Wein-Verkostungen gegen Koma-Saufen

Franzosen denken laut über unkonventionelle Maßnahmen gegen Alkoholmissbrauch von Jugendlichen nach.

Laut der jüngsten OECD-Untersuchung waren in Österreich 41 Prozent der Burschen und 36 Prozent der Mädchen mit 15 Jahren schon mindestens zweimal betrunken. Damit liegt Österreich im europäischen Spitzenfeld. In den meisten Fällen handelt es sich um keinen Damenspitz, sondern um besorgniserregende Alkoholisierungen, deren Zahl weiterhin steigt. Wie Gesundheitsminister Alois Stöger in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung erklärte, wurden im Jahr 2008 nicht weniger als 2577 Jugendliche mit Alkoholvergiftung in Spitäler eingeliefert, was verglichen mit 2006 eine Steigerung von 20 Prozent bedeutet. Komasaufen liegt offenbar weiterhin im Trend.

Vermittlung von Weinkultur
Die Lösungsansätze der heimischen Politik sind wenig kreativ und beinhalten vor allem Verbote und Bestrafungen. Einen ganz anderen Weg beschreiten hingegen französische Wissenschaftler, die sich mit ähnlichen Problemen wie in Österreich konfrontiert sehen: Mittels Weinverkostungen sollen Jugendlichen die Vorzüge maßvollen Alkoholkonsums vermittelt werden. Dieser Vorschlag kam von einer von der Regierung beauftragten Kommission, die Maßnahmen zur Reduzierung von Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen erarbeiten sollte. Es gab zwar auch eine Reihe weiterer Vorschläge, allerdings fand die Initialisierung moderaten Alkoholkonsums durch Vermittlung von Weinkultur am meisten Anklang.

Wein-Aufklärung
Jean-Pierre Coffe, gefeierter Gastronom und TV-Star, brachte es dem Guardian zufolge noch pointierter auf das Tapet: »Warum gibt es sexuelle Aufklärung, aber keine önologische?« Der Co-Autor der Studie ist überzeugt, dass man Schülern kontrollierten Alkoholkonsum beibringen kann. »Wein ist Vergnügen. Wie Liebe. Es ist dasselbe.«

Verkostungen in Schulkantinen?
Jean-Robert Pitte, ehemaliger Direktor der Pariser Sorbonne, glaubt dass Verkostungen in Mittags-Kantinen von Schulen und Universitäten ideal geeignet wären, um verantwortungsvolles Trinken zu vermitteln. Es gelte, die regelmäßigen Abstürze am Wochenende zu vermeiden, indem man aufzeigt, dass der Konsum von Wein in geringen Mengen nicht nur genussvoll, sondern auch gesund ist.

Marketing für Wein-Industrie?
Kritiker bezeichneten die Ansätze der Kommission allerdings als naiv und als Marketing für die Wein-Industrie. Auch Wissenschaftsministerin Valérie Pécresse, die die Studie in Auftrag gegeben hat, zügelt die Phantasien der Studienautoren: »Ja zu Schulungen des Geschmacks, nein zu Wein in schulischen Mittagskantinen«.

von Bernhard Degen

Bernhard Degen
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