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Torres: Ein Visionär der alten Schule

Miguel A. Torres ist der Doyen des spanischen Weins – ein Unternehmer, beseelt von der Begeisterung für sein Produkt.

So eine Trauben-Annahmestation ist eigentlich ein banales Ding: eine trichterförmige Mulde, in die im Herbst die Trauben direkt von den Anhängern der Traktoren hineingekippt werden. Viel blitzendes Metall und zuunterst eine Transportschnecke, die die Trauben weitertransportiert, zum Abbeeren und Mahlen in den Keller. In Großbetrieben gibt es immer mehrere solcher Stationen nebeneinander, denn es kommen gleichzeitig Trauben für verschiedene Weine an. Am Hauptsitz von Miguel Torres in Pacs del Penedès aber liegen nicht zwei oder drei solcher Stationen nebeneinander, sondern neun. Gigantische Dimensionen: Mit 700 Angestellten erzeugt Torres hier jedes Jahr rund 40 Millionen Flaschen Wein.
Doch sieht man sich die bei Torres verbauten Stationen genauer an, dann erkennt man, dass hier bei aller Größe ein fürsorglicher Patron ein Auge fürs Detail hat. Die Mulden sind außerhalb der Leseperiode mit passgenau angefertigten Planen überdeckt, damit der Wind kein Laub oder Unrat in die Anlagen wehen kann. Und vor den Öffnungen, die bei einem unachtsamen Tritt zu einer tödlichen Falle werden können, sind gitterförmige Schranken installiert, die sich nur heben, wenn eine Induktionsschleife das Gewicht eines vorgefahrenen Wagens signalisiert.
Der achtsame Patron ist Miguel A. Torres, 74 Jahre – ein Gentleman alter Schule, tadellos gekleidet mit Krawatte und Anzug, doch dies nicht aus steifer Attitüde, sondern erkennbarerweise als eine Form der Respektsbekundung. Wache Augen blicken in die Welt, offen und neugierig, und Torres wechselt bei Tisch mühelos vom Spanischen ins Deutsche, ins Englische und Französische.
Dem Deutschen zumal gilt Torres’ besondere Liebe – und das auch im Privaten: Seit 1967, also seit 48 Jahren, ist er mit einer Deutschen verheiratet, mit der Künstlerin Waltraud Maczassek. Nach seiner Frau ist auch der halbtrockene Riesling benannt, auf den Torres besonders stolz ist: Waltraud.
Kosmopolit und katalanischer Lokalpatriot – Torres war von Beginn seiner Karriere an beides. Zum Önologiestudium geht er Anfang der Sechzigerjahre nach Dijon. »Ich besitze noch ein französisches Buch über Wein-Geografie aus jener Zeit«, amüsiert sich Torres. »Da gibt es im Spanien-Kapitel nur zwei Gebiete: Jerez und Rioja. Fertig. Das war das Bild der Franzosen vom spanischen Wein.« Torres beschließt, das zu ändern – und französische Sorten im heimischen Penedès anzusiedeln: Als sein Vater, ebenfalls Miguel mit Vornamen, 1966 das Weingut Mas la Plana kauft, pflanzt der mit der Leitung betraute Sohn sofort Cabernet Sauvignon. »Aus drei Gründen: Erstens hatte Jean Leon schon mit Erfolg welchen im Penedès gepflanzt. Zweitens kam ich damals gerade aus Kalifornien zurück und hatte bemerkt, dass das Klima dort unserem recht ähnlich ist. Und drittens sahen die Cabernet-Stöcke in unserem Versuchsweingarten Jahr für Jahr sehr gut aus.« Schon etwas mehr als zehn Jahre später, 1979, sorgt der neue Wein für Furore: Bei der »Wein-Olympiade« in Paris schlägt »Gran Coronas Black Label« des Jahrgangs 1970 namhafte Bordeaux und erringt die Goldmedaille.

Ein Sabbatical als Zäsur

Für den spanischen Wein beginnt damit eine neue Epoche, ebenso wie sich das politische Spanien nach dem Tod Francos 1975 neu zu orientieren beginnt. Doch Miguel A. Torres bleibt trotz seiner Erfolge zunächst in der zweiten Reihe. Sein Vater, der die Weinwelt eher mit den Augen eines Marketing-Strategen als mit denen eines Önologen sieht, möchte die Leitung des Weinguts nicht abgeben. 1983 entschließt sich Torres, eine Auszeit zu nehmen: Als 50-Jähriger schreibt er sich zum zweiten Mal an einer önologischen Fakultät ein, diesmal in Montpellier. Dort drückt er mit Kommilitonen die Schulbank, die seine Kinder sein könnten. »Nach dem Ende des Sabbaticals sah ich zwei Möglichkeiten: entweder den elterlichen Betrieb zu verlassen und etwas Eigenes anzufangen. Oder geduldig weiter zu warten.« Torres entschied sich für Letzteres: »Und nach zwei, drei Jahren hat sich mein Vater dann doch zurückgezogen.«
Der größte Teil des enormen Wachstums, das Torres von 20 Hektar am Ende des Zweiten Weltkriegs bis auf die hundertfache Größe und zum Weinbau in Kalifornien, Chile und spanischen Regionen außerhalb des Penedès geführt hat, geht auf die Arbeit von Miguel A. Torres zurück. Er selbst möchte nicht an seinem Sessel kleben wie sein Vater, Sohn Miguel ist bereits als Generaldirektor aktiv und Tochter Mireia leitet die Bodega im Priorat sowie das Weingut Jean Leon.
Die glühende Begeisterung des Weinmachers für den Wein, die trägt Torres indes immer noch in sich. Nur allzu gerne nimmt er auf dem Weg zum hauseigenen Restaurant »Mas Rabell« einen kleinen Umweg zu einer Versuchsanlage, in welcher er die Auswirkungen des Klimawandels untersucht. Auf einer Tafel steht zu jeder Rebzeile notiert, welche Besonderheiten des Rebschnitts, der Erziehung, der Laubarbeit, der Pflanzdichte hier untersucht werden. »Innovation ist ex­trem wichtig«, sagt Torres und betrachtet sich einige Stöcke von Nahem. »Größer werden alleine reicht nicht aus. Man muss den Wein auch jedes Jahr etwas besser machen.«
TASTING: BEST OF TORRES

1. Bodegas Torres, Priorat, 2. Castell de Milmanda, 3. Vivero de La 
Bleda, 4. Torres-Besucherzentrum, 5. Carrer de Miquel Torres Carbó
© Artur Bodenstein
1. Bodegas Torres, Priorat, 2. Castell de Milmanda, 3. Vivero de La Bleda, 4. Torres-Besucherzentrum, 5. Carrer de Miquel Torres Carbó

Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2015

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Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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