Seeblick: Von Allegrinis La-Grola-Weingarten fällt der Blick direkt auf den Gardasee.

Seeblick: Von Allegrinis La-Grola-Weingarten fällt der Blick direkt auf den Gardasee.
Foto beigestellt

Unter Veneziens Sonne

Venezien ist die größte Weinbauregion Italiens. Valpolicella, Bardolino und Valpolicella Ripasso sind bekannte Weine, die gerade wieder eine Renaissance erleben.

Plopp!« Leuchtend rubinfarben fließt der Wein ins Glas. Im Hintergrund plätschern die sanften Wellen des Gardasees, auf dem Tisch ein gebackener Lavarello, eine Felchenart aus dem See, und etwas gegrilltes Gemüse. Der frische Bardolino passt herrlich dazu. Das pure Sommervergnügen. 
In den vergangenen Jahren wurde Venezien bei Weinliebhabern auf der ganzen Welt vor allem durch Amarone della Valpolicella und sprudelnden Prosecco beliebt. Dabei hat man vergessen, dass die Region einst für leichte, saftige Rotweine mit sanftem Tannin berühmt geworden ist. In erster Linie sind das Bardolino und Valpolicella. Die beiden Weine entstehen aus den gleichen Rebsorten, alles lokale Varietäten: Corvina, Rondinella und Molinara. Eine bewährte Mischung, die schon seit Jahrhunderten die lokalen Rotweine prägt. Beide Gebiete liegen nicht weit voneinander entfernt, nur durch das breite Etschtal getrennt, das hier aus den Alpen hervorbricht. Aber es gibt auch wichtige Unterschiede. Luciano Piona, Bardolino-Produzent am Weingut Cavalchina: »Unsere Küche ist vom See geprägt. Zu Fisch braucht es nur wenig Tannin. Außerdem ist bei uns der Bardolino der Erstwein, da legen wir unser Herzblut hinein. Valpolicella hingegen ist bei vielen nur der Drittwein – nach Amarone und Ripasso.«

Tommasi zählt zu den Leadern des Valpolicella.
© Prunea Estate
Tommasi zählt zu den Leadern des Valpolicella.

Bardolino wird auf den Hügeln des südöstlichen Ufers des Gardasees angebaut. Eiszeitliche Gletscher haben hier vor Millionen Jahren Steine und Geröll aus dem Herzen der Alpen abgelagert. Seinen Namen hat der Wein von der Kleinstadt am Ufer des Sees. Es gibt den Wein als Bardolino, Bardolino Classico und Bardolino Superiore. 
Bardolino zeigt ausgeprägten Duft nach Kirschen, ist am Gaumen saftig und hat weiches, geschmeidiges Tannin. Er sollte mit etwas kühlerer Temperatur serviert werden, das gibt ihm mehr Spannung. Hervorragende Qualitäten kommen von Cavalchina, Guerrieri Rizzardi oder auch Zenato. Zu einem wahren Renner hat sich in den letzten Jahren der Bardolino Chiaretto entwickelt, die Rosé-Variante des Bardolino. 

Eleganz mit Tradition

Wenige Kilometer weiter östlich liegt die Region Valpolicella. In einem Bogen umfasst es die Hügel nördlich von Verona, das Zentrum der Region. Sanfte Hügel, verträumte Ortschaften mit typischen bunten Häusern, prächtige Villen, Kirschen- und Olivenbäume und selbstverständlich Weinberge prägen das Bild. Der Amarone della Valpolicella, ein mächtiger Rotwein aus leicht angetrockneten Trauben, hat dem Gebiet zu internationalem Ansehen verholfen und den Weinbauern Wohlstand gebracht. Der ursprüngliche Wein dieser Landschaft, der Valpolicella, gerät hingegen immer mehr ins Hintertreffen. Zu Unrecht.

Ein Stück Toskana im Valpolicella. Allegrinis Renaissance-Villa Palazzo della Torre.
© Pettene Flavio
Ein Stück Toskana im Valpolicella. Allegrinis Renaissance-Villa Palazzo della Torre.

Ein wenig kräftiger in der Struktur als der Bardolino, können auch Valpolicella und Valpolicella Superiore wunderbar saftige und trinkige Weine sein. Sie betören mit feinen Kirschnoten, frische Säure und mildes Tannin lassen sie seidig über den Gaumen gleiten. 
Beim Valpolicella Ripasso vergärt der Wein ein zweites Mal auf den Schalen des Amarone, das gibt ihm zusätzliche Fülle. Ripasso hat sich in den letzten Jahren zu einem richtigen Verkaufsschlager entwickelt. »Valpolicella ist für mich der ursprüngliche Ausdruck unseres Gebietes«, gesteht Riccardo Tedeschi. Mit seinen Schwestern Antonietta und Sabrina leitet er das traditionsreiche Weingut Tedeschi in Pedemonte bei Verona. Trotz der unbestreitbaren Erfolge mit Amarone ist er dem Valpolicella immer treu geblieben. Von Valpolicella Classico, Superiore und Ripasso erzeugen die Tedeschi gleich sechs Varianten. Eine reiche Auswahl. Welchen bevorzugt Riccardo? Die Antwort kommt zögernd, aber schließlich doch bestimmt: den La Fabriseria Valpolicella DOC Classico Superiore, der Frische, Eleganz und verhaltene Kraft in sich vereint.

Die Kirche von San Lorenzo gab dem Carmenere von Inama seinen Namen. 
© Greg Gorman
Die Kirche von San Lorenzo gab dem Carmenere von Inama seinen Namen. 

Marco Speri entstammt einer traditionsreichen Winzerfamilie. Vor zehn Jahren löste er sich vom Weingut der Familie und gründete seinen eigenen Betrieb: Secondo Marco. Sein Valpolicella Classico ist anmutig und zeigt feinen Trinkfluss. Wären alle Valpolicella in dieser Art, wäre die immer wieder diskutierte »Krise des Valpolicella« wohl rasch gelöst. Während viele Winzerbetriebe wie etwa Tommasi, Speri, Corte Sant’Alda, Zyme, Ca’ La Bionda, Scriani oder Le Bignele auf herzhaften, authentischen Valpolicella setzten, scheinen sich Big Player wie Masi oder Allegrini damit schwerzutun. Die setzten vielmehr auf Eigenmarken wie La Grola, Palazzo della Torre (Allegrini) oder Toar und Campofiorin (Masi). Weine, die wesentlich zur Innovation der Weintradition Veneziens beigetragen haben.

Enge Familienbande: Das Weingut Zenato stellt regionstypische Weine her.
Foto beigestellt
Enge Familienbande: Das Weingut Zenato stellt regionstypische Weine her.

Neben Bardolino und Valpolicella gibt es weiter östlich im Veneto noch einige richtige Geheimtipps. Die Colli Berici und die Colli Euganei liegen südlich von Vicenza. Beide vulkanischen Ursprungs, tauchen sie aus der Weite der Poebene auf wie ein Hochseedampfer vor dem Markusplatz in Venedig. Während die Euganeischen Hügel dank ihrer heißen Quellen in Abano und Montegrotto touristisch sehr bekannt sind, werden die Colli Berici vorwiegend von Einheimischen besucht. Eine Landschaft zum Entdecken.

Aus Speris Sant’Urbano-Weinbergen kommenköstlicher Valpolicella und Amarone. 
Foto beigestellt
Aus Speris Sant’Urbano-Weinbergen kommenköstlicher Valpolicella und Amarone. 

Schon mal von Tai Rosso gehört? Das ist die dominante Rebsorte in den Berici, eine Grenache-Variante. Duftig, mit präsenter Säure und kernigem Tannin kommt der Tai Rosso daher. Piovene Porto Godi in Toara di Villaga bei Vicenza erzeugt mehrere Varianten davon. Der Thovara zeigt eigenständigen Duft nach Kirsche, Erdbeeren und Pfeffer, ist am Gaumen von guter Fülle. Auch Carmenere, die würzige, alte Variante des Cabernet ist in den Colli Berici beheimatet. Inama, der bekannte Soave-Winzer, besitzt in den Colli Berici ein eigenes Weingut, auf dem er vorwiegend Carmenere anbaut. Sein Oratorio di San Lorenzo ist große Klasse, füllig, dicht und straff im Tannin.

Die geschmeidigere Variante ist der Carmenere Più. Da mischt Inama zum Carmenere etwas Merlot hinzu. In den Euganeischen Hügeln ist Vignalta der führende Erzeuger. 

Lieblingswein

Am Fuße des Montello bei Asolo erzeugt Giancarlo Palla auf seinem Weingut Loredan Gasparini hervorragende Rote. Das Weingut geht auf einen Dogen aus Venedig zurück.

Bei Tedeschi macht man Weine mit Herz.
Foto beigestellt
Bei Tedeschi macht man Weine mit Herz.

In den 1980er-Jahren war Loredan Gasparini einer der Pioniere des Qualitätsweinbaus und pflanzte als einer der Ersten im Veneto Cabernet Sauvignon. Sein Venegazzù Capo di Stato zählte zu den Lieblingsweinen von Luigi Veronelli, dem großen italienischen Weinkritiker. Dann wurde es still um das Weingut. Nicht nur der bekannte und hoch gelobte Capo di Stato mit dem schwarzen Etikett lädt zum Trinken ein, sondern auch der einfachere »Vino della Casa«. Gut gereift, fließt der Wein samtig über die Zunge, sodass die Flasche schnell leer getrunken ist. Und das ist gut so.

Aus dem Falstaff Magazin Nr. 03/2017

Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien
Mehr zum Thema