Im Schweizer Wallis sind die hohen Gipfel allgegenwärtig. Hier, in einmaliger Umgebung, gedeihen einige der interessantesten Weine der Eidgenossenschaft.

Im Schweizer Wallis sind die hohen Gipfel allgegenwärtig. Hier, in einmaliger Umgebung, gedeihen einige der interessantesten Weine der Eidgenossenschaft.
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Wein aus den Alpen

Die Alpen sind die Heimat einiger der interessantesten Weinregionen Europas. Ob Nebbiolo, Merlot, Chardonnay oder Pinot Noir – die großen Weinsorten dieser Welt lieben steile Hänge und atem-beraubende Bergpanoramas.

Die Alpen erstrecken sich in einem 1200 Kilometer langen Bogen vom Ligurischen Meer bis zum Pannonischen Becken. Sieht man die unwirtlichen, schnee-verhangenen Berggipfel des höchsten Hochgebirges im Inneren Europas, kommt einem vor allem der Bergsport, das Wandern und das Skifahren in den Sinn. Kulinarisch gesehen am ehesten noch die alpine Käseproduktion, jedoch kaum der Weinanbau. Letzter spielt, aufgrund der speziellen Bedingungen vor allem in den Randgebieten des Gebirges eine Rolle. Wer glaubt hoch oben sei es besonders kühl irrt sich, denn in Südtirol beispielsweise wird es im Sommer teils heißer als im sizilianischen Palermo. Selbstverständlich sind das aber nur Ausnahmen. Vielmehr ist die Alpenregion für Freunde von sogenannten Cool-Climate-Weinen von Interesse. Also Weinen, die in vergleichsweise kühlem Klima produziert werden und durch Frische und Eleganz überzeugen, statt durch Kraft und Oppulenz.


Höher hinaus als im Wallis geht es nicht. Zumindest nicht in Europa und wenn es um die Höhe der Weinberge geht. Der höchste Weinberg Europas heißt nämlich Visperterminen und liegt mitten im Wallis. Er erstreckt sich auf einer Höhe zwischen 650 und 1150 Metern und ist Heimat des bekanntesten Weißweins der Region, dem vollmundigen Heida. Heida ist übrigens nur ein Synonym für die französische Rebsorte Savagnin. Lebensader des größten Weinbaukantons der Schweiz ist die Rhône, welche im Nordosten der Region entspringt. Über 80.000 Parzellen auf 4800 Hektar Rebfläche werden hier von der größten Weinbaugenossenschaft der gesamten Schweiz namens Provins gepflegt. Ein bedeutender Anteil der Fläche ist mit autochthonen Rebsorten wie den roten Cornalin und Humange Rouge oder weißen Humagne Blanc und Petite Arvine bepflanzt. Letztere wollte selbst der legendäre Angelo Gaja einmal im Piemont etablieren. Ein wahrer Schatz also, der vom Zugpferd der Region, der Provins, gehegt und gepflegt wird.


Unter Kennern gilt Graubünden auch als »Burgund der Schweiz«. Kalkhaltige Böden und mildes Klima lassen dort nämlich vor allem die klassischen Burgundersorten Chardonnay und Blauburgunder, wie die Sorte Pinot Noir hier genannt wird, gedeihen. Aber auch uralte autochthone Sorten wie der legendäre, weiße Completer werden dort kultiviert.

Prägend für den Weinbau in der Region im Osten der Schweiz ist der Föhn, eine warme Brise, die entsteht, wenn südlich des Alpenkamms kältere Luft liegt. Dank dieser Bedingungen ist Graubünden eine der wenigen Regionen die außerhalb der Schweiz bekannt ist. Produzenten wie die Familie Davaz wirken hier schon seit Jahrzehnten und glänzen mit großartigen Blauburgundern, die auch auf internationaler Bühne das Tanzbein schwingen können. Frankreich ist dann gar nicht mehr so weit weg.


Auch wenn das Tessin noch weit entfernt vom Meer und mitten in den Alpen liegt, ist sein Klima doch stark vom Mittelmeer beeinflusst und unterscheidet sich wesentlich vom Rest der Schweiz. Viele Sonnenstunden und eine hohe jährliche Durchschnittstemperatur begünstigen die Reife der Trauben. Hier wird nahezu ausschließich die Sorte Merlot angebaut, die knapp 90 Prozent der insgesamt rund 1100 Hektar Rebfläche ausmacht. Bei sorgfältiger Weinbereitung sind die Weine aus der Sorte eine echte Konkurrenz für Merlots aus dem Bordeaux. Einer der Tessiner Vorzeige-Merlots ist der Balin von der Cantina Kopp von der Crone. Ein balancierter Tropfen, der selbst gestandene Weinkenner in Blindproben überrascht und zu den besten Rotweinen der Schweiz zählt. Produziert wird er vom Bilderbuch-Winzerpaar Anna Barbara von der Crone und Paolo Visini.


Nicht das ganze Piemont, sondern nur ein Teil der berüchtigen Weinregion in Italien ist alpin geprägt. Dieser Teil heißt Alto Piemonte und erhielt seinen Namen vermutlich wegen exakt dieser Höhenlage im Vergleich zu den restlichen Gebieten im Piemont. Die Region, nur neunzig Kilometer nordöstlich von Alba gelegen, galt vor Jahrhunderten als die wichtigste Region für die Nebbiolo-Produktion Italiens. Diese Tage sind lange vorbei, aber genau jetzt erlebt das Alto Piemonte eine Rennaissance. Dank der moderaten klimatischen Verhältnisse und vor allem wegen der besonderen, vulkan-geprägten Böden und Sorten wie dem vergessenen Prünent. Kein Wunder, dass Produzenten wie Giacomo Conterno sich hier seit neuestem engagieren. Im Jahr 2018 kaufte der Barolostar gar die Cantina Nervi. Ein historisches Gut, das durch elegante, alpine Weine glänzt.


Südtirols Terroir ist vielfältig. Angebaut wird hier auf Höhenlagen die zwischen 250 und 1000 Metern liegen und mehrere unterschiedliche Klimazonen umfassen. Würde man die An-baufläche aufs flache Land verteilen wäre sie mehrere hundert Kilometer lang, in der Realität ist es aber jeweils nur ein Katzensprung zur nächsten Lage. Dank alpin-mediterranem Klima gedeihen neben den klassischen roten Sorten wie dem würzigen Lagrein oder dem leichten Vernatsch, die eher in den niedrigen Lagen angebaut werden, auch einige herausragende Weißweine. Dazu gehört sicherlich der Löwengang Chardonnay vom Weingut Lageder, einem der großen Namen ganz Italiens. Der legendäre Wein wurde 1984 zum ersten Mal produziert und gilt als einer der ersten Barrique-Chardonnays außerhalb Frankreichs. Ein Monument, das auch nach über 30 Jahrgängen zu den besten Weißweinen Italiens zählt. Lageder bleibt seiner Rolle als Pionier treu und engagiert sich seit Jahren für den biodynamischen Rebbau, den das Gut als unablässig für höchste Qualität sieht.


Ganz im Osten der Alpen, an ihren letzten Ausläufern, liegt die Steiermark. Das Landschaftsbild ist geprägt von sanften Hügeln und die Weine von einer geradezu alpinen Frische. Geologisch gesehen baut sich die Region aus den Einheiten Penninikum und Ostalpin auf. Zu letzterem gehören unter anderem die Nördlichen Kalkalpen und die kristallinen Gesteine im Bereich des Jogllandes, im Sausal und an der Koralpe. Geht es um Wein, kommt man hier an einer Sorte nicht vorbei, dem Sauvignon Blanc. Produzenten wie das Weingut Tement in der Südsteiermark zählen gar zu den Besten überhaupt, wenn es um Weine aus der aromatischen Sorte geht. Direkt am Weingut liegt die Riede Zieregg, eine steile, warme Berghochlage und genau von dort stammt auch der nach ihr benannte, legendäre »Zieregg«, ein Wein, den man einmal im Leben getrunken haben sollte.


Weinland Vorarlberg

Das westlichste Zipfel Österreichs ist nicht nur wegen seiner legendären Skigebiete eine Reise wert. Nein, auch Weinfreunde haben in Vorarlberg mittlerweile einiges zu erleben. Klein und fein geht es dort zu, denn die Anbaufläche liegt bei nur etwa 20 Hektar.

Früher, also vor etwa 150 Jahren, war das ganz anders. Damals war die Fläche mit 550 Hektar deutlich opulenter. Seit einigen Jahren erwacht das Weinland Vorarlberg wieder aus seinem Dornröschenschlaf.

Best Bottle Awards – 6. Dezember 2019
Ein Genuss-Highlight der Sonderklasse findet in diesem Jahr zum 5. Mal am Arlberg statt: Das Winzerkino mit Dinner und »Big Bottle Party«. 30 Gäste haben die Möglichkeit, 12 Weine aus Bordeaux-Rebsorten und Chardonnay mit einer 6-köpfigen Jury zu verkosten. Infos unter lechzuers.com/arlberg-weinberg


Erschienen in
Gourmet im Schnee 2019

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Benjamin Herzog
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