Martin Kušej

Martin Kušej
© Lukas Beck

Tischgespräch mit Martin Kušej

Der neue Direktor des Wiener Burgtheaters spricht im Falstaff-Talk über Essen als Statement und Lokale, die trösten.

Über Martin Kušej:

1961 in Kärnten geboren, studierte er Germanistik, Sportwissenschaften sowie Regie in Graz. Nach zahlreichen Stationen wie dem Schauspielhaus Graz, dem Staatstheater Stuttgart und dem Opernhaus Zürich war er von 2005 bis 2006 Schauspieldirektor der Salzburger Festspiele. Mit der Spielzeit 2019/2020 startete er als neuer Direktor des Wiener Burgtheaters.

Falstaff: Herr Kušej, wie wichtig sind Ihnen Lebensmittel?
Martin Kušej:
Ich liebe sie, sie sind die Grundlage für gutes Essen. Ich würde gerne die Dinge selber erzeugen, die ich koche und esse. Geht leider nicht – deswegen schätze ich Restaurants, die lokal die besten Lebensmittel von nachhaltigen Produzenten verarbeiten.

Versuchen Sie auch selbst, nachhaltig zu leben?
Wie wir mit unserem Planeten umgegangen sind, wird sich bitter rächen. Wir spüren das schon heute. Ja, ich versuche, nachhaltig zu leben – aber unser »Bahn statt Flieger«-Zeugs nützt nichts, solange komplette Vollidioten in Ländern an die Macht gewählt werden, die sich einen feuchten Dreck darum scheren.

Auch im Burgtheater spielt Kulinarik eine Rolle. Die Reihe »Der Geschmack Europas« wird in der neuen Spielzeit fortgesetzt. Wie schmeckt denn Ihr persönliches Europa?
Europa ist so wahnsinnig facettenreich, mit seinen Sprachen, seinen Lebensgewohnheiten, seinen kulinarischen Schätzen. Diese Vielfalt wollen wir erkunden und präsentieren. Ich liebe diesen Kontinent mit seiner Vielfalt und bin glühender Anhänger der Idee »Europa« – umso erschreckender ist es zu erleben, wie leicht in Zeiten von Unsicherheit die Grenzen wieder hochgezogen werden, Nationalismus und Rechtsextremismus wieder erstarken. Das beschäftigt mich und stimmt mich sehr nachdenklich und leider wenig optimistisch. Natürlich werden wir aber nicht die Flinte ins Korn werfen bzw. den Kochlöffel nicht in den Mülleimer. Wir werden neu und mutig weiter unseren Weg suchen und gehen. 

Bedeutet Essen für Sie Ernährung und Geselligkeit, oder kann es auch ein Statement sein?
Ich erachte Gastfreundschaft, Kochen und Essen als essenziell für jede Kultur und bemühe mich, dies auch in Zusammenhang mit dem Theater zu bringen. Dazu kommen meine Reisen, bei denen ich mich um Einblick in die jeweiligen Küchen und Esskulturen bemühe. Dabei geht es immer um Offenheit, Neugier, Entdeckungslust, um kulturellen Austausch, um ein Bewusstsein für das Leben mit der jeweiligen Natur. 

Glauben Sie, dass es mehr Köchinnen, Regisseurinnen, Dirigentinnen usw. gäbe, wenn Männer diesen Frauen mehr Rückhalt geben würden?
Klares Ja! Gerade wurde im Corona-Lockdown wieder ersichtlich, wie schnell die alte Rollenverteilung wieder Einzug hält. Viele Männer sind, wenn es eng wird, relativ unbrauchbar.

Auf welche Speisen können Sie verzichten?
Auf alle Lebensmittel, die industriell gefertigt, gezüchtet oder geerntet werden. Auf all den ungesunden Dreck, der uns profitorientiert und Lebensraum zerstörend immer noch als günstig und schmackhaft unter die Nase gerieben wird.

Und welches Gericht vermag es, Sie zu trösten?
Weniger ein Gericht, Trost spendet mir das gesamte Wohlfühlprogramm in einem Lokal – etwa im »Seehof« in Goldegg, dem »Liebsteinsky« und dem »Vestibül« in Wien oder dem »Gasthof Liegl« in St. Georgen in Kärnten.



Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2020

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Alex. Hesse
Redakteurin
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