Wahnsinns-Weinpreise

Das Preisniveau bei Wein steigt, doch was bedeutet das für die Gastronomie, wie reagieren Winzer und »normale« Weinliebhaber? Falstaff hat den Markt analysiert.

Einflussreiche Ökonomen und Wirtschaftsauguren werden nicht müde, die Folgen einer anhaltenden globalen Wirtschaftskrise an die Wand zu malen. Doch dieses Szenario scheint sich auf die Welt der Luxusgüter nicht auszuwirken. Ganz im Gegenteil: Die Zahlen für 2010 zeigen, das der Sektor der Luxusgüter im Vorjahr so profitabel wie nie zuvor war.

Ein Beispiel mit Symbolcharakter: Der britische Autohersteller Rolls-Royce konnte 2771 seiner Edelautomobile absetzen, ein sattes Plus von 171 Prozent gegenüber 2009. Burberry meldete für das vierte Quartal 2010 einen Umsatzzuwachs von 27 Prozent. Bernard Arnault, das Oberhaupt der Gruppe LVMH, konnte sich bereits während der ersten neun Monate des Jahres 2010 über eine Ergebnissteigerung von 19 Prozent freuen. Im Wine-&-Spirits-Bereich konnte LVMH gegenüber 2009 sogar eine Steigerung von 22 Prozent vermelden. Und über eine andere, um vieles gewaltigere Preisentwicklung dürfte sich Herr Arnault noch mehr freuen: Als Mitbesitzer des weltberühmten Château Cheval Blanc, eines Erstgewächses im Bordeaux, staunt Ar­nault über die rasante Entwicklung, die ausgerechnet die ohnehin schon teuersten Weine der Welt erfasst hat.

Glücklich, wer solche Schätze im Keller hat. Für die Jéroboam von Mouton-Rothschild 1945 wurden bereits über 225.000 Euro bezahlt/Foto: Sothebys, PRDas Lafite-Syndrom
Der Weinwahnsinn hat einen Namen: Bordeaux. Und er lässt sich lokalisieren: Schauplatz sind die Auktionshäuser in Hongkong. Hier manifestiert sich der schier unstillbare Durst der reichen Chinesen nach den besten Weinen der Welt: den höchstbewerteten Jahrgängen der renommiertesten Weingüter aus dem Bordeaux, allen voran Château Lafite-Rothschild, aber auch Pétrus oder DRC. Platzhirsch unter den Auktionatoren ist Sotheby’s, dessen jüngste Ergebnisse als spektakulär zu bezeichnen sind. Ende Oktober brachte »Lafite ex cellar« (alle Weine kamen direkt aus dem Keller des Weinguts) stramme 6,1 Millionen Euro, tags darauf erzielte eine Bordeaux-Sammlung knapp 7,5 Millionen. Im Jänner 2011 startete man mit Teilen der Sammlung des Musical-Komponisten Sir Andrew Lloyd-Webber mit 3,9 Millionen, beim zweiten Teil einer Versteigerungsserie, die ausschließlich den Top-Bordeaux-Weinen aus dem Jahrgang 2000 gewidmet war, deckten sich asiatische Sammler um 6,4 Millionen Euro ein.

Serena ­Sutcliffe, MW, die ­Grande Dame der Sotheby's- Weinauktionen/Foto: Sothebys, PRBordeaux als der große Profiteur im Asia-Boom
Nicht nur die weltberühmten Weine aus dem Bordeaux sind die Nutznießer der wachsenden Weinnachfrage aus dem Land der Mitte. China und Hongkong sind mittlerweile die größten Einkäufer in Bordeaux, mit einem Umsatz von 333 Millionen Euro haben die Chinesen tra­ditionelle Importländer wie Großbritannien, ­Belgien oder Deutschland überflügelt. Wie stark das Wachstum in Asien tatsächlich ist, zeigen die Vergleichszahlen für 2010. Die Bordeaux-Einfuhr nach Hongkong stieg nach Menge um 65 Prozent, nach Wert jedoch um satte 126 Prozent, in China stieg das Volumen um 71 Prozent, der Wert um 98 Prozent. Für die Pro­du­zen­­ten aus Bordeaux also gute Gründe, ihre neuen Kunden aus Fernost gebührend zu hofieren.

Gelassene Gastronomie
Wie beeinflusst diese Entwicklung die Situation in der heimischen Spitzengastronomie? Wir haben in den besten Restaurants des Landes nachgefragt. Heino Huber vom »Deuring Schlössle« in Bregenz sagt, dass die Top-Bordeaux und hochpreisige Luxusweine zunehmend von den Weinkarten verschwinden, ­speziell was die jüngsten Jahrgänge betrifft. »Allerdings bietet sich auch die Chance, mit entsprechendem Know-how toll gereifte Top-Bordeaux zu halbwegs leistbaren Preisen zu finden und anzubieten. Wir subskribieren nicht, sondern schlagen gezielt zu, um unseren Keller auf Top-Niveau zu halten«, so Huber.

Christian Petz vom »Holy Moly« lädt seine Gäste offensiv dazu ein, eigene Weine mitzubringen/Foto: Andreas Jakwerth

Immer mehr Selbstversorger
»BYO(B)« – »Bring your own (bottle)« – ist in den USA und in Australien ein gängiges Angebot. Gegen einen kleinen Fixbetrag pro Flasche für Service, Gläser und Wasser kann der Gast seinen Wein selbst mitbringen, in manchen Lokalen wird überhaupt auf »Corkage« (Stoppelgeld) verzichtet. Auch in Österreich gewinnt das Thema zunehmend an Bedeutung.

Ein offensiver Vorreiter des BYO-Systems ist Christian Petz vom »Holy Moly«, der seine Gäste per Aushang auf diese Möglichkeit ­hinweist. Mit einem Fixbetrag pro mitgebrachter Bouteille kann er seine eigene Weinkarte schlank halten, vermeidet teure Lagerbestände, und der Gast hat trotzdem den optimalen Wein zur Petz’schen Küche. In unserer Top-Gastro-Befragung hat sich kein einziger Wirt definitiv gegen eine Stoppelgeld-Regelung ausgesprochen. Knapp unter zwei Drittel der befragten Gastronomen gaben an, das Mitbringen eigener Weine gegen Stoppelgeld sei in Ausnahmefällen und gegen Voranmeldung möglich.

Die Gastronomie hat in Sachen Weinkonsum längst erkannt, dass die Devise »Weniger, dafür aber besser trinken« lautet. Ein gestiegenes Gesundheitsbewusstsein und eine erhöhte Zahl an Verkehrskontrollen tragen hier das Ihre bei. Obwohl oder gerade weil die Absatzmengen rückläufig sind, ist beim glasweisen Ausschank von gut kalkulierbaren Flaschenweinen aus dem Segment drei bis sieben Euro Einkaufspreis ein echter Boom festzustellen.

Immerhin elf Prozent der Weinkonsumenten kaufen im Fachhandel/Foto: Corbis

Österreich – Land der Weinpatrioten?
Wie aber verhalten sich Frau und Herr Österreicher angesichts steigender Preise, und welche Auswirkungen kommen da auf die heimischen Weinerzeuger zu? Bisher war die Treue der Konsumenten enorm, sowohl im Handel als in der Gastronomie lag der rot-weiß-rote Wein unangefochten vorne. In einer im Auftrag des Falstaff-Magazins von Sophie Karmasin Market Intelligence erstellten Studie wurde erhoben, wie sich die zu erwartenden Preiserhöhungen auf die unterschiedlichen Segmente des Weinmarktes auswirken werden. Diese Falstaff-Weinpreis-Enquette brachte erstaunliche Antworten zutage. Schon die Frage nach der Art der konsumierten Weine lieferte ein überraschendes Ergebnis: Die Österreicher bevorzugen demnach Rotweine, sie haben nun die bislang favorisierten Weißweine leicht überholt. Schaumweine werden im Vergleich eher selten getrunken.

Interessant war die Antwort auf die Frage, wo der Wein bezogen wird. Hier gaben jeweils 46 Prozent der Befragten an, im Lebensmitteleinzelhandel und direkt beim Weinbauern ab Hof einzukaufen. In Weinfachgeschäfte gehen elf Prozent der Einkaufenden, nur ein spärliches Prozent wählt die Bestellung per Internet.

Vorerst aber bleibt Österreich trotz steigender Preise sowohl für Konsumenten als auch für Winzer eine »Insel der Seligen« – zumindest, solange uns die ­Chinesen nicht entdeckt haben.

Den ganzen Artikel mit detaillierten Ergebnissen der Studie von Sophie Karmasin, zum Beispiel über das »Trinkverhalten der Österreicher«, lesen Sie im Falstaff Nr. 2/2011 - Jetzt im Handel!

Text von Peter Moser