Weinland Brasilien: Samba am Gaumen

Das größte Land Südamerikas war bisher eher der Inbegriff von Fußball und Karneval. Nun schickt man sich an, auch in der Weinproduktion ein Wörtchen mitzureden.

Weiße Badestrände, der Karneval von Rio, die gewaltigen Regenwälder des Amazonas – das sind die Assoziationen mit Brasilien. Darüber ­hinaus gibt es in dem riesigen Land aber auch Regionen, die klimatisch ausgezeichnet für den Weinbau geeignet sind. Nahezu un­beachtet von der Weinöffentlichkeit hat Brasilien seine Rebflächen stetig und sehr systematisch entwickelt und erweitert. Eine der wichtigsten Regionen ist die Serra Gaúcha im Süden nahe der Hafenstadt Porto Alegre, nicht weit von den Grenzen zu Argentinien im Westen und Uruguay im Süden. Von 2001 bis 2006 stieg die Rebfläche von 66.000 auf 88.000 Hektar – und es werden immer neue Standorte erschlossen.

Der Weinbau boomt in diesem Schwellenland wie kaum anderswo. Ein Blick auf den Weinkonsum in Brasilien liefert dafür eine einleuchtende Erklärung: 2010 wurden ganze 100 Millionen Hektoliter getrunken, davon wurden nicht weniger als 75 Millionen importiert. Kein Wunder, dass Portugal, Spanien und Frankreich, aber auch die süd­amerikanischen Nachbarn Brasilien längst als dankbaren Importeur im Visier haben.

Doch das Bild wandelt sich langsam, denn die brasilianischen Weinbauern beginnen, den Spieß umzudrehen. Brasilien hat sich inzwischen mit einer durchschnittlichen Jahresproduktion von 3,2 Millionen Hektoliter als fünftgrößter Weinproduzent der südlichen Hemisphäre – ­hinter Argentinien (14,8 Mio. hl), Australien (10,3 Mio. hl), Südafrika (8,9 Mio. hl) und Chile (8,4 Mio. hl) – konsolidiert.

In den führenden Betrieben Brasiliens wird Handarbeit großgeschrieben / Foto: beigestellt

Die brasilianische ­Weinindustrie hat in den letzten Jahren viel investiert, um die Traubenproduktion und die Kellertechnik auf den neuesten Stand zu bringen. Laboratorien und Forschungsstationen wurden eingerichtet, um die Qualität von Trauben und Weinen weiter auszubauen. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Wein aus Brasilien gewinnt stetig an Anerkennung. Seit 1995 haben die Weine bei internationalen Weinwettbewerben nicht weniger als 1600 Auszeichnungen erhalten.

Die unbestritten beste Anbauregion Serra Gaúcha liegt auf dem 29. Breitengrad und ist mit rund 8000 Hektar Brasiliens bedeutendstes Weinbaugebiet. Hier dominieren kleine Familienweingüter, sie erzeugen etwa 90 Prozent des gesamten brasilianischen Qualitätsweins. Bei durchschnittlichen Temperaturen von zwölf Grad Celsius im Winter und 22 Grad Celsius im Sommer können sowohl Weiß- als auch Rotweine erzeugt werden. Die Subregion Vale dos Vinhedos gilt als die vielleicht beste Anbauzone des Landes und ist zugleich die erste, die eine offizielle Herkunftsbezeichnung trägt. Die Weine sind geprägt von frischen Aromen, guter Fruchttiefe und einer sehr guten Balance von Extraktsüße und Säurestruktur.

Die wichtigsten Rotweinsorten sind Merlot, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und etwas Tannat (der im nahen Uruguay eine erfolgreiche Renaissance gefeiert hat) sowie in den kühleren Ecken auch Pinot Noir. Bei den Weißweinen stehen Chardonnay, Sauvignon Blanc, etwas Riesling, aber auch Welschriesling, Moscato, Malvasia und Prosecco in den Weinbergen.

Casa Valduga ist die größte und eine der besten Weinkellereien Südamerikas. / Foto: beigestellt

Etwas wärmere Bedingungen finden die Winzer auf dem 31. Breitengrad entlang der brasilianischen Grenze in den Anbaugebieten Cam­panha und Serra do Sudeste vor, wo die Reben zwischen sanften Hügeln und in weiten Ebenen wachsen. In dieser jüngsten Anbauzone des Landes mit aktuell etwa 2400 Hektar liegen die sommerlichen Durchschnittswerte bei 24 Grad Celsius, lange Tage und kühle Nächte begüns­tigen die aromatische Ausformung der Trauben. Die Böden sind karg, doch auch ohne Bewässerung bringen sie Trauben mit hohen Zuckergraden, viel Polyphenol und kraftvoller Aromatik hervor – Cabernet Sauvignon, Merlot, Tannat und die Portugiesen Touriga Nacional, Tinta Roriz, Alfrocheiro und Arinarnoa. Bei den weißen Sorten dominieren Sauvignon Blanc, Chardonnay, Pinot Gris und Gewürztraminer.

Die Gebiete von São Joaquim und Vale Rio Peixe liegen für europäi­sche Verhältnisse sehr hoch, die Weingärten erstrecken sich zwischen 900 und 1400 Meter Seehöhe. Die Temperaturen sind entsprechend kühler, was längere Hängezeiten der Trauben und eine spätere Ernte bedeutet. Dort gedeihen vor allem feiner Cabernet Sauvignon, Merlot und Pinot Noir, dazu Sauvignon Blanc und Chardonnay.

Auf perfekt exponierten Nordhängen wie hier bei Casa Valduga reift bestes Traubengut heran. / Foto: beigestelltEine Besonderheit ist das Vale do São Francisco, dort liegt der größte tropische Weingarten der Welt. Nur dank künstlicher Bewässerung ist in den Ebenen bei extremer Trockenheit – durchschnittlich 20 Grad Celsius im Winter, 31 Grad Celsius im Sommer – Weinbau überhaupt möglich. Auf alkalinen Böden gibt es geringe Erträge, aber eine gute Qualität. Der Nachteil der kleinen Mengen wird von der Natur durch zwei ­Ernten jährlich mehr als ausgeglichen. Syrah, Aragonez und die weißen Sorten Chenin Blanc, Malvasia und Muskatsorten fühlen sich in der Hitze sichtlich wohl.

Heute erzeugen 1162 Weingüter aus neun Bundesstaaten Trauben, die meisten Familien betreiben kleine Betriebe mit rund zwei Hektar Weingärten und verkaufen ihre Ernte an größere Flaschenfüller. Die Weine aus Brasilien weisen einen moderaten Alkoholgehalt auf und gefallen durch Frische und gute Frucht. Wie bereits eingangs erwähnt, kommt die große Mehrheit der Premiumweine aus der Region Serra Gaúcha.

Das Falstaff-Magazin konnte dank der Unterstützung der Familie Dr. Fritzsche, einem Unternehmen (www.Wein-Brasilien.de), das sich auf den Import brasilianischer Qualitätsweine für den deutschsprachi­gen Raum spezialisiert hat, eine erste Übersichtsverkostung durchführen. Darunter waren Weine der bereits 1875 gegründeten Casa Valduga, eines der ersten Weingüter, die sich mit der Herstellung von Qualitätsweinen beschäftigten und ausgezeichnete Schaumweine erzeugten. Dank ­seiner exzellenten Qualitäten in diesem Segment ist Casa Valduga heute die größte Sektkellerei Lateinamerikas.

Zu den Verkostungsnotizen

Den vollständigen Artikel lesen Sie im aktuellen Falstaff Nr. 7/2011 - jetzt im Handel!

Text von Peter Moser