Weine aus dem Elsass - die sanfte Revolution

Eine dynamische Generation von Winzern produziert ­heute grandiose Weißweine, die längst zur Weltspitze gehören.

Es sind Kellereien wie Trimbach, Weinbach, Hugel oder Zind Humbrecht, die das Elsass als Weinregion berühmt gemacht haben. Eine Weinregion, die auf den ersten Blick für Tradition steht, an Innovationen und modernen Weinbau denkt man da weniger. Dieses Image ist allerdings falsch, denn ausgerechnet im Elsass ist heute die Dichte an jungen und innovativen Winzern überdurchschnittlich groß. Es sind Weinmacher, die das Potenzial ihrer Terroirs oft mit alternativen Methoden ausloten. Interessanterweise sind auch viele der Traditionsbetriebe auf diesen neuen Weg des biologischen oder biodynamischen Weinbaus eingeschwenkt. Das in Frankreich gebräuchliche Siegel »AB« – es steht für »agriculture biologique« – ist immer häufiger auf dem Rücketikett zu finden. Das Elsass präsentiert sich heute ungemein vielschichtig, neben den traditionellen Stilen findet man ein breites Spektrum bis hin zum Orange Wine und den Vins Naturels.

Bio wird groß geschrieben
Biologisch oder biodynamisch arbeitende Betriebe gibt es im Elsass mittlerweile zuhauf. Mehr als 250 Bio-Betriebe bewirtschaften ­bereits 13 Prozent der Rebfläche der Appellation (2011 waren 2062 Hektar Bio oder in Umstellung, 112.600 Hektoliter wurden erzeugt). Und obwohl die Bio-Produktion in Weingarten und Keller klar geregelt ist, haben sich die Elsässer in einer speziellen Charta namens »Vinabio« Spielregeln auferlegt, die an ihre Region adaptiert sind und über das EU-Weinrecht hinausgehen. Am 1. Mai jedes Jahres haben Weinfreunde die Möglichkeit, eine große Zahl von Bio-Weinen zu probieren, heuer fand das traditionelle »Rendezvous« zum zehnten Mal auf Château de Kientzheim in der Nähe von Kayserberg statt. Zu den rund 40 »Vinabio«-Winzern zählen so namhafte Betriebe wie Zind ­Humbrecht, Marcel Deiss oder Clément Klur. Auch einige Erzeuger von bemerkenswerten Vins Naturels sind am Werk, zu nennen sind hier Patrick Meyer von der Domaine Julien Meyer in Nothalten mit seinem Riesling Muenchberg Grand Cru, die Domaine Rietsch, Audrey und Christian Binner, Vincent Stoeffler oder Jean-Pierre und Chantal Frick.

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Es gibt viele Autoren, die die Anfänge des Weinbaus im Gebiet des heutigen Elsass in die Zeit der Römer legen, erste schriftliche Belege vom Vorhandensein der Rebflächen zwischen Thann und Marlenheim stammen aus dem 10. Jahrhundert. Wurde in jener Frühzeit in etwa 160 Ortschaften Weinanbau betrieben, ist um 1400 bereits von 430 Orten die Rede. In der Zeit um 1600 gewannen Elsässer Weine enorm an Bedeutung, und die Region hatte sich zu einer der wichtigsten Weinbauregionen Europas entwickelt. Der 1648 beendete Dreißigjährige Krieg hinterließ jedoch eine Spur der Verwüstung: Dörfer lagen in Trümmern, Weinberge waren verwüstet. Nur langsam wurde der Weinbau wieder aufgenommen, die Reben werden verstärkt auf Ebenen und weniger in Hang­lagen angelegt. 1871 wurde das Elsass von Deutschland annektiert, die Ernten in der Folge häufig zum Verschnitt mit deutschen Assemblage-Weinen herangezogen. Vom Auftreten der Reblaus und Rebkrankheiten wird die Elsässer Weinkultur schwer getroffen. 1918 ist das Elsass wieder französisch, 1925 fällt die Entscheidung, sich der Erzeugung von Qualitätswein anzunehmen. Die Rebflächen in der Ebene werden mehrheitlich aufgegeben, man besinnt sich auf die Vorzüge der Hanglagen. 1962 wird das Elsass Teil der AOC-Weinfamilie, 1975 wird die Lage Schloss­berg als erste Grand-Cru-Lage anerkannt – bis dato folgten weitere 50 Spitzenterroirs. Ab 1972 durften Elsässer Weine nur mehr direkt im Gebiet auf die Flaschen gefüllt werden. 1976 wird der Crémant d’Alsace AOC geboren, der eine sehr positive Entwicklung genommen hat. 2011 erfolgte die Anerkennung der Einzellagen »lieux-dits« und der Ortsappellationen »communales«. Geschützt durch den waldbedeckten Bergrücken der Vogesen hält sich der Niederschlag in Grenzen, die Winter sind meist hart, der Frühling ist trotz des für den Weinbau nördlichen Gebietes eher mild. Die Sommer sind meist trocken und warm, da lauern Unwetter mit Hagel. Anfang August dieses Jahres wurden Weingärten bei Colmar und Turckheim von tischtennisballgroßen Hagelkörnern getroffen, in Teilen des südlichen Elsass betragen die Ausfälle bis zu 60 Prozent der Ernte.

Erzeugt werden im Weinanbaugebiet überwiegend Weißweine – in vielen Fällen sortenrein / Foto: beigestellt

Facettenreiche Böden
Die Weingärten des Elsass ziehen sich in einer Linie entlang des unteren Teils der südlich orientierten Abhänge der Vogesen, die sich dem Rheinfluss zuneigen. Sie erstrecken sich über die Departements Bas-Rhin und dem Haut-Rhin, wo dank der klimatischen Bedingungen die besseren Weine und auch das Gros der wichtigen Betriebe anzutreffen sind. Die höher gelegenen, oft steilen Rieden besitzen eine dünne Mutterbodenschicht, die auf Sandstein, verwittertem Gneis, Granit oder Schiefer liegt, auch Lagen mit vulkanischem Ursprung. Weiter unten hat der Ur-Rhein eher sanfte Gefälle in die Hänge geschliffen, hier liegen unter tieferer Auflage Schichten von Kalkstein, Ton und Mergel und wieder Sandstein. Dieser rote Vogesen­sandstein, bekannt als »Grès des Vosges« , war bereits im Mittelalter ein geschätztes Baumaterial und prägt das Bild der Dörfer und Städte der Region. Auf tieferen Lagen und in der Ebene wachsen auf den Böden aus Mergel, Ton und alluvialen Sedimenten breitschultrige, eher massige Weine, während die Kalkböden finessenreiche Produkte ergeben. Die verschiedenen Schieferlagen kommen dem Riesling entgegen, sie verleihen ihm die spezielle petrolige Feuersteinnote. Die besten Reben wachsen in südlich orientierten Steillagen, wo sie die meiste Sonne bekommen.

Die besten Reben wachsen in südlichen Steillagen, wo sie die meiste Sonne erhalten / Foto: www.hugel.com

Sieben Hauptsorten
Für die Elsässer Winzer sind, bedingt durch das kühlere Klima, langsame Reifezyklen der Trauben die Regel. Die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht führen zur Entwicklung komplexer Aromen, Frische und Frucht bleiben erhalten, und man erntet strukturierte Weine mit reifer Säure. Da selbst innerhalb der Weinbaugemeinden die Bodenbeschaffenheit stark variieren kann, sind viele Parzellen relativ klein. Um optimal auf die Gegebenheiten des Terroirs eingehen zu können, stützt man sich auf sieben Hauptsorten. Die sechs wichtigsten sind Riesling, Sylvaner, Pinot Blanc, Pinot Gris, Muscat d’Alsace (oft ein Mix aus Muskat-Ottonel und Muscat Blanc) und Gewürztraminer, hinzu kommt Pinot Noir. Dazu gesellen sich kleine Mengen an Spezialitäten wie Chardonnay, Chasselas und Klevener de Heiligenstein, eine rötliche Savagnin-Mutation. Bis 2007 wurde Pinot Gris auch als Tokay d’Alsace bezeichnet. Rund drei Viertel der Produktion machen heute AOC-Weine aus, die in der Regel den Namen der Rebsorte tragen und aus abgegrenzten Parzellen in den traditionellen Kernanbauflächen stammen.

51 Grand Crus
Genügen die Weine höheren Anforderungen, kann die Angabe der Gemeinde als Ergänzung dazukommen. Das sind die AOC-Communale-Bezeichnungen, die elf Gemeinden führen dürfen: Blienschwiller, Côtes de Barr, Côte de Rouffach, Klevener de Heili­genstein, Ottrott, Rodern, Saint-Hippolyte, Scherwiller, Vallée Noble, Vla Saint-Grégoire und Wolxheim. Noch weiter gehend sind die Anforderungen an Einzellagen, im Elsass als »Lieux-dits« bezeichnet. Die Vorgaben für Rebsortenbestand, Pflanzdichte, Rebschnitt, Reberziehung, Reife der Beeren und Ertrag sind strenger als bei den AOC Communales. Die höchste Stufe der Herkunftsbezeichnungen nehmen die 51 Grands Crus ein. Die AOC Alsace Grands Crus gibt es seit 1975 und definiert diese abgegrenzten »Lieux-dits«. 2011 wurden diese 51 Einzellagen auch als eigenständige Appellationen anerkannt. Die Grands Crus nehmen etwa acht Prozent der Rebfläche ein und bringen rund vier Prozent des Elsässer Weinertrags. In diesen Flächen sind nur vier Rebsorten zugelassen: Riesling, Pinot Gris, Gewurztraminer und Muscat. Drei Ausnahmen gibt es: Altenberg de Bergheim, Zotzenberg und Kaefferkopf in Ammerschwihr, wo die Sortenzusammensetzung etwas anders ist. Wenn es in geeigneten Jahren im Herbst zur Ausbildung von Botrytis cinerea kommt, gesellen sich zum Sortiment vieler Winzer die Vendanges Tardives (Spätlesen) und manchmal die raren Trockenbeerenauslesen (Sélections de Grains Nobles), die von Süßweinkennern geschätzt werden.

Erstklassige Kellereien, wie zum Beispiel Hugel, haben das Elsass bis weit über die Grenzen der Region hinweg berühmt gemacht / Foto: www.hugel.com

Seit 1976 besteht das AOC Crémant d’Alsace, die Schaumweine nach traditioneller Champagner-Methode machen bereits ein Viertel der Produktion aus. Dafür sind die Burgundersorten, Riesling und Auxerrois zugelassen. Besonders attraktiv ist der Crémant d’Alsace wegen des guten Preis-Leis­tungsverhältnisses. Die Zahl der Produzenten wächst und liegt bereits über 500. Pinot Noir ist die einzige für AOC-Weine zugelassene Rotweinsorte, hier reicht die Bandbreite von Rosé über leichte, fruchtbetonte Weine bis hin zum lagerfähigen Stil.

Text von Peter Moser

Aus Falstaff 07/13 bzw. Falstaff Deutschland 06/13