»Der Chef de Caves« Frederic Panaiotis

»Der Chef de Caves« Frederic Panaiotis
© Erwin Olaf

Über Luxus, Träume und Kunst: Ein Champagner-Profi im Gespräch

Im Rahmen einer Ausstellung des niederländischen Künstlers Erwin Olaf befragte Falstaff Kellermeister Frederic Panaiotis über die Geheimnisse des Champagners.

Bereits seit 120 Jahren beauftragt die 1729 gegründete Maison Ruinart jedes Jahr einen Künstler, der die Champagner-Marke auf seine eigene Weise interpretiert. Während der weltweit wichtigsten Kunstmesse Art Basel präsentierte Erwin Olaf eine Serie von Fotografien, die er in den über acht Kilometer langen Kreidestollen realisiert hat, in denen die Ruinart Champagnerflaschen lagern und die zum UNESCO Weltkulturerbe zählen. Sie zeigen die eindrücklichen Spuren der Zeit und der Zeitzeugen in einem faszinierenden Licht.

Eines der Kunstwerke aus dem Kreidestollen.
© Erwin Olaf
Eines der Kunstwerke aus dem Kreidestollen.

Interview mit dem Kellermeister

Bei diesem Anlass hat Falstaff Frederic Panaiotis, der seit neun Jahren »Chef de Caves« bei Ruinart ist, zum Interview getroffen. Der Free Diver, der sich mit Rudern fit hält, reist viel, spricht sieben Sprachen, mag die japanische Küche, liebt Riesling und hat so gut wie nichts übrig für Orange Wines. Beim VIP-Dinner im Schloss Binningen sagt er im Gespräch mit Falstaff: «Wein machen, ist Handwerk. Aber gewisse Weine kann man durchaus mit einem Kunstwerk vergleichen.»

Falstaff: Was ist Kunst?
Frederic Panaiotis: Nicht das was ich mache, jedenfalls. Wein machen, ist Handwerk. Kunst ist für mich Musik, Malerei, Skulptur, Literatur ... Kunst hat eine intellektuelle, bildnerische Dimension. Auf der anderen Seite, könnte man gewisse Weine durchaus mit einem Kunstwerk vergleichen. Weil sie mindestens so starke Emotionen auslösen können und über unseren Geschmackssinn darüber hinaus sehr lange in Erinnerung bleiben.

Ist Ihr Beruf Passion oder Profession?
Beides. Aber für mich ist es in erster Linie: Handwerk. Eines, das viel Zeit und Erfahrung braucht, bis man es beherrscht. Ein Künstler kann sehr jung sein, ein Genie und erfolgreich sein. Beim Wein machen ist das undenkbar. Man muss sich enormes Wissen aneignen. Von erfahrenen Leuten lernen. Wir sind weniger kreativ, als Künstler es sein können. Trotzdem braucht es für meinen Beruf Passion. Man muss leben und lieben was man tut – oder man kann es gleich bleiben lassen.

Wie wichtig ist Modernität für die älteste Champagnermarke?
Enorm wichtig! Vielleicht noch mehr als für andere Marken. Je älter eine Marke ist, desto größer ist das Risiko, verstaubt zu wirken. Deshalb ist Innovation sehr wichtig. Nicht unbedingt bei den Produkten selbst. Wir suchen weniger nach neuen Traubensorten oder Assemblagen. Aber bei der Art und Weise, wie wir kommunizieren, können wir neue Wege gehen. Was wir durch unsere Kooperation mit Künstlern zum Ausdruck bringen. Und auch, wie wir medial unterwegs sind. Auf Social Media, zum Beispiel, sind wir sehr präsent. Von Facebook über Twitter und LinkedIn bis Instagram. Und zwar ohne ein dezitiertes Online-Team. Bei Ruinart ist jeder online aktiv. Das war ein expliziter Wunsch unseres Managements.  

Worin liegt die Kunst, guten Champagner zu machen?
Zum einen in der Assemblage. Das ist vielleicht die kreativste Komponente. Von Jahr zu Jahr den »gleichen« Champagner aus unterschiedlichen Cuvées herzustellen, ist eine schöne Herausforderung. Die Kunst liegt aber auch in jedem Arbeitsschritt; wie man den Weinberg bewirtschaftet, wie man einen Jahrgang interpretiert, aber auch, wie man das Produkt präsentiert, wie man es verpackt, wie man die Kunden zum Träumen bringt – auch das ist eine Kunst: Kunden zum Träumen zu bringen.   
 
Was ist Luxus?
Für mich persönlich, je länger je mehr – Zeit. Sich für die Dinge Zeit nehmen zu können. Was wir mit unserem Champagner tatsächlich können. Wir haben Weine, die sehr gut altern. Wir haben demnach den Luxus, warten zu können, bis wir eine Flasche öffnen und genießen. Wir können uns auch den Luxus leisten, einen Wein zu machen oder nicht zu machen. Wir entscheiden zum Beispiel bei jedem Jahrgang, ob wir einen Millésime lancieren oder nicht. Ein echter Luxus in einer Welt, in der es oft um Rendite geht, um Schnelligkeit am Markt.

Was ist Schlichtheit?
Das Schwierigste überhaupt. Es geht nicht darum, das Einfachste zu finden, sondern die Essenz zu finden, die uns am meisten berührt. Übersetzt auf unsere Weine könnte man sagen, wir versuchen Weine mit grosser Präzision zu machen. Sie erscheinen vielleicht »einfach«, aber dahinter steckt ein großer Aufwand. Ich vergleiche das gerne mit der Japanischen Küche. Die Gerichte sehen schlicht aus, simpel. Aber der Kenner weiß, was es braucht, um diese Reinheit und diese Qualität hinzubekommen. Man muss genau sein, präzis und streng. Unsere Kunden haben es wiederum schön, sie müssen sich nicht anstrengen – unser Champagner erschließt sich Ihnen mit Leichtigkeit.    

Was ermüdet Sie?
Nicht viel (lacht), ich habe viel Energie! Im Ernst, was mich am meisten stört, ist, dass wir Menschen immer wieder die gleichen Fehler machen. Manchmal hat man wirklich das Gefühl, dass die Menschheit nichts dazu lernt. Das ist ermüdend.
Was bringt Sie zum Träumen?
Den Leuten eine Emotion schenken zu können. Dass ich die Möglichkeit habe, mit unseren Produkten Menschen zu bewegen, Ihnen eine angenehme Erfahrung bereiten kann. Ich kann sagen, mein Beruf bringt mich zum Träumen. Wenn man mich nach meinem Beruf fragt, antworte ich selten, dass ich Wein mache, ich sage, ich bereite den Menschen eine Freude.

Claudio Del Principe
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