Toro: Spaniens neue Würze

Auf der Suche nach alten Rebstöcken wurden einige Spitzenwinzer aus anderen Gebieten im vergessenen Toro fündig. Sie erkannten das schlummernde Potenzial und erzeugen heute kraftvolle Rotweine, die die Weinwelt begeistern.

Das Anbaugebiet der D.O. Toro liegt in der spanischen Provinz Zamora in der Region Castilla y León. Die Weine mit dieser Bezeichnung kommen aus dem Gebiet im Südosten der Provinz und dort in erster Linie aus der Gegend südlich des Flusses Duero, der die Region von Osten nach Westen Richtung Portugal durchzieht. Hier herrscht ein extrem kontinentales Klima mit atlantischen Einflüssen, die etwa für 350 bis 400 Millimeter Niederschlag pro Jahr sorgen. Die Winter sind streng und kalt, die Sommer kurz, dafür heiß, aber mit starken Schwankungen zwischen Tages- und Nachttemperatur.

Wein aus Stein
Die Landschaft selbst präsentiert sich sanft hügelig, der Boden besteht meist aus dunklem, kalkhaltigem Sand, die besten Terroirs haben einen höheren Steinanteil. Die Weingärten ­liegen relativ hoch, meist zwischen 600 und 750 Meter Seehöhe. Von den etwa 5800 Hektar Rebfläche, die für die Produktion des D.O. Toro zugelassen sind, nimmt die Sorte Tinta de Toro mit über 5000 Hektar den Löwenanteil ein. Die restliche Fläche teilen sich Grenache und etwas Malvasia sowie Verdejo. Rund 50 Kellereien füllen relevante Mengen von ­Flaschenwein ab, viele der etwa 1300 Weinbauern verkaufen ihre Trauben. Die Tinta de Toro ist nichts anderes als die edle Sorte Tempranillo, die sowohl in Rioja als auch im benachbarten Ribera del Duero (dort unter dem Namen Tinto Fino) für die besten Rotweinqualitäten Spaniens sorgt. Im Jahr 2010 ­betrug die Traubenproduktion bereits 16,5 Millionen Kilo, das entspricht 9,5 Millionen Flaschen mit D.O. Toro.

Zwar blickt das Gebiet der Toro-Weine auf eine lange und recht erfolgreiche Geschichte zurück, doch die Rotweine der Region gewannen erst zur Jahrtausendwende wieder an Bedeutung. ­Bereits die Römer hatten dort Weinbau betrieben, im Mittel­alter segelten die robusten, kraftvollen und für ihre Haltbarkeit ­bekannten Weine mit den ersten Karavellen in die Neue Welt. Damals zählte Toro zu den wichtigsten Anbaugebieten Spaniens. Als die Reblaus die Weingärten im Bordeaux zerstörte, sprang neben anderen Regionen Spaniens auch Toro in die Bresche, konnte sich aber auf Dauer nicht durchsetzen. Das Gebiet verkam zum Lieferanten billiger, aber guter Fassweine, große Mengen flossen in andere Regionen ab. Vor zwanzig Jahren gab es in dem Anbaugebiet nur noch sechs Betriebe, die Weine abfüllten – und einen einzigen, der die Qualität ausschöpfte: Manuel Fariña. Wenn man ihn, der heute bereits das Weinmachen ­seinem Sohn Bernardo übergeben hat, als Doyen und Wiederentdecker einer großen Weinregion feiert, so hat dies seine volle Berechtigung. Durch sein Engagement erhielt die Region im Jahr 1987 schließlich den Status einer Denominación de Origen (D.O.).

Geheimtipp für Kenner
Nach dem Aufschwung der Regionen Rioja und vor allem Ribera del Duero lag die Idee nahe, nach weiteren Tempranillo-Weingärten im Land zu suchen. Rasch wurde man im Toro fündig – und die Experten staunten nicht schlecht. Nicht nur die Bedingungen stellten sich als ­hervorragend heraus, es gab auch sehr alte Weinstöcke. Die sandigen Böden hatten eine Ausbreitung der Reblaus verhindert – so gibt es dort bis zum heutigen Tag unveredelte Stöcke aus dem 19. Jahrhundert. Die knorrigen uralten Reben wurden noch vor zwanzig Jahren wegen ihrer geringen Produktivität gering geschätzt, anderswo hätte man sie längst durch junge Stöcke ersetzt. In Toro blieben sie unbehelligt, und zwar aus Geldmangel, was sich nun bezahlt macht: Wer wirklich ausdrucksstarke Weine erzeugen will, braucht dazu diese Methusalems unter den Reben. Ein Alter von mehr als 100 Jahren ist in Toro keine Seltenheit, das Durchschnittsalter der Weingärten liegt bei über 50 Jahren. Als diese Tatsache bekannt wurde, fühlten sich auch prominente Winzer stark angezogen und kauften sich ab den 90er-Jahren in aller Stille Stück um Stück in Toro ein.

Viel los in Toro
In jüngster Zeit reden auch die Franzosen als Produzenten in Toro ein Wörtchen mit und setzen Akzente. François und Jacques Lurton waren bereits ab den 90er-Jahren mit dem Label Al Albar in Toro aktiv, 2000 haben die beiden zusammen mit dem Star-Önologen Michel Rolland das Projekt Campo Eliseo gegründet. Der Bordelaiser Weinguts-Sammler Bernard Magrez und sein Freund Gérard Depardieu kamen 2004 nach Toro und kreierten den »Paciencia« und den »Spiritus Sancti«. Unter den Ersten, die das herausragende Potenzial Toros erkannten, war der langjährige Kellermeister von Vega Sicilia, Mariano García. Er hatte sich mit seinem eigenen Ribera-del-Duero-Projekt Mauro in Pedrosa selbstständig gemacht, 1998 startete er in Toro mit Maurodos – dessen Spitzenwein San Román hat inzwischen Kultstatus.

Neben Schwergewichten der spanischen und internationalen Weinliga gibt es aber auch kleinere und noch weit weniger bekannte Güter, deren Weine große Beachtung finden. Der junge französische Önologe Antonin Terryn reiste um die halbe Welt, bevor er sich in Toro 2004 niederließ. Heute besitzt er mit seinem Dominio del Bendito 14 Hektar in der legendären Lage »Pago la Jara« auf alten Schotterterrassen des Duero-Flusses. Nicht mehr als 50.000 Flaschen werden erzeugt, allemal genug, um mit dem Top-Wein El Titan aus uralten Reben den begehrten Decanter Award zu gewinnen.

Am anderen Ende der Produktpalette stehen die elaborierten großen Weine internationalen Zuschnitts. Die Trauben aus uralten Stöcken verleihen diesen großformatigen Gewächsen einen klassischen »Vieilles Vignes«-Charakter, sie reifen behutsam in edlen französischen Eichenfässern. Nicht zuletzt dank höchster Bewertungen bei nahezu allen wichtigen Kritikern haben sich die Preise für diese Super-Premiumweine entsprechend entwickelt und können bereits jenseits der 100-Euro-Marke ­liegen. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass man gerade aus Toro exzellente Rotweine für wenig Geld bekommen kann, wie auch die große Falstaff-Probe zum Thema zeigt. Es lohnt sich also, sich für das nächste Grillfest gezielt nach den würzig-stoffigen Toro-Weinen umzusehen.

> Zu den Verkostungsnotizen

Den vollständigen Artikel mit noch mehr Einblicken in die Weingüter des Toro finden Sie im aktuellen Falstaff Nr. 03/12.

Text: Peter Moser