Wie viel Marketing braucht der Wein?

Diese Frage wurde im Rahmen von »WineExperts«, einer neuen Veranstaltungsreihe von Wein & Co, diskutiert.

Wein, Wein, nur du allein? Oder ist es vielmehr gewieftes Marketing, das aus Winzern Topwinzer macht? Bei der Auftaktveranstaltung von »WineExperts« - einem neuen Diskussionsformat von Wein & Co - gingen Weinexperten und eine Marktforschungs-Koryphäe der Frage nach, wie viel Marketing der Wein braucht. Dabei ging es um »Hillingerismus«, Klassifizierungswahn oder auch um klassische Musik. Fest steht: Wein ist (und braucht) eine never ending Story.

»Schlechter Wein, gutes Marketing, schneller Tod«
»100 Prozent Wein und 20 Prozent Marketing«, lautet die Antwort von Peter Moser, Falstaff-Chefredakteur und unumstritten führender heimischer Weinjournalist, auf die Frage, welchen prozentuellen Anteil wohl der Wein und welchen das Marketing am Erfolg der heimischen Winzerelite haben. Zumindest mit der Meinung in punkto Wein steht er nicht alleine da. »Schlechter Wein, gutes Marketing, schneller Tod«, bringt es der Promiwinzer und Vermarktungskünstler Leo Hillinger auf den Punkt. Zahlreichen Neidern und marketingfeindlichen (oft selbsternannten) Weinexperten konnte er ohnedies in den letzten Jahren den Wind aus den Segeln nehmen: »Da glaubten einige, dass man mit so viel Marketing keinen guten Wein machen kann. Drum habe ich den Qualitätsnachweis oft über Blindverkostungen erbracht.«

Die Weinqualität ist ein »Hygienefaktor«, stimmt der Wein nicht, ist auch das Marketing zum Scheitern verurteilt, zumindest über den Ersteinkauf hinaus. Darüber waren sich vergangenen Dienstag im Flagshipstore von Wein & Co übrigens alle anwesenden Experten - auch Willi Klinger, Leiter der ÖWM (Österreich Wein Marketing GmbH), Roswitha Hasslinger, langjährige Geschäftsführerin des Gallup Institutes und ganz aktuell Gründerin von Hasslinger Consulting, sowie Gastgeber Oliver Sartena, Geschäftsführungsmitglied von Wein & Co, einig. Hier unterscheide man sich allerdings von anderen, leichter austauschbaren Konsumgütern, betonte Roswitha Hasslinger: »Es gibt auch Branchen, in denen sie mit schlechten Produkten, aber einem Topmarketing über mangelnde Qualität hinwegtäuschen können.«

Wein ist nicht Coca Cola
Wein sei allerdings auch kein homogenes Produkt - die Komplexität des Produktes mache ja gerade seinen Reiz aus, so Willi Klinger: »Ich bin gegen die Coca-Colaisierung beim Wein, der Wein braucht eine Story, eine extreme Geschichte, keine simple Message. Durch die Vielfalt wachsen die Leute erst richtig ins Thema hinein, dann passiert Leidenschaft. Wein ist Kultur, es ist vergleichbar mit klassischer Musik, das Ende ist nach oben hin offen.« Gerade Letzteres sei freilich auch ertragstechnisch relevant.

Für Oliver Sartena lautet die Kernaussage, beim Kunden Vertrauen schaffen zu müssen, denn die Zeiten der Bevormundung seien vorbei. Bei Wein spiele letztlich auch der Vertriebskanal eine zentrale Rolle, vor allem wenn Beratung, Verkostung, aber auch der Erlebnisfaktor ins Spiel kämen. Peter Moser bezog sich dann auf die Rolle von Bewertungen im Marketing-Portfolio: »Winzer, die nur darauf setzen, bei Verkostungen Punkte zu sammeln, schießen sich selbst ab. Dazu ist die Konkurrenz einfach zu groß. Allerdings sind Prämierungen ein guter Anfang, um sich in den Medien einmal einen Namen zu machen.« Oder lassen sich Punkterichter gar von einem vorhandenen Namen oder der Verpackung beeinflussen? Um dies ganz auszuschließen, gebe es nur die Blindverkostung, so Moser. Rund 50 Prozent aller Verkostungen erfolgten verdeckt.

Erster Eindruck zählt - auch beim Wein
Für die Marktfoschungs-Expertin Roswitha Hasslinger ist die Verpackung, sprich das Etikett, der wichtigste Faktor für den ersten Eindruck: »Auch wenn Konsumenten bei Umfragen oft angeben, dass die Verpackung keine so große Rolle spielt, so beeinflusst sie doch den spontanen Eindruck enorm. Sie sendet Signale in Richtung Qualität und Geschmack - bis hin zur Erwartungshaltung, ob ein Wein eher süß oder eher trocken schmeckt.« Leo Hillinger, der mit seinem Label schon internationale Preise einheimsen konnte, geht noch einen Schritt weiter: »Man muss hier eine Linie durchziehen, es geht vor allem um Wiedererkennung. Der Kunde muss schon aus zehn Metern Entfernung sehen können, dass es die Marke im Regal gibt.«

Vom Rebsortenmarketing zum »Hillingerismus«
Welche Rolle spielt die Winzervermarktung im Bereich des Weinmarketing? Leo Hillinger macht keinen Hehl daraus, dass er dadurch groß geworden ist: »Am Anfang hatte ich keine Weingärten, keine Kunden, aber haufenweise Schulden. Ich habe alles gemacht, um meine Marke stark zu machen, habe kein Event ausgelassen und war überall präsent. Wein braucht eine Story und die Story war ich«. Willi Klinger, der in diesem Zusammenhang auch von »Hillingerismus« spricht, sieht diese Entwicklung durchaus positiv: »Leo hat hier mutig ein Tabu gebrochen, Öffentlichkeitsauftritte von Winzern werden heute mehr akzeptiert. Es braucht so krasse Geschichten wie den Leo.« Peter Moser sieht darin vor allem die Chance, vermehrt jüngere Leute für Qualitätswein zu gewinnen: »Wein & Co hat diese Dynamisierung eingeleitet - Jüngeren die Tore geöffnet. Ein Hillinger passt hier perfekt hinein.« Sartena bestätigt diesen Trend: »Rund zwei Drittel der Wein & Co Kunden sind zwischen 25 und 45 Jahre alt. Eine Marke mit Kopf ist bei Jüngeren leichter zu positionieren als Weine, hinter denen keine Persönlichkeiten stehen.«

Zumal die Person des Winzers heute in ganz anderem Licht stehe als früher: »Heute spricht niemand mehr vom Weinbauer. Winzer werden als Künstler gesehen, mit denen man sich gerne umgibt.« Auch die Marktforscherin Hasslinger sieht im Persönlichkeitsmarketing Vorteile: »Früher waren die Marken einzelne Sorten oder Rieden, heute ist es der Winzer selbst. Man kennt  ihn vielleicht aus den Medien und  hat emotional einen besseren Zugang als zu einem ›anonymen‹ Hersteller.« Ist Rebsortenmarketing passé? »Jedenfalls austauschbarer«, so Klinger, sehr wohl unterstützend sei aber Dachmarketing, um Strukturen hineinzubringen. Bedenklich ist für Peter Moser, wenn Themen künstlich produziert werden, nur um in die Medien zu kommen - Auswüchse gebe es vor allem bei den Klassifizierungen - wie unlängst Erste Lage-Diskussionen zeigten. Für Oliver Sartena geht der »Klassifizierungswahn« jedenfalls am Kunden vorbei: »Wein ist ein Genussmittel mit einem emotionalen Produktnutzen. Diese technischen Dinge interessieren ohnehin niemanden.«

Experten am Wort
WineExperts - die WEIN & CO Diskussionsreihe rund um Wein - findet vier mal jährlich in den Eventräumlichkeiten des Wein & Co Flagshipstores in der Mariahilfer Straße statt. Weinexperten, Journalisten und Wissenschaftler diskutieren dabei Weinthemen über rein fachliche Grenzen hinweg - mit dem Ziel, eine breite Öffentlichkeit für das Thema Wein in Österreich zu interessieren.

www.weinco.at

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Marion Topitschnig
Autor
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