Der Ätna mit seiner charakteristischen Rauchfahne prägt Klima und Weinbau.

Der Ätna mit seiner charakteristischen Rauchfahne prägt Klima und Weinbau.
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Wein aus Sizilien: Tanz auf dem Vulkan Ätna

Der Ätna spuckt nicht nur aktuell wieder Feuer, er gilt auch als Hotspot der Weinbaugebiete Italiens. Die Weinregion Etna bietet die Grundlage für außergewöhnliche Weine.

Kühl weht der Wind vom großen Berg herunter. Wir befinden uns nahe der 1000-Meter-Marke am Vulkan Ätna auf Sizilien, der immer wieder durch spektakuläre Ausbrüche für Schlagzeilen sorgt. »Die sind über 100 Jahre alt und alle noch wurzelecht«, sagt Winzer Alberto Graci begeistert und zeigt knorrige, gewundene Reben.

Alberto Graci hat seinen Betriebssitz in Passopisciaro an der Nordflanke des Ätna. Er bearbeitet mehrere Lagen, die örtlich als Contrade bezeichnet werden. Seine höchste, die Contrada Barbabecchi, reicht bis auf 1100 Meter. Graci ist einer von über hundert Neuwinzern am Ätna, die sich seit der Jahrtausendwende auf die große Tradition der Gegend besinnen.

Schwierige Verhältnisse

Denn es ist belegt, dass am Ätna bereits in der Antike Reben wuchsen. Ende des 19. Jahrhunderts bedeckten die Reben am Ätna 50.000 Hektar. Zwei Weltkriege und die Mechanisierung der Landwirtschaft in den Nachkriegsjahren brachten einen großen Einbruch. Da sie nur händisch zu bearbeiten waren, wurden viele Weinberge aufgelassen oder dienten nur mehr dem Hausgebrauch.

Quereinsteiger & Rennaissance

Pionier der Wein-Renaissance vom Ätna ist Giuseppe Benanti. Benanti war erfolgreicher Unternehmer in der Pharmabranche und errichtete Ende der 1980er-Jahre gemeinsam mit seinem damaligen Berater Salvo Foti ein Weingut vor den Toren Catanias. Mit Nachdruck setzten sie auf die Lokalsorten Nerello Mascalese (rot) und Carricante (weiß).

Zur Jahrtausendwende machten vor allem Andrea Franchetti und Marco De Grazia die Weine vom Ätna international bekannt. Franchetti hatte zuvor schon mit seiner Tenuta di Trinoro in der Toskana gezeigt, dass er sich auf die Erzeugung absoluter Spitzenweine versteht. De Grazia machte als Weinbroker in den 1990er-Jahren die Weine aus dem Piemont international bekannt. Franchetti gründete mit dem nach dem Ort benannten Weingut Passopisciaro auf 850 Metern Höhe einen der höchstgelegenen Betriebe am Ätna. Etwas tiefer gelegen stellte De Grazia seine Tenuta delle Terre Nere hin.

Auch der Holländer Frank Cornelissen, der seine Natur-Weine in Tonamphoren vergärt, trug dazu bei, dass bei der Fachwelt das Interesse an den Weinen vom Vulkan erwachte. Cornelissens schräger Magma genießt Kultcharakter.

Passopisciaro und Tenuta delle Terre Nere sind heute Topproduzenten am Ätna und schaffen es am besten, den mitunter recht ruppigen Tanninen des Nerello einen seidigen Schliff zu geben. Beide Betriebe waren auch maßgeblich beteiligt an der Entwicklung des Lagen-Gedankens am Ätna und füllen jeweils mehrere Contrade separat ab.

Machte zur Jahrtausendwende die Ätna-Weine über die Grenzen hinweg bekannt: Marco De Grazia (Tenuta delle Terre Nere).
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Machte zur Jahrtausendwende die Ätna-Weine über die Grenzen hinweg bekannt: Marco De Grazia (Tenuta delle Terre Nere).

Ein Goldrush

Der Erfolg von Passopisciaro und Terre Nere führte zur Jahrtausendwende dazu, dass neue Weingüter wie Pilze aus dem Boden schossen. Der Ätna gilt seither geradezu als Cool-climate-Gebiet des Südens. Durch die ganz eigene Kombination von Vulkanböden und Höhenlage – mit 3400 Metern Höhe ist der Ätna der höchste Vulkan Europas – entstehen finessenreiche Weine mit betont salzig-mineralischem Geschmack.

Vorreiter

Dabei ist es nicht etwa so, dass hier nicht auch schon früher ausgezeichnete Winzer tätig waren: So haben etwa die Geschwister Cambria auf ihrem Weingut Cottanera schon seit den Neunzigerjahren charaktervolle Weine erzeugt. Ähnlich wie Mariangela und Francesco Cambria übernahmen auch andere junge engagierte Weinbauern die Weingärten ihrer Väter oder Großväter und brachten neues Leben in die alten Kellergebäude. Giuseppe Russo ist einer von ihnen. Er übernahm die Reben seines Vaters und nannte den Betrieb ihm zu Ehren Girolamo Russo. Seine drei Lagenweine Feudo, Feudo di Mezzo und San Lorenzo sollte man probieren.

Michele Faro erweckte 2005 in Solicchiata eine alte Kellerei zu neuem Leben: Pietradolce. Er bearbeitet elf Hektar, die sich auf drei Lagen in Höhen von 600 bis 900 Meter verteilen. Sein Vigna Barbagalli ist faszinierend. Mittlerweile sind auch die großen Namen des sizilianischen Weins am Ätna präsent. Tasca d’Almerita, Planeta, Duca di Salaparuta Firriato, Cusumano und zuletzt Donnafugata haben dort alle eigenständige Betriebe errichtet. Das sagt mehr als genug über die Güte des Gebiets.

Verkostungsnotizen: Weine der Region Etna


»Der Ätna bietet beste Bedingungen«

Warum Winzer-Ikone Angelo Gaja nun auf Sizilien setzt.

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Falstaff: Herr Gaja, seit wann machen Sie Wein am Ätna?
Angelo Gaja: Wir haben vor zwei Jahren Flächen dort erworben. Entgegen dem allgemeinen Trend Richtung Nordhang liegt unser Standort aber im Süden. Wir setzen hauptsächlich auf Carricante, also auf Weißwein. Carricante reift spät und findet am Ätna beste Bedingungen vor.

Warum gerade Ätna?
Wir wollen elegante Weine erzeugen. Eleganz ist inflationär geworden, alle benutzen dieses Adjektiv für ihre Weine, selbst für die fettesten. Elegant sind für mich Weine mit mittlerem Köper, wie Nebbiolo oder Pinot Noir. Weine, bei denen Tannin und Säure in einem sehr ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Am Ätna können wir genau solche Weine erzeugen.

Warum setzt Gaja nicht wie alle anderen auf Rot-, sondern auf Weißwein?
Ich liebe Herausforderungen. Mit dem Barbaresco haben wir bereits gezeigt, dass wir großartige Rotweine machen können. Die weißen Burgunder, die Rieslinge in Deutschland und Österreich sind großartige Weine. Ich bin überzeugt, dass auch in Italien der Weißwein eine große Zukunft vor sich hat. Mit unserem Gaia & Rey konnten wir das im Piemont ja schon zeigen. Am Ätna möchten wir da weitermachen. Carricante ist beispielsweise eine Sorte, die in dieser Gegend eine lange Tradition hat. Sie erbringt auch in heißen Jahrgängen Weine mit relativ niedrigem Alkohol und guten Säurewerten. Unsere Weingärten liegen in Höhenlagen zwischen 600 und 850 Metern – das sind ideale Bedingungen.

Erschienen in
Falstaff Nr. 03/2019

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Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien
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