© Glenmorangie

Tasting: Glenmorangie Spìos

Falstaff durfte beim »Virtuellen Live Tasting« der neunten Abfüllung der Private Edition die neueste Kreation von Glenmorangie verkosten.

Eigentlich ist 16.00 Uhr eine seltsame Zeit um sich in der mondänen Eden Bar unweit des Stephansdoms einzufinden, es sein denn, Glenmoranige lädt zum »virtuellen Live Tasting« der neunten Abfüllung der Private Edition mit Dr. Bill Lumdsen. Zum Glück war das Tasting real, der virtuelle Part bezieht sich auf die Live Schaltungen nach Schottland, wo der experimentierfreudige Master Blender, der von seinen Mitarbeitern Dr. Bill genannt wird, durch das Tasting führte und so Whiskyenthusiasten in Wien, Johannesburg und Tel Aviv gleichzeitig seine neueste Abfüllung präsentieren konnte. Die Private Edtition ist ein Liebkind Lumdsens, der diese Experimente, wie er sie selbst bezeichnet, dazu verwendet besondere Fasstypen mit Glenmorangie zu verbinden. Man erinnere sich an die achte Edition, bei der ausgewählte Madeirafässer zum Einsatz gekommen waren. 

Spìos, das heißt Gewürz!

Die Ideen zu seinen Private Editions kommen manchmal eher zufällig, so auch für Spìos. Ein Besuch des legendären Whisky- und Bierschriftstellers Michael Jackson in der Brennerei am Ende der 1990er Jahre war hierfür ausschlaggebend. Jackson, auch ein profunder Kenner der amerikanischen Whiskeyszene, schwärmte von Rye Whiskey, also sehr würzigen Sorten mit extrem hohem Roggenanteil, die damals allerdings einem größeren Publikum unbekannt waren. Umso mehr nahm sich Bill Lumdsen der Herausforderung an und versuchte eine ausreichende Anzahl an gebrauchten Ryefässern zu finden, was fast zehn Jahre dauerte.
Die neunte Private Edition mit dem klingenden, gälischen Namen Spìos, was übersetzt Gewürz bedeutet, nimmt auch von der Vorgehensweise eine Sonderstellung in der Reihe ein. Anstatt einen standardmäßig in ehemaligen Bourbonfässern gelagerten Malt zur Nachreifung in andere Fässer – in diesem Fall Rye Whiskey – umzufüllen, beschloss Dr. Bill eine andere Vorgehensweise. Er ließ frisch destillierten »New Make« in die Fässer füllen, der nun die ganze Reifezeit in ihnen verbrachte. So konnte der Geschmack des Rye mit 95 Prozent Roggenanteil, der vorher sechs Jahre lang in den Fässern war, optimal genutzt werden. Zwar hat die Abfüllung keine Altersangabe, die zeitlichen Eckpunkte lassen aber den Schluss zu, dass ein sieben bis achtjähriger Whisky enthalten ist.

Eine außergewöhnliche Liason

Das Ergebnis ist ein ausgesprochen würziger Whisky, zumindest für einen Scotch Single Malt, der deutliche Charakteristika des Reifungsfasses angenommen hat. Eine überaus interessante Liaison zweier Whiskykulturen. Auch wenn puristische Fans des klassischen Glenmorangie die geliebte Typizität nicht sofort finden, ist eine charaktervolle Eigenständigkeit vorhanden, die in der Private Edition Serie Tradition hat.

© Glenmorangie

Tasting Notes:
Die schimmernde Farbe ist etwa dunkler, als bei Glenmorangie »The Original«. Schon in der Nase dominieren Noten, die mit Rye assoziierbar sind. Frische Kräuter, etwas mentholisch, ein Hauch von gesalzenem Karamell und Mandarinenschalen. Am Gaumen geröstete Maroni und ein ganzer Gewürzstrauß, im Finish kommen Marzipan, Vanillemark und mit der Zeit getrockneter Ingwer heraus. Spannend ist die deutliche Note von Chili im Abgang, wenn man etwas Wasser hinzufügt. Diese Note kann man gut verstärken, in dem man ein Praline mit dunkler Schokolade (mit Chilifäden) dazu probiert: 93 Punkte

Erhard Ruthner
Erhard Ruthner
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