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Weißwein-Match: Salwey schlägt Château Lynch-Bages

Drei Kellerfunde aus 2009 und 2010: Weißburgunder schlägt weißen Bordeaux.

Vor Weihnachten schrieb mir ein Leser, Herr F. aus M., er besitze einen »etwas unaufgeräumten« Weinkeller, und dort habe er neulich zwei Kisten Weißburgunder vom Weingut Salwey gefunden, Jahrgang 2009, und gleich daneben eine Kiste Blanc de Lynch Bages, Jahrgang 2010. Da er gerade in Falstaff gelesen habe, dass Konrad Salwey mit seinen 2017er Weinen bei der Grauburgunder Trophy erfolgreich gewesen sei, wolle er mir mitteilen, dass die beiden 2009er Weißburgunder noch von hervorragender Qualität seien, wohingegen der weiße Bordeaux gekippt sei und nur noch nach Petrol rieche.

Nun kann man diesen Leser, einen Mediziner aus Deutschlands Mitte, natürlich nur dazu beglückwünschen, dass ihn wahre Lebensweisheit dazu gebracht hat, im Keller Unordnung zu halten. Wie anders kämen solche Überraschungsfunde zustande? Die 2009er waren – wir erinnern uns, der Sommer war warm – schon in ihrer Jugend so charmant und zugänglich, dass die beiden Kartons wohl kaum zwei, drei Jahre alt geworden wären, wären sie nicht nach und nach durch weitere Einkäufe dem Blick und dem Gedächtnis des weinkundigen Arztes entrückt worden.

Weiter schrieb mir Herr F.: »Vielleicht haben Sie Interesse an dieser Geschichte und wollen in Ihren Weinnotizen einmal darüber berichten. Ich könnte Ihnen je eine Flasche zum Verkosten schicken. Dann können Sie sich selbst ein Bild machen.« Man sieht: Menschen mit Stil und Verstand sind überzufällig oft auch großzügig. Selbstverständlich habe ich das Angebot angenommen.

Verkostungssieger: Kirchberg Weisser Burgunder GG

Und hier nun das Ergebnis der Verkostung: »Gekippt« finde ich ein hartes Urteil über den weißen Lynch Bages. Im Vergleich der drei Weine belegt er allerdings recht deutlich den Bronzeplatz. Schon die intensiv goldene Farbe zeigt stark fortgeschrittene Reife an, im Duft mischt sich ein Hauch Liebstöckel in die nachgerade zu Penetranz entfalteten Sauvignon-Aromen. Die von mir probierte Flasche ließ noch Holunderblüte erkennen, die von Herrn F. angesprochene Petrolnote kann ich nachvollziehen, würde sie persönlich aber tolerieren. Am Gaumen gefiel mir der Schmelz des weißen Lynch Bages eigentlich ganz gut. Der Wein hält für mein Empfinden schon noch zusammen, allerdings bei einer nicht unbedingt sehr kultivierten Säure. Und er endet leider recht schnell.

Platz zwei geht in meinem persönlichen Ranking an Salweys Henkenberg GG: in der Farbe hell wie ein zwei oder drei Jahre alter Wein, im Duft mit feinen floralen Sortenaromen – offen, aber noch frisch. Der Gaumen zeigt sich rund und dezent, ganz aufgeräumt und harmonisch.

Der für mein Empfinden beste der drei Weine, das Kirchberg GG, vereinigt Reife und Frische auf eine sehr eigene Weise: In der Farbe leicht golden (nicht so dunkel wie der weiße Bordeaux, aber auch nicht so hell wie sein nur ein paar hundert Meter entfernt gewachsener Bruder), geht der Duft stark ins Kräuterwürzige. Im Mund spannt der Wein einen ganz großen Bogen von Öligkeit und grossem Volumen zu einem mineralischen Kern, der noch immer voller Energie steckt.

Lagerfähigkeit deutscher Weine

Was lernt man aus der Übung? Erstens. Wir unterschätzen die Lagerfähigkeit deutscher Weine! Zweitens. Das gilt nicht nur für den Riesling. Und drittens, es geht auch deutlich weniger ins Geld, deutsche Weine hinsichtlich ihres Reifevermögens auf die Probe zu stellen, als dasselbe mit weißem Bordeaux zu tun. Salweys GGs kosten im jeweils aktuellen Jahrgang 32,- und 39,- Euro. Schnäppchen sind sie zwar auch nicht. Doch ihr Preis liegt immer noch deutlich unter demjenigen eines aktuellen Jahrgangs Blanc de Lynch Bages, der zwischen 50 und 60 Euro gehandelt wird.

Verkostungsnotiz

2009 Henkenberg Weisser Burgunder GG, Salwey
Verkostung 1/2021. Stammt aus dem Henkenberg-Gewann Steingrubenberg. Ausbau ein dreiviertel Jahr im großen Holzfass. Blasses zitrusgelb mit hellgoldenen Reflexen. Im Duft buttrig, floral, etwas Früglingswiese und Wiesenkräuter. Noch ganz auf Seiten des Sortentyps und nicht einmal in Anklängen tertiär. Mit Luftkontakt rotbeerig. Im Mund mit Schmelz ansetzend, dann saftig und feinnervig, frisch und homogen im Gaumenverlauf, noch eine ganz leise Spur Phenolik, eher zurückhaltende mineralische Komponenten, integrierter Alkohol, mittlere bis mittelhohe Länge mit würzigen und nussigen Aromen.
92+ Falstaff Punkte

2009 Kirchberg Weisser Burgunder GG, Salwey
Verkostung 1/2021. Wurde vor dem Pressen bei Raumtemperatur mazeriert. Ausbau neun Monate im Barrique. Golden in der Farbe, reif im Duft, Wermut, Rosine, nicht wirklich oxidativ, aber in der Entwicklung fortgeschritten. Im Mund mit großem Volumen, ölig, intensiv taktil-mineralisch, hat trotz seiner Wucht und seiner Reife viel Spannung, festes Säuregerüst, ein dicker Brummer, den aber die Mineralität im Gleichgewicht hält. Cremiger Abklang. Ideal fürs food pairing.
94 Falstaff Punkte

2010 Blanc de Lynch Bages Bordeaux blanc
Verkostung 1/2021. Satt golden. Im Duft Apfelmus, Holunderblüte, etwas buttrig, sehr blumig, leicht kräuterwürzig, ein Hauch Liebstöckel, pfeffrig. Im Mund geschmeidig ansetzend, cremig, weit und weich, ganz rund und mollig, cremig, mittlere Dichte, etwas rustikal wirkende Säure, im Abgang zuletzt isoliert gerbsig, in der aromatischen Länge begrenzt, aber mit seiner konzentrierten süßen Abgangsfrucht trotzdem charmant und in sich stimmig.
90 Falstaff Punkte

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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