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Tequila: Que Viva Mexico!

Bauern mit tönernen Brennblasen und Milliarden-Konzerne: Der Hype um die Agaven-Brände Tequila und Mezcal hat Mexikos Destillate in den Fokus gerückt.

Die wichtigste Frage der Barflys lautet aktuell: Was kommt nach dem Gin? Verfolgt man die Investitionen der letzten Jahre, dann wurde die Antwort der Spirituosen-Industrie bereits gegeben: Tequila und Mezcal gelten als die neuen Stars. Allerdings müssen sie beim Konsumenten erst ankommen. Zu groß sind die Vorbehalte gegen den mit verkaterten Studententagen konnotierten Tequila. Der zweite »Mexikaner«, Mezcal, gilt wiederum als so unbekannt, dass man ihm gern das Etikett »Hipster-Spirituose« umhängt. Was genau von jener Unkenntnis gegenüber den Agavenbränden zeugt, die es den beiden Destillaten noch schwer macht.

100 Prozent Agave für Kenner

Denn im Grunde ist jeder Tequila ein Mezcal. Historisch wurde der in die USA exportierte Agavenbrand aus dem Bundesstaat Jalisco einst nach einem seiner Zentren als »Mezcal de Tequila« etikettiert. Mit zunehmender Beliebtheit verschwand der Zusatz, der Ortsname blieb. Heute darf er in fünf Bundesstaaten erzeugt werden und muss zumindest 51 % der »Agave Tequilana Weber«, auch Blaue Agave genannt, beinhalten. Während Kenner nur reine Agaven-Brände – sie erkennt man am Aufdruck »100 % de agave« oder »100 % puro agave« am Label – akzeptieren, haben das Image in Übersee lange die »Mixtos« geprägt. Sie erlauben 49 % vergärbaren Zucker aus anderen Pflanzen wie (teils gen-modifiziertem) Mais und kommen entsprechend günstiger in der Herstellung als reine Agavendestillate.
Denn die mit der Aloe verwandte Agave ist das wahre Geheimnis der Popularität aller Mezcals: Die rund 150 Arten, die in Mexiko heimisch sind, gehören eigentlich zu den Spargelgewächsen und sind keine Kakteen. In ihren Anforderungen genügsam, blüht die Pflanze ein einziges Mal, in der Regel zwischen dem achten und zwölften Jahr. Selbst bei hoher Nachfrage lässt sich die Produktion also nicht spontan erhöhen. Das Prestige, das sich aus der handwerklichen Destillation speist – bereits die Konquistadoren fanden Agaven-Kulturen vor –, geht auf den winzigen Anteil an Bränden zurück, die gänzlich händisch erzeugt werden. Lediglich 5000 Liter gibt es in dieser Güteklasse des »Mezcal ancestral«, die 2016 definiert wurde.
Die rund 400 Millionen Agaven für die Destillation sind in der Spirituosenwelt einzigartig: Im Gegensatz zu anderer »Rohfrucht«, wie Brenner ihr Ausgangsmaterial nennen, transportieren sie das Herkunftsgebiet deutlich. Die aromatischen Unterschiede der immerhin 28 destillierten Agaven­arten, darunter einige wild vorkommende, sind beträchtlich, wie die Forschungen von Araceli Minerva Vera Guzmán (am Instituto Tecnológico der Brenner-Hochburg Oaxaca) gezeigt haben: »Die chemische Zusammensetzung unterschied sich aufgrund des Charakters der Agavenherzen, der verwendeten Moste und der Natur-Hefen beträchtlich.« Mit anderen Worten: Während kaum ein Whisk(e)y- oder Wodka-Liebhaber die Sorte des Brenngetreides angeben kann, ist die Kenntnis der Agave essenziell. Deshalb wird von Mezcal-Liebhabern auch vorwiegend der »Joven«, der im Gegensatz zum »Reposado« (zwei Monate im Eichenfass) und »Añejo« (mindestens ein Jahr Reife) ungelagerte Agavenbrand, getrunken. Nur hier kommt das »Terroir« wie beim Wein durch. Zumal Mezcal immer zu 100 % aus Agaven-Maische stammen muss. Während die Promotion vielleicht schwächelt, haben die Mexikaner bei der Qualitätssicherung klare Regeln aufgestellt. Die »Denominación de origen« für Mezcal gilt übrigens als die geografische Herkunftsbezeichnung, die mit 500.000 m² das weltweit größte Gebiet abdeckt. Damit darf heute in neun Bundesstaaten Mezcal gebrannt werden, 87% der Produktion stammten im Vorjahr aber aus Oaxaca, das in seiner Größe in etwa Österreich entspricht.

Retro-Schluck

Der Weg vom Kochen der bis zu 100 Kilo schweren Agaven-Herzen (piñas) über das Einmaischen und die Gärung sowie die – meist doppelte – Destillation dauert Wochen und somit weitaus länger als bei anderen Rohmaterialien. Die Explosion der erzeugten Menge erfolgte erst in den letzten Jahren – mit knapp vier Millionen Litern Mezcal hat sich die Produktion 2017 gegenüber 2011 vervierfacht! Die authentische Herstellung, die industrielle Methoden bei einem »Mezcal artesanal« ausdrücklich verbietet, steht momentan eben hoch im Kurs. Für den Retro-Schluck zahlt man gerne mehr – auch im Export.
Während Pioniere wie der Berliner Axel Huhn mit seiner »Mezcaleria« schon vor zehn Jahren das Terrain aufbereiteten, zeigt auch die Tequila-Statistik das globale Wachstum der Mexikaner: Von 228 Millionen Litern Tequila im Jahr 2015 stieg die Produktion laut dem Consejo Regulador del Tequila (CRT) auf 271 Millionen Liter im Vorjahr. Mit der Quantität ging in diesem Falle sogar eine Qualitätssteigerung einher – mit knapp 151 Millionen Litern hat der 100%-Agavenbrand die »Mixtos« nämlich mengenmäßig überflügelt. 80 Prozent der Produktion gehen heute ins Ausland. Sechs von zehn Flaschen werden in den USA getrunken. Deutschland ist mit 4,6 Millionen Flaschen ebenfalls ein wichtiger Markt, wogegen Österreichs 45.835 Flaschen sogar weit hinter der kleineren Schweiz (Jahreskonsum 2017: 112.306 Flaschen) liegen.
Allerdings ist der Anteil der »Puro agave«-Destillate – knapp 60 % – in den deutschsprachigen Ländern nirgendwo so hoch wie in Österreich. Das mag auch an der Arbeit Hans-Peter Eders liegen, der den einzigen »Austro-Tequila« erzeugt. »Padre Azul« mit den markanten Totenkopf-Stopfen – »ein Symbol für Freundschaft über den Tod hinaus« – entstand in Koproduktion mit Brenner Kim Albarrán, den Eder über seine mexikanische Gattin Adriana Álvarez Maxemin kennenlernte. Seit heuer hat Eder mit dem »Xiaman« einen Mezcal im Programm, der jeweils zur Hälfte die Wildagave Tepextate und die kultivierte Art Espadín (76 % aller Mezcals stammen von ihr) nutzt.
Eine andere Mexiko-Connection führt nach Regensburg, wo »Dr. Sours« sich vor allem dem Mezcal verschrieben hat. Manuel Weißkopf und Sol Sours begannen 2015 von Mexico City aus, die ersten Bar-Bitters auf Mezcal-Basis zu vertreiben. Das ungewöhnliche Sortiment der 16 Geschmacksrichtungen wurde von Mexikos gastronomischen Aushängeschildern, wie etwa dem Restaurant »Pujol« oder der weltbekannten Bar »Limantour«, gelistet. Mittlerweile hat man nach der Mezcal-Linie »MZCL« aus der Espadilla-Agave den nächsten Brand am Start: Raicilla gilt als der blumigste Vertreter der Agavenbrände – die Estancia Raicilla in der Sierra Madre Occidental verwendet dafür die Sorte Maximiliana. Der Bar »blüht« in den nächsten Jahren also noch einiges aus Mexikos Agaven.


Was sind eigentlich Tequila & Mezcal?

Tequila ist die bekannteste Form des Agavenbrandes Mezcal, der aus dem Fruchtfleisch der Agave hergestellt wird. Die Blätter werden abgeschlagen, nur der ananasförmige Kern der Pflanze wird geerntet, gekocht und danach zu einem Brei zerstoßen. Der entstandene Brei wird mit Hefe und, sofern es sich nicht um einen Mezcal aus 100 Prozent Agave handelt, auch mit Zucker vermischt und dann mehrere Tage lang in großen Stahlwannen fermentiert. Dabei muss der Anteil der Agave nach gesetzlicher Vorgabe mindestens 51 % betragen.
Wie beim Tequila unterscheidet man auch beim Mezcal zwischen Blanco, Reposado und Añejo. Die Bandbreite des Agavenbrands aus den Bundesstaaten Durango, Guanajuato, Guerrero, Michoacán, Oaxaca, Puebla, San Luis Potosí, Tamaulipas und Zacatecas ist aber höher. Denn eine Reifung in Glas-Gebinden (als »Madurado en vidrio« am Etikett ange­geben) ist ebenso möglich wie die Aromati­sierung. Erfolgt diese nach dem Destillieren – etwa mit Orangen oder Mango, aber auch dem berüchtigten »Wurm« eigentlich einer Schmetterlingsraupe –, heißt das »Abocado con«.
Besonders gesucht ist aber eine Untergruppe der »Destilado con«-Mezcals. Sie bezeichnet aromagebende Zutaten während des Destillierens. Für einen »Pechuga«, ursprünglich eine dreifach destillierte Art »Festtags-Mezcal«, sind dies neben Früchten wie Mango traditionell die Brüste von Hühnern oder Truthähnen.


George Clooneys Milliardendeal

Foto beigestellt

Manchmal können auch Milliarden­gewinne eher zufällig entstehen. So wie beim Verkauf von George Clooneys Tequila »Casamigos« an den britischen Großkonzern Diaego um immerhin eine Milliarde Dollar. Der Deal sorgte im Vorjahr weltweit für Schlagzeilen. Die Vorgeschichte: Clooney und zwei seiner Freunde (Rande Gerber, Ehemann von Cindy Craw­ford, und der Immobilien-Investor Mike Meldman) gründeten vor fünf Jahren eine Tequila-Firma. Warum? Weil Clooney, Meldman und Gerber an der mexikanischen Pazifikküste Häuser haben und früher oft zusammen in Bars he­rumhingen und viel Tequila tranken. Bis einer auf die Idee kam, doch einen eigenen zu produzieren. Das taten sie dann auch. Davon wollte Clooney einmal 1000 Flaschen mit nach Großbritannien bringen, doch für so eine Menge braucht man eine Lizenz. Und so entstand die Spirituosenmarke »Casamigos«.


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Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2018

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Roland Graf
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