Theresa Imre führt den digitalen Bauernmarkt »markta«.

Theresa Imre führt den digitalen Bauernmarkt »markta«.
© Stefan Diesner

Theresa Imre: »Regionalität macht Sinn.«

Gerade in Zeiten der Corona-Krise ist die Unterstützung und Förderung der regionalen Produzenten essentiell. »markta«, Österreichs erster digitaler Bauernmarkt, macht genau das.

Basierend auf dem Gedanken »Vom Bauernhof bis zur Gabel«, verbindet »markta« urbane Konsumenten direkt mit regionalen Lebensmittelproduzenten. Auf der Online-Plattform für regionale Lebensmittel können Konsumenten ihren Wocheneinkauf an frischen Produkten bestellen und direkt nach Hause liefern lassen. So werden regionale Bio-Bauernhöfe, Familienbetriebe und Kleinproduzenten, die gegen die etablierte Konkurrenz und die großen Lebensmittelketten kaum Chancen haben, unterstützt und gefördert.

Besonders nach Ausbruch der Coronakrise zeigt sich der Wert der Plattform: markta.at hat einen enormen Anstieg an Bestellungen verzeichnet (x20!) und wurde als Online-Lebensmittelhandel essentiell für mehr als 15.000 Kunden. Pro Woche werden von mehr als 100 Kleinbetrieben mittlerweile bis zu 80.000 Lebensmittel verkauft, verpackt und in ganz Österreich verschickt. So kann auch täglich geliefert werden. »Jeder sollte einen Bauernmarkt direkt vor der Haustüre haben«, beschreibt Theresa Imre. Die Gründerin von »markta« spricht im Interview über den Wert von Lebensmitteln, Regionalität und was »markta« anders macht.

PROFI: Hat sich der Wert unserer Lebensmittel verändert?
Theresa Imre: In den letzten 50 Jahren hat sich unsere Ernährung komplett verändert. Seit dem ungebändigten Globalisierungsboom der 80er Jahre sowie dem starken Hang zur Kosten-Optimierung und Output-Steigerung in der Wertschöpfungskette, ernähren wir uns von Brot-Teiglingen aus Billiglohnländern – die frisch in der Filiale aufgebacken werden und dadurch »Hergestellt in Österreich« sind, von Äpfeln aus Neuseeland – die besonders lange im Regal liegen können und bessere Margen als die heimischen erzielen, und von argentinischem Rindfleisch – dass mit Unmengen an Kraftfutter auf engem Raum gemästet wird und für das schnelle Wachstum 15.000 Liter Wasser pro Kilo Fleisch benötigt.

Aktuell interessiert das noch eher die Minderheit, der Weber-Grill zählt als Status-Upgrade noch immer mehr, als die Melanzani oder das Würstel darauf. Jetzt kann man lang und breit analysieren, woran das liegt, dass unser Essen seinen Wert verloren hat. Vielleicht hat unsere Bequemlichkeit den Zugang verändert – alles muss schnell gehen und satt machen, da schaut man ehesten auf den Preis. Vielleicht lösen andere Dinge den Wert des Essens ab, die ganze fast fashion, fast phones und fast cars Industrie, muss ja auch bezahlt werden. Oder ist es dann doch ein Thema der Macht und politischen Strukturen? Es liegt an jedem einzelnen, was er oder sie konsumiert und damit fördert.

Macht Regionalität langfristig Sinn?
Corona hat den Leidensdruck in unserer Blase ansteigen lassen. Auf einmal zählt die lokale Wirtschaft, die Unterstützung der Betriebe ums Eck, man möchte ein Zeichen mit seinem Einkauf setzten. Warum erst jetzt? Weil unsere Konsumwirtschaft die Produktion soweit und so günstig wie möglich ausgelagert hat, aber es an Transparenz fehlt, was wir anderenorts ausnützen und unterdrücken.

In den letzten 30 Jahren mussten in Österreich 42 Prozent der regionalen Betriebe aufgrund des globalen Preisdrucks schließen. Das alles ändert sich, wenn wir Zeit zum Nachdenken haben und es zum Thema wird, dass Österreicher und Österreicherinnen nicht zu den Löhnen der Erntehelfenden auf heimischen Feldern arbeiten wollen. Wenn die Anonymität verloren geht und das Bewusstsein steigt, kommt zwangsläufig die Verantwortung. Somit ja, Regionalität macht Sinn.

Kann man eine Kennzahl für ein Lebensmittel in seiner ökologischen Dimension erstellen?
Es ist schier unmöglich eine einfache Kennzahl für ein Lebensmittel festzuschreiben, ob es nun besser ist oder nicht – das System ist zu komplex dafür. Die Landwirtschaft ist für 31 Prozent der globalen Klimagasemissionen direkt verantwortlich – inklusive Verarbeitung, Transport, Kühlung, Erhitzung, Zubereitung und Entsorgung landen wir bei über 40 Prozent. Die Wahl was wir essen, bestimmt unseren Fußabdruck mehr, als woher es kommt.

Denn abseits von eingeflogenem Lebensmittel wie frische Beeren, sind es vor allem Fleisch und Milchprodukte, deren Produktion das Klima enorm belasten. Industrielle Butter hat einen 150-fachen, Rindfleisch einen 90-fachen CO2-Ausstoß wie regionales Bio-Gemüse. Und trotzdem, die höchsten Treibhausgasemissionen sind mit den intensiven, produktivitätssteigernden Bewirtschaftungssystemen verbunden, da liegt die kleinstrukturierte Landwirtschaft, die es in Österreich noch gibt, gegenüber den Agrarriesen in Deutschland, Spanien, klar im Vorteil.

Bei »markta« werden die Produkte frisch in die Box gepackt, die 24-Stunden-Kühlkette mit nachhaltiger Schafwoll-Isolierung sichert die Qualität.
© Stefan Diesner
Bei »markta« werden die Produkte frisch in die Box gepackt, die 24-Stunden-Kühlkette mit nachhaltiger Schafwoll-Isolierung sichert die Qualität.

Regional vs. Bio – oder sind es doch die Seiten derselben Medaille?
Sich auf diese Debatte einzulassen, ist ein Kampf auf der falschen Bühne. Es geht nicht um ein Entweder-Oder, sondern um das Verständnis, woher der jeweilige Beweggrund kommt. Am Land zählt die Nähe, das Regionale, oft mehr. Man will sich gegenseitig unterstützen, auch wenn der konventionelle Abbau die Böden zerstört. In der Stadt verschwinden die nachbarschaftlichen Beziehungen und die anonyme Kaufentscheidung schaut vermehrt auf das eigene Wohl, die Umwelt als Ganzes.

Man greift zu Bio, das durch die Handelsketten zum wirklich großen Business geworden ist, der Preis-Kostendruck für landwirtschaftliche Betriebe bleibt und die Erntehelfenden stehen auch hier ganz am Ende der Kette. Es ist wichtiger, über die Abhängigkeiten und Machtstrukturen zu diskutieren, als sich durch vereinfachte Werbebotschaften blenden zu lassen.

Was macht »markta« anders?
Die regionale Landwirtschaft ist somit nicht das Allheilmittel für die verpfuschten Entscheidungen der letzten Jahrzehnte. Was es braucht, ist ein Lebensmittelsystem, das die wirtschaftlichen Strukturen wieder lokal verankert und die Marktmacht von einzelnen Playern – vom Saatgut, über die Verarbeitung bis zum Handel – aufbricht und verteilt. Damit die Wertschöpfung direkt am landwirtschaftlichen Betrieb bleibt und man sich flexibel auf die lokalen Umwelt- und verändernden Klimabedingungen anpassen kann.

markta.at

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