Der Zweiklang aus Lössterrassen und Vulkangestein bestimmt den Kaiserstuhl in Südbaden: Von hier kommt die deutsche »Kollektion des Jahres«.

Der Zweiklang aus Lössterrassen und Vulkangestein bestimmt den Kaiserstuhl in Südbaden: Von hier kommt die deutsche »Kollektion des Jahres«.
© sERLtock photo

Weinguide Deutschland 2019: Das Beste vom Nachbarn

Zum sechsten Mal erscheint der Falstaff Weinguide Deutschland. Vor allem Weißweine aus 2017 und Rotweine aus 2016 wurden verkostet. Für beide griff die Verkostungsjury zu höchsten Bewertungen.

Getrunken wurde im Hamburger Probenraum literweise – allerdings kein Wein, sondern Mineralwasser. 60 Verkostungstage und annähernd 3800 Weine verlangten volle Konzentration von den Mitgliedern der Falstaff-Jury – unter ihnen MW Anne Krebiehl aus London, die Spitzen-Sommeliers Stéphane Gass (»Schwarzwaldstube«, Baiersbronn) und Oliver Donnecker (»Heimat«, Frankfurt) sowie zwei Österreicher im norddeutschen Exil: Gerhard Retter (»Fischerklause«, Lütjensee, und »Cordo«, Berlin) und Michael Kutej (»Hanse-Lounge«, Hamburg).
Qualitativ, das wurde schon während der ersten Probentage klar, stand ein ausgesprochen attraktives Jahrgangspaar auf dem Probentisch: Die Weißweine aus dem Jahrgang 2017 wurden zwar fast überall in Deutschland von Spätfrost getroffen, doch die Ertragsreduzierung durch die Frostschäden hatte auch positive Folgen. Vor allem in den südlichen Anbaugebieten sowie in warmen (Steil-)Lagen addierten sich die Klimabedingungen zu Weinen mit einer ungewöhnlichen Kombination von Eigenschaften: Sie haben die Dichte eines kraftvollen Jahrgangs und die Frische und Leichtigkeit eines Jahrs, das die Eleganz betont. Zudem legten die markanten 2017er-Säuren eine ideale Basis für fruchtsüße Weine. Vor allem an der Mosel sind rassige Kabinettweine und packend-­mineralische Spätlesen entstanden.
Bei den Rotweinen stellten die Winzer überwiegend die Weine des Jahrgangs 2016 vor – und auch hier kann man ein höchst befriedigendes Fazit ziehen: Der Jahrgang brachte reifen Gerbstoff hervor und dazu eine ausgeprägte Frucht bei moderaten Alkoholgehalten. Auf den nachfolgenden Seiten finden Sie eine Würdigung der »Kollektion des Jahres«, für die heuer das Weingut Franz Keller in Oberbergen ausgezeichnet wird, sowie die Listen der höchstbewerteten Weine.

Kollektion des Jahres

Fünf Jahre ist es gerade einmal her, dass Fritz Keller von Falstaff mit der Wein Trophy 2013 für sein Lebenswerk geehrt wurde. Eine Auszeichnung für den Winzer und Gastronomen aus Oberbergen am Kaiserstuhl, die nach oben kaum noch Spielraum zu lassen schien. Lebenswerk, das klingt nach Höhepunkt und nach: Was soll jetzt noch kommen? Von wegen, heute wissen wir: Es sollte noch viel besser werden. Nachdem die Verkostungsjury die Rotweine aus 2016 und Weißweine aus 2017 verkostet hatte, die »Saft, Bündelung und mineralische Definition« zeigen, war sie sich einig darüber, dass es aus dem Hause Keller »vermutlich die beste Kollektion ist, die wir je probiert haben«.

»Fette Weine wird es bei uns nicht mehr geben. Ich will Frische und Eleganz.« Friedrich Keller, Juniorchef im Weingut

Die ist auch Ausdruck des Generationswechsels im Weingut Franz Keller. Denn als Dirigent hinter dieser famosen Leistung steht Friedrich Keller, Jahrgang 1990, der älteste Sohn von Fritz Keller. Als sein Vater 2013 den »Wein-Oscar« für sein Lebenswerk entgegennahm, bereitete sich Friedrich Keller bereits auf die Neuausrichtung des Weinguts vor – im Kopf schon viele Ideen, die er heute nach und nach um­setzt. Bevor der Juniorchef aber die Regie in Oberbergen übernahm, wollte er noch dazulernen und einen differenzierteren Blick auf die Materie bekommen: Er lernte bei Joachim Heger in Ihringen, schaute bei Daniel Gantenbein in Graubünden vorbei und immer wieder im Burgund, weil man, so sagt er, nirgendwo mehr über Pinot Noir und Chardonnay lernen könne; das sind die Rebsorten, die Friedrich Keller besonders am Herzen liegen. Oft war er dort gemeinsam mit seinem Winzerfreund Julian Huber aus Malterdingen unterwegs, der zeitgleich in Geisenheim Weinbau studierte –  ein starkes Duo, das inzwischen in Baden prägnante Akzente setzt.

Nachdem Friedrich Keller das Studium 2015 abgeschlossen hatte, begann er konsequent, aber ohne Aktionismus die Stilistik der Weine zu verändern. Plumpe, schwerfällige Weine waren schon Fritz Keller ein Gräuel, jetzt aber fallen die Adler-Gewächse noch straffer und sehniger aus, ohne an Dichte zu verlieren. Im Weinberg lässt Friedrich Keller noch früher lesen, alles Fette und Überkonzentrierte ist verpönt und wird vermieden. »Ich will frische und elegante Weine haben«, betont er. Kein einfaches Unterfangen am Kaiserstuhl, dieser Sonnenbank mit mediterranen Verhältnissen. Schwungvolle Weine aus warmen Lagen, das ist scheinbar ein Paradoxon, das Friedrich Keller aber bestens gelingt. Auch der Grauburgunder, der Symbolwein für Kaiserstühler Opulenz und Betulichkeit, darf bei ihm »nicht bräsig sein«. Schon im Weinberg wird durch aufwendiges Arbeiten das Wachstum gezügelt und auf dieses Weinideal hin ausgerichtet.
Diese Strategie verdeutlicht exemplarisch das Große Gewächs 2016 vom Spätburgunder aus dem Achkarrer Schlossberg, einem der wärmsten Weinberge in Deutschland. »Die Wärme der Lage zeigt sich im viskos-cremigen Fond, nicht aber in Alkohol«, lobt die Jury diesen großen Pinot Noir mit sublimer Maskulinität. Gerieten die Weine früher in warmen Jahren manchmal zu voluminös und zu breitschultrig, so bewahren sie jetzt Maß und Kontur. »Fette Weine wird es bei uns nicht mehr geben«, sagt Friedrich Keller kategorisch, burgundische Balance vor Augen. Ins Burgund wallfahren inzwischen viele deutsche Winzer, aber nur wenige kommen mit so viel Erkenntnisgewinn zurück, den sie auch noch so maßgerecht auf die heimischen Verhältnisse übertragen können wie Keller: Seine Weine wirken nie, als habe er ein erfolgreiches Rezept kopiert.
Die Kollektion des Jahres ist eine Auszeichnung, die gleichermaßen an Vater und Sohn geht. Denn Fritz Keller legte die Grundlagen für den aktuellen Erfolg: Er baute ein großartiges Lagen-Portfolio auf und war schon in den 1990er-Jahren regelmäßig in Frankreich unterwegs, um geeignetes Rebmaterial zu besorgen, das nicht auf Ertrag, sondern auf Qualität ausgerichtet ist. Seinem Vater, sagt Friedrich Keller, sei er dafür enorm dankbar. Vor allem gebührt Fritz Keller auch das Verdienst, seinem begabten Sohn die Freiräume zuzugestehen, die dieser nun eindrucksvoll nützt.
DIE BESTEN DER BESTEN – ALLE INFOS ZUM WEINGUIDE DEUTSCHLAND 2018


Wein Guide Deutschland 2019

Der Falstaff Wein Guide Deutschland 2019 enthält rund 3700 Weintipps von mehr als 480 Produzenten. Unterhaltsam geschriebene Texte leiten in jedes der 13 deutschen Anbaugebiete ein.
Der Falstaff Weinguide 2019 kostet € 19,90 und ist ab sofort am Kiosk, im gut sortierten Buchhandel sowie online unter www.falstaff.com/guides erhältlich.

Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2018

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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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