Von den Inseln in die Alpen: Poul Andrias Ziska

Der Koch aus dem »KOKS« auf den Färöern werkt im Februar als Gastkoch im »Ikarus«.

»Koks« heißt, in der aus dem Altnordischen kommenden, färöischen Sprache, etwas tun, was außergewöhnlich und überraschend ist. Und außergewöhnlich ist die Küche von Poul Andrias Ziska, der im Februar im »Ikarus« mit unbekannten Aromen den Ton angibt. Und Überraschungen gibt es auch. Zehn Jahre nach René Redzepis Manifest der Nordischen Küche ist nun eine neue Generation von jungen Köchen am Herd. Einer davon ist Poul Andrias Ziska, ein junger Küchenchef von den Färöer-Inseln, der im Restaurant »KOKS« in Tórshavn die New Nordic Cuisine auf eine unwiderstehlich moderne und einfache Art interpretiert.

Wikingerküche
Er wurde auf den Färöer Inseln geboren, kochte im Restaurant »Geranium« in Kopenhagen und wurde mit 25 Jahren gerade zum besten Koch Skandinaviens gekürt. Ziska setzt ausschließlich auf regionale Produkte und verbindet extrem frische Produkte wie Meeresfrüchte und Wildkräuter mit den traditionellen, fermentierten Speisen. Der Brauch, die Lebensmittel an der frischen und salzhaltigen Seeluft vergären zu lassen, geht auf die Wikinger zurück, die vor Jahrhunderten die Inseln besiedelten und auf diese Art Rationen für den Winter anlegten.

Doch vergoren wird nicht nur Schaffleisch, sondern auch vieles andere. Diese Technik nennt sich »ræst« und wird auch auf frischen Fisch wie etwa Kabeljau angewandt. Heute macht man das natürlich nicht mehr der Konservierung wegen, sondern einzig und allein um das besondere Aroma zu bekommen. Ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber auf jeden Fall überraschend.

Unbekanntes von den Schäferinseln
Die Färöer Inseln sind eine autonome, zur dänischen Krone gehörende Inselgruppe im Nordatlantik zwischen den Britischen Inseln, Norwegen und Island. Wer nun der Meinung ist, dass die Auswahl auf der Insel klein und nicht spannend sei, der irrt gewaltig. Vielmehr erlebt man in Ziskas Menüs eine ungeahnte Vielfalt an aufregenden, völlig unbekannten Zutaten, die man am europäischen Festland vergeblich sucht. Umso schöner ist es, dass sein Restaurant derzeit geschlossen ist und seine Muscheltaucher, seine Fischer, seine Fleischer und seine Flechtensucher den Hangar-7 beliefern. Authentischere Küche kann man fast nicht mehr erleben.
Kein Punkt auf den Färöern ist mehr als fünf Kilometer vom Meer entfernt und so spielen Muscheln und Fische eine große Rolle in der Küche und im Hangar-7-Menü von Ziska. Dieses Menü ist geprägt von Gerichten, die eines gemeinsam haben: viele davon hat man noch nie im Leben gekostet. Was glauben Sie, haben Sie mit dem Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann und Martin Klein, dem Executive-Chef des Hangar-7 gemeinsam? Ich verrate es Ihnen: keiner von ihnen hat vorher einen Fulmar, den Eissturmvogel gegessen. Die beiden Chefs sind begeistert und alle Falstaff-Genießer können den speziellen Vogel noch den ganzen Februar über probieren. Aber nicht nur den.

Geschmack-Sache. Das Menü.
Über Monate an der Luft getrocknet und fermentiert wird »Skerpikjøt«, ein Lammfuß, zur überaus fordernden Delikatesse. Und der kommt bei Ziska im Ikarus als hauchdünne Scheibe auf Sauerrahm, mit eingelegten Holunderknospen und krosser Rentierflechte als Amuse bouche auf den Tisch, gemeinsam mit einem knusprigen Sellerie-Chip mit Lammherz, einem perfekten Seeigel süß-sauer. Auch der Seeigel ist eine autochthone Inselsorte, fein, frisch, saftig, knackig, einfach unglaublich. Dann folgt ein Käsecracker mit getrocknetem Fisch und als Abschluss der Mini-Vorspeisen serviert man Rhabarber in Kapuzinerkresse-Blättern verpackt.

Speisekarte des Nordens
Rhabarber ist eine der Obstsorten, die auf der Insel wachsen und hat deshalb auch einen großen Stellenwert in der Küche. Und so beschließt der Koch das »Ikarus«-Menü mit Rhabarberkompott, Angelica-Mus, Meringue und frozen milk. Übrigens hat der färöische Rhabarber im Gegensatz zu unserem keine Oxalsäure.

Davor aber zaubert der Gastkoch mit Martin Klein und seinem perfekt eingespielten Team noch weitere Überraschungen. Sie beweisen eindrucksvoll, mit wie viel Reduktion und Schlichtheit man tolle Gerichte zubereiten kann, die das Land und die Natur widerspiegeln, die ja auf den Färöern Inseln noch extremer und karger ist als anderswo in Skandinavien. Ein feines Tartar vom Kabeljau wird mit Brunnenkresse und Frischkäse serviert, die rohe Mahogany-Muschel mit Spinat, Salicorn und Joghurt. Auch diese Muschel ist eine färöische Besonderheit und eröffnet eine völlig neue Geschmacksdimension. Die Mollusken können uralt werden, es wurden schon lebende Exemplare gefischt, die über fünfhundert Jahre alt waren. Das lässt sich leicht nachzählen, anhand der Jahresringe auf der Muschelschale.

Schätze des Meeres
Die Königskrabbe begleitet eine wunderbare Mousse von karamelisierten Zwiebeln und die perfekte Langustine, auf heißer Kohle punktgenau gegart und serviert ist sein signature-dish, wer es gekostet hat, versteht auch, warum. Und dann kommt der Eissturmvogel auf Hagebuttenmus gebettet, sanft auf den Punkt gegart und mit Roten Beete-Scheiben bedeckt. Die Rote Beete wird in Salz gebacken und dann in Scheiben geschnitten. Warum der wundervoll sämige Jus aus Hühnerfonds und den Karkassen des Vogels leicht nach Anchovis schmeckt, bleibt ein Geheimnis. Vielleicht auch deshalb, weil sich der Eissturmvogel nur von Fischen ernährt.

Das zweite Hauptgericht ist ein feines, schlichtes Lamm mit Topinambur in Asche gegart, dann gratiniert. Auch sehr gut. Das Sauerampfer-Eis mit eingelegten Erdbeeren und frischen Sauerkleeblättern ist ein fruchtig-leichtes Vordessert, bevor der Rhabarber (siehe oben) kommt.

Das zweifellos spannende an der Küche von Poul Andrias Ziska ist der starke Kontrast zwischen der Frische und Qualität etwa des Fischs oder der Meeresfrüchte und dieser alten Kultur des Vergorenen und Fermentierten. Daraus werden Gerichte mit »Ecken und Kanten«, süß, sauer, frisch und ungewöhnlich und vielen wirklich spannende Kombinationen, die man jetzt unbedingt im Februar im »Ikarus« im Hangar-7 probieren sollte.

Tischreservierungen: www.hangar-7.com

»KOKS«
Oyggjarvegur
45
100 Tórshavn

Färöer-Inseln
T: +298-3339-99

E-Mail: koks@koks.fo

Web: www.koks.fo

Vorschau
Freuen Sie sich auf ein weiteres einzigartiges Geschmackserlebnis im März, wenn die einzige Frau im Jahresreigen der Gastköche, Dominique Crenn, vom »Atelier Crenn« in San Francisco kochen wird.

Sie ist nicht »nur« eine Spitzenköchin, sondern auch Bastlerin, Wissenschaftlerin und Künstlerin. Ihr Atelier Crenn ist ein offener Ort, an dem sie die Kunst und das Kochen zelebriert und gemeinsam mit einem kleinen Team ihre Vision von moderner, handwerklich präziser, nachhaltiger und saisonaler Haute Cuisine verfolgt.

Text von Ilse Fischer

Ilse Fischer
Ilse Fischer
Autorin
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