Im »Balthasar« wird einer der besten Kaffees Wiens serviert.

Im »Balthasar« wird einer der besten Kaffees Wiens serviert.
© Nicky Webb

Third Wave Coffee: Die perfekte Welle

Die »Third wave of coffee« hat eine neue Kaffeequalität nach Österreich geschwemmt. Immer mehr Lokale streben nach der absoluten Perfektion im Kaffeehäferl.

Ausgerechnet Starbucks. Der Vanillesirup-Pumpkinspice-Kaffeeriese ist für die Rückbesinnung auf eine neue Kaffeequalität mitverantwortlich. Denn der Coffee-to-go-Trend der 1990er-Jahre, die sogenannte »Second Wave«, hat den Weg für eine ­Kaffeephilosophie geebnet, die heute auf Bio-Bohnen, direkten Handel und Perfektionismus bei der Zubereitung schwört. Bekannt wurde sie als »The third wave of coffee«.
Die dritte Welle ist längst auch nach Österreich geschwappt. Vor gut fünf Jahren eröffneten erste »Third Wave Coffee Shops« in Wien, wie »CaffèCouture« oder die »Coffee Pirates«. Heute zählen sie zu den Urgesteinen der dritten Welle. Denn das Angebot wächst zusehends, derzeit gibt es alleine in Wien an die zwanzig Betriebe.
Otto Bayer betreibt einen von ihnen. Viele Jahre war er einer der besten Köche Tirols. Vor zwei Jahren sattelte er um, eröffnete seine Third-Wave-Kaffeebar »Balthasar« in Wien und möchte seither die Gaumen seiner Kunden für guten Kaffee schärfen – ohne große bekehrende Referate.

»Wer das erste Mal einen qualitativ hochwertigen Kaffee trinkt, erkennt sofort den Unterschied zu Industriekaffee.«  
Otto bayer – »Balthasar«, Wien

© Faruk Pinjo

»Man punktet mit dem, was in der Tasse ist. Wer das erste Mal einen qualitativ hochwertigen Kaffee trinkt, erkennt sofort den Unterschied«, sagt er. Entscheidend für die Kaffeequalität ist wie beim Wein bereits der Ort, an dem die Kaffeepflanze wächst, ab welcher Reife sie geerntet wird, wie die Bohnen geröstet und wie sie vom Barista schließlich verarbeitet werden. »Third Wave Coffee Bars« zeichnet aus, dass sie sich über jedes Glied in dieser Kette Gedanken machen.
Nikolaus Hartmann ist der Inbegriff eines solchen Third-Wave-Verfechters. Früher lehrte er Architektur an der Uni, heute steht er in seiner neuen Wiener »Süssmund Kaffeebar« und schwärmt von der Vielfalt des Kaffees. Dass Kaffee 800 Aromen hat, während Wein »nur« 600 Aromen zählt. Warum helle Röstungen eher säuerlich schmecken und von welchen Bauern er seine Kaffeebohnen direkt bezieht. Vor zwei Jahren startete er seine kleine Rösterei »Süssmund«, um deren Bohnen sich bald Lokale wie »The Brickmakers« und »Jonas Reindl« rissen. Haben also er und die anderen Third-Wave-Kaffeebars eine neue Kaffeequalität nach Österreich gebracht? »Ja und nein«, sagt Hartmann, »es tut sich zwar einiges, aber ein Sternerestaurant verlasse ich auch heute noch mit dem Geschmack nach verbranntem Autoreifen.«

Otto Bayer bereitet feinsten Filterkaffee im »Balthasar« zu.
© Nicky Webb
Otto Bayer bereitet feinsten Filterkaffee im »Balthasar« zu.
Seit 2014 röstet Niko Hartmann in seiner Mikrorösterei in ­St. Pölten Kaffeespezialitäten.
© Faruk Pinjo
Seit 2014 röstet Niko Hartmann in seiner Mikrorösterei in ­St. Pölten Kaffeespezialitäten.

Dabei verkündete René Redzepi, einer der besten Köche der Welt, bereits 2012 am »Nordic Barista Cup«: »Coffee is the new shit!« Seinen Worten ließ er Taten folgen. In seinem »Noma« in Kopenhagen erhalten alle Mitarbeiter eine Kaffee-Fortbildung, das Kaffeeangebot wechselt laufend und wird an die Menüs angepasst. Dem »Noma« folgten zum Beispiel das Münchner »Tantris«, das frisch gerösteten Kaffee direkt am Tisch ­seiner Gäste zubereitet. Oder das Wiener Spitzenrestaurant »Mraz & Sohn«, das Kaffee gerne in den Mittelpunkt seiner Desserts stellt und dafür nur beste Qualität wählt. Damit leisten sie Pionierarbeit. »Es ist doch merkwürdig, dass ich mir als Gastronom über jedes Detail Gedanken mache, aber nicht über den Kaffee«, sagt auch Otto Bayer vom »Balthasar«. Dabei geht es um mehr als nur hochwertige Kaffeebohnen. Selbst die besten können sich in einer schlechten Kaffeemaschine geschmacklich nicht entfalten.

© Johann Spitzbart

Deshalb wird in »Third Wave Coffee Shops« mit verschiedensten Filtersystemen experimentiert – mit dem hehren Ziel, das Optimum an Geschmack aus den Bohnen zu gewinnen. Im »Balthasar« wird der Kaffee etwa mit einer Hario V60, Kalita und Chemex oder als Cold Brew gefiltert (siehe Bilderstrecke). Das Spielfeld ist groß und eine eigene Wissenschaft. Auch deshalb hing der Third-Wave-Bewegung bis vor Kurzem noch das Image von Kaffee-Nerds nach. Heute scheint der Trend in der Masse angekommen. Die Kaffeerösterei »J. Hornig« vermarktet einen Cold Brew in der Flasche, Starbucks hat einen für »to go« und das »Café Am Hof« im »Park Hyatt« bietet nicht nur Kaffeeklassiker, ­sondern auch Filter­kaffee nach Chemex-Methode an.

Früher lehrte Nikolaus Hartmann Architektur an der Uni, heute steht er in seiner Kaffeebar und schwärmt von der Vielfalt des Kaffees, die 800 Aromen umfasst.

»Schönbergers Caffè Bar«, Wiedner Hauptstraße 40, 1040 Wien.
Foto beigestellt
»Schönbergers Caffè Bar«, Wiedner Hauptstraße 40, 1040 Wien.
Vom Marketing- zum Kaffee-Experten: Patrick Schönberger (l.) mit Sohn Matthias Brustmann.
Foto beigestellt
Vom Marketing- zum Kaffee-Experten: Patrick Schönberger (l.) mit Sohn Matthias Brustmann.

Die neue Liebe zum Kaffee

»Third Wave hat ein Bewusstsein für Kaffeequalität geschaffen«, sagt Patrick Schönberger. Seine Hobby-Barista-Kurse und Kaffeeverkostungen sind für die nächsten Wochen ­ausgebucht, die Gäste in seiner Kaffeebar debattieren über den Geschmack neuer ­Bohnen, und Betriebe berät er beim ­Kaffeemaschinenkauf. Früher war Patrick Schönberger erfolgreich im ­Marketing tätig. Da sei er ständig unter Stress gestanden, ohne etwas Sinnvolles zu tun, meint er lächelnd. Seit letztem Jahr hat er seine eigene kleine Kaffeebar im alten »Naber« in Wien-Wieden.
Schönberger spricht über Kaffee wie andere über Wein. Er nimmt einen Schluck von seinem Espresso und erkennt drei Grad Unterschied zur letzten Zubereitung. Er macht sich Gedanken über den Anbau seiner Bohnen, hat Filterkaffee ebenso im Angebot wie Cold Brew. Dennoch sieht sich Schönberger nicht als Teil der Third-Wave-Bewegung. Und vielleicht ist genau das ein Zeichen dafür, dass die Bewegung angekommen ist – und neue Früchte trägt.

BILDERSTRECKE: The new Way to brew
Julia Staller-Niederhammer
Autor
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