© Suzy Stöckl

Tischgespräch mit André Heller

Falstaff spricht mit dem Multimediakünstler über die Küche in Marokko und Wien, Gastfreundschaft und die Verbindung zwischen Gerüchen und Erinnerungen.

Falstaff: Düfte und Aromen spielen in Ihrem Leben und Ihrer Arbeit eine wesentliche Rolle. Welche Speisedüfte rufen besonders reiche Assoziationen und Erinnerungen in Ihnen wach?

André Heller: Meine erste Geruchserinnerung überhaupt sind Vanillekipferln in unserem tiefverschneiten Gutensteiner Waldrandhaus. Dann in Wien die eindrucksvoll miachtelnde Speis mit den dort gehorteten Äpfeln, in einer Zeit, bevor es bei uns Eiskästen gab. Später im Jesuiteninternat der penetrante Kohlgeruch in den trostlosen Gängen. Olfaktorische Glückseindrücke bieten mir eigentlich nicht Speisen, sondern vor allem Gärten.

Wien und Marokko sind jene beiden Orte, an denen Sie die meiste Zeit verbringen, wenn Sie nicht auf Reisen sind. Da treffen zwei große Küchentraditionen aufeinander. Welche Gerichte aus diesen Küchen mögen Sie besonders?
Aus beiden die schlafwandlerisch qualitätsvolle Hausmannskost. Kein Getue. Keine Kunstwerksversuche, sondern wohlschmeckendes, nahrhaftes und frisch gekochtes Essen. Bitte kein ungebetener Gruß aus der Küche (Nicht grüßen, sondern kochen!). Höfliche Kellner, die sich nicht als Anlageberater gerieren. Ich will in einem Speiselokal vom Personal weder unterhalten noch belehrt werden, auch die Erwartung, dass Köche Künstler sein sollten, ist mir radikal fremd. Eine geröstete Leber kann zwar im Idealfall ein Glück sein, aber sie den Bach’schen Goldberg-Variationen ebenbürtig zur Seite zu stellen scheint mir doch blasphemisch. In Wien bin ich dankbar zufrieden bei »Plachutta«-Rindfleisch mit seinen exzellenten Zutaten. Auch im »Gasthaus Huth« bei Kalbsrahmgulasch mit Nockerln und selbstverständlich allen Speisen mit Dillsauce. Meeresfisch stets auf dem Naschmarkt. In Marokko erfüllt beinahe jede Speise meine Kriterien. Vor allem die genialen Gewürzmischungen, die alles Einfache zum Gaumenwunder adeln.

Anima, Ihr großer »afrikanischer Garten Eden« bei Marrakesch, wurde vor drei Jahren eröffnet und hat sich zu einem wesentlichen Ziel für Marokko-Reisende entwickelt. Was serviert denn Ihr dortiges »Café Paul Bowles« seinen Gästen?
Safranrisotto, die Bauernsuppe Harira, herrliche Blüten- und Blättersalate, alles inklusive Safran aus eigenem Anbau. Dazu erlesene, frische Fruchtsäfte, Anima-Kräutertees und einen Kaffee wie in den Autobahnraststätten in Italien. Dort ist er nämlich weitaus besser als in 80 % der Wiener Kaffee-häuser.

Sie stehen im Ruf, ein besonders guter Gastgeber zu sein. Was bedeuten Ihnen Gastfreundschaft und das gemeinsame Essen mit anderen?
Meine Gäste sollen vom Wohnen bis zum Essen die gleiche Sorgfalt und genussgeladene Verwöhnqualität erleben, die ich für mich selbst einfordere. Sollte ich noch einmal zur Wiedergeburt gezwungen werden, möchte ich gerne bei mir Gast sein.

Sie sind viel unterwegs, unter anderem führen Sie demnächst Regie bei Richard Strauss’ »Rosenkavalier« an der Berliner Staatsoper Unter den Linden oder gestalten in Brixen den Hofburggarten neu. Wo essen Sie unterwegs?
Ich halte mich eigentlich überall an die bereits geschilderten Regeln zur Vermeidung von Ärger bezüglich kulinarischen Erlebnissen. Das ist an Orten wie Rom, Bombay und Hongkong leichter als in Frankfurt oder New York.

André Heller

1947 in Wien geboren, zählt zu den einflussreichsten und erfolgreichsten Multimediakünstlern der Welt. Seine Projekte umfassen Shows, Zirkusprogramme und Operninszenierungen, Gartenkunstwerke und Wunderkammern, Varietés, Feuerspektakel, fliegende und schwimmende Skulpturen, Filme und Theaterstücke, Romane und Erzählungen. Als Chansonnier eigener Lieder hat er Millionen Tonträger verkauft. André Heller, der sich auch politisch engagiert, lebt in Wien und Marrakesch, wo er 2016 seinen Garten Anima eröffnete.


Erschienen in
Falstaff Nr. 05/2019

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Julia Kospach
Julia Kospach
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