zwölf Weinbauorten wird heute innerhalb der Wiener Stadtgrenzen auf 637 Hektar die Rebe kultiviert. Drei davon liegen links der Donau im Norden der Stadt: Stammersdorf, Strebersdorf und Jedlersdorf. Am Bisamberg und seinen sanften, nach Süden und Südosten orientierten Abhängen stehen die Reben auf warmen, lehmig-sandigen Böden, die sich für stoffige Weißweine ebenso bestens eignen wie für komplexe Rotweine. Hier trifft der Besucher auf ländliche, dörfliche Idylle, höchste Weinqualität kann hier bei unverfälschter Heurigenatmosphäre genossen werden.

Buschenschanken in den Kellergassen

Neben typischen Heurigenlokalen gibt es auch kleine Buschenschanken in den Kellergassen, im Sommer sitzt der Gast mitten in den Weingärten. Erzeugt werden Wiener Gemischter Satz, Grüner Veltliner, Riesling und die weißen Burgundersorten, bei den Roten dominiert der Zweigelt, dazu gesellen sich Pinot Noir und internationale Größen wie Cabernet Sauvignon und Merlot. Der bekannteste Stammersdorfer Winzer ist Fritz Wieninger, aber auch H. P. Göbel, das Haus Schmidt oder Leopold und Gerhard Klager haben einen guten Namen, wie auch Strauch, Schilling und Norbert Walter in Strebersdorf. In Jedlersdorf ist Rainer Christ höchst erfolgreich, gute Weine kommen auch von Peter Bernreiter, K+K Fuchs oder Richard und Karl Lentner.

Gemischter Satz

Rechts der Donau liegen das Kahlenbergerdorf und Heiligenstadt, gegen Westen reihen sich in einem schwungvollen Bogen Richtung Süden Nussdorf, Grinzing, Sievering und Neustift. Auf diesen letzten Ausläufern der Kalkalpen wachsen tolle Rieslinge und Grüne Veltliner, es gedeihen stoffige Weißburgunder, hier stehen die Weingärten für den Wiener Gemischten Satz, aber auch aromatische Rebsorten wie Gelber Muskateller oder Sauvignon Blanc sowie die eine oder andere Rarität von Neuburger bis Pinot Noir wird gekeltert. Im Kahlenbergerdorf besitzt traditionell das Stift Klosterneuburg bedeutende Weinbauflächen, die Familie Wailand betreibt hier einen Heurigen mit genialer Aussicht.

Bioweingut mit Sternekoch

In Nussdorf und Heiligenstadt sind noch Gässchen und Ensembles erhalten, die den Besucher in die guten alten Zeiten zurückversetzen können, hier laden berühmte Heurige wie der »Sirbu«, der »Kierlinger« in Nussdorf sowie der »Mayer am Pfarrplatz« inklusive Rotes Haus oder der »Feuerwehr-Wagner« in Heiligenstadt zum Verweilen ein. Im Bioweingut Hajszan Neumann hat Dreisternekoch Juan Amador Einzug gehalten und sorgt für kulinarische Highlights. In Grinzing, dem Synonym für Wiener Heurigenkultur, sind einige ausgezeichnete Winzer zu Hause: der Biowinzer Martin Obermann, das Bioweingut Lenikus, Bioweinbau Berger, das Weingut Hengl-Haselbrunner, Weingut Müller, Hans Maly, Peter Uhler und das große Weingut Wien Cobenzl.

Bioweingut mit Sternekoch

In Neustift mit seinen tollen Weinlagen in den Rieden Mitterbergen und Neubergen zwischen dem romantischen Salmannsdorf und dem Hackenberg gelegen, wächst eine beeindruckende Sortenvielfalt, die man bei Weingütern und Heurigen wie dem »Fuhrgassl-Huber«, beim »Kattinger«, dem »Weinhof Zimmermann« oder »Heurigen Wolff« kennenlernen kann, in Sievering laden das Weingut Kroiss und die »Buschenschank Haslinger« zum Besuch ein. In Dornbach und Ottakring sind die Reben von der wachsenden Stadt längst fast völlig verschluckt worden. Der letzte große geschlossene Weingarten dort, die Ried Alsegg, erstreckt sich von der Alszeile bis zum gleichnamigen Höhenzug hinauf. Wenige Weinbau- und Heurigenbetriebe sind geblieben, wie die »Buschenschank Stift St. Peter« in Dornbach oder der Weinbau der Familien Herrmann und Leitner in Ottakring.

Internationales Format

Im Südosten und Süden befinden sich die Ortschaften Mauer und Oberlaa. Auf überwiegend lehmigen Böden genießen die Reben hier bereits ein fast südliches Klima. Hier reifen saftige, fruchtbetonte Weißweine, aber auch gehaltvolle Rotweine von internationalem Format. Namen wie Edlmoser, Hofer, Beranek, Steinklammer, Wiltschko oder Zahel garantieren hier hohen Trinkgenuss. Die Heurigen in Mauer präsentieren sich rustikal, gemütlich und ohne Touristenkitsch, jene in Oberlaa wie Frauneder-Stutz, Manhardt, Franz bzw. Stefan Wieselthaler gelten selbst unter Einheimischen als Geheimtipp. Gewiss ist in jedem Fall, dass die Qualität des Gebotenen nie höher war als heute. Und dank des Engagements der führenden Erzeuger, die sich zur Gruppe WienWein zusammengefunden haben, sind die besten Weine Wiens auch immer öfter auf den besten Weinkarten der Welt anzutreffen.

Erschienen in
Jägerball Spezial 2020

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