Authentisches Streetfood wird immer öfter drinnen serviert.

Authentisches Streetfood wird immer öfter drinnen serviert.
© Underdocks

Streetfood Restaurants

Die fliegenden Händler werden immer häufiger sesshaft, statt Foodtruck oder Pop-up darf es jetzt das fixe Ladenlokal sein. Wie man heute mit Streetfood erfolgreich ist: Konzepte aus Hamburg, Berlin und Wien im Vergleich.

Tacos mit Mezcal, Pitas mit Sauerkraut und Grillhühnchen, Maki mit Zander und Lobster Roll – klingt gut und ist es auch, da speziell, anders und stimmig. Streetfood ernährt die Welt, laut einer Studie der FAO aus dem Jahr 2007 ernähren sich 2,5 Milliarden Menschen täglich vom günstigen Essen, das zumeist direkt vor den Augen der Kunden angefertigt wird. Der »Street Food Report 2016« (London) ergab, dass etwa 25 % der Interviewten 2-3 Mal die Woche ihr Essen – meist den Lunch – auf der Straße beziehen. Befragt wurden wohlgemerkt Menschen auf Street Food Märkten. Veränderte Essgewohnheiten, kürzere Mittagspausen, die Gier nach Neuem – die Gründe für den Streetfood-Boom auch in kälteren Gefilden liegen auf der Hand. Jetzt kommt das große »Aber«: das Wetter spielt oftmals nicht mit und die teils horrenden rechtlichen Auflagen taugen auch nicht gerade, um die Herzen zu erwärmen. Also, was tun? Die Antwort der Macher lautet immer häufiger: sesshaft werden, ein Ladenlokal beziehen und den Streetfood-Charakter anderweitig ausleben. Ja, das geht – und kann durchaus authentisch wirken, wie man schnell feststellt. Wer die Konzepte der Gastro-Gründer studiert, stellt alsbald interessante Parallelen fest.

A) Die Idee wurde zuerst via Pop-up getestet,
B) die Eigentümer sind Quereinsteiger und
C) internationale Gerichte werden mit regionalen Spezialitäten neu aufgemischt.

Für B) gibt es eine Erklärung von Ursula Leyva, Gründerin des »el Feo« in Wien: »Im Streetfood-Bereich bietet sich das Quereinsteigen an, da es hier keine Tradition in Österreich gibt. Klassische Gasthäuser sind dagegen schon etabliert, da braucht es keine Quereinsteiger.« Die Mezcaleria/Bar/Taqueria, die Leyva zusammen mit zwei Geschäftspartnern führt, wurde 2018 prämiert – beim »Deutscher Gründer Preis«. Nicole Scheplitz vom Award-Ausschreiber »orderbird« (gemeinsam mit dem Leaders Club Deutschland und der Internoga-Messe) bringt einen weiteren Aspekt ein: »Fastalle Quereinsteiger haben einmal gekellnert oder in einemverwandten Bereich Erfahrung gesammelt.« Und weiter: »Viele der Teilnehmer starten mit einem mobilen Konzept, testen den Markt und erschließen sich eine begeisterte Fanbase. Wir beobachten, dass mobile Ideen nach und nach Geschäftslokale erobern. Oft ist der Deutsche Gastro-Gründerpreis ein Booster.« Der Kassensystem-Anbieter orderbird ist selbst 2013 als Start-up ins Rennen gegangen, man weiß daher um die Bedeutung von Newcomer-Awards Bescheid. »Da wir die Entwicklung seit gut sechs Jahren verfolgen, können wir sagen: die Konzepte kommen gut an und etablieren sich. Oft entstehen ganz eigene Interpretationen, die kulinarisch wie gastronomisch spannend sind.« Womit wir bei Punkt C) der Checkliste angekommen wären. Das »neu aufmischen« von Altbekanntem. KARRIERE umreißt 5 dieser Konzepte im Schnelldurchlauf.

Nachos von »el Feo« sind anders – besser.
© Paul Vincenth-Schütz
Nachos von »el Feo« sind anders – besser.

Underdocks – Hamburg

Und »platsch«, drauf ist die Mayonnaise auf dem Lachs. Ein Anblick, der Burhan Schawichund Samet Kaplan geschmerzt hat. Gourmet-Fisch-Fastfood, so die Idee der beiden Hamburger. Die Stadt ist voll von Burgerlokalen, was in den Augen der beiden Kreativen irgendwie unlogisch ist. Was bringen die Kutter morgen in den Hafen? Buns und Rinder? Nein, Krabben und Fisch. »Das ist Hamburg!« sagen die zwei und starten mit einem Pop-up, um ihre »Fischbrötchen 2.0« einem Markttest zu unterziehen. Signature-Gericht bis heute: die »Rolls«, der Grundstein der Entstehungsgeschichte. »Wir wollten ein Zwischensegment schaffen – günstiger und schneller als im Restaurant, aber stilvoller als in der Fischbude.« Gourmet-Streetfood eben, 100 % hausgemacht. Obwohl komplett nach drinnen verlegt 
(Take-Away-Rate 5%) ist der Streetfood-Charakter allgegenwärtig. »Wir haben den Laden so aufgebaut und gestaltet, dass der Gast das Gefühl hat, am Hafen zu sitzen.« Und zwar in St. Pauli. Eine clevere Idee, die auch beim Gründerpreis prämiert wurde. »Die Auszeichnung hat uns viel Kraft gegeben zu einem Zeitpunkt, als die Reserven aufgebraucht waren.« 

»Underdocks« kreieren das »Fischbrötchen 2.0«.
© Underdocks
»Underdocks« kreieren das »Fischbrötchen 2.0«.

El Feo – Wien

Mezcaleria/Bar/Taqueria, gegründet von einem Dreiergespann: Ursula und Daniel Varela Leyva, sowie Alberto Ortega Cesena. Getroffen hat man sich in Tijuana, zurück in Wien dann das blanke Entsetzen ob des Angebots – bzw. Nicht-Angebots – an mexikanischem Streetfood. Kurzum wurden aus Grafikdesigner/Fotograf, Marketing-Expertin und Ingenieur »los Feos« – gekommen, um den Wienern authentisches nordmexikanisches Streetfood näher zu bringen. Wobei die Geschichte mit Mezcal begann – und einem »Tschecherl« (Anm.: ein einfaches Gasthaus) neben dem heutigen »el Feo« in einem der inneren Wiener Bezirke. So wurde der Umbau des heutigen Lokals finanziert und so gewann man ein Stammpublikum, dem à la longue auch die Tacos näher gebracht werden konnten. »Ein klassisches Restaurant war nichts für uns, das fühlte sich nicht richtig an«, erklärt Leyva. Derzeit arbeitet das Team noch ohne Personal, abgesehen von Leyvas Brüdern. Dafür ist ein eigener Mezcal in Planung und ein Tacostand am Gürtel (Anm.: eine der am stärksten befahrenen Landesstraßen Europas, führt mitten durch Wien) schwirrt ebenfalls im Universum der Möglichkeiten herum. Das wäre dann auch wieder Streetfood im klassischen Sinn, die Take-Away-Rate in der Taqueria ist recht gering. Tacos eignen sich dafür nicht so wirklich. »In Mexiko werden die Bestandteile in Unmengen von Plastik verpackt, das wollten wir nicht. Menschen aus der direkten Nachbarschaft kommen aber manchmal 
mit dem eigenen Geschirr und nehmen sich das Essen mit«, lacht die Gründerin. 

Daniel und Ursula Varela Leyva sowie Alberto Orega Cesena, die »el Feos«.
© Paul Vincenth-Schütz
Daniel und Ursula Varela Leyva sowie Alberto Orega Cesena, die »el Feos«.

»In Mexiko werden die Bestandteile in Unmengen von Plastik verpackt, das wollten wir nicht. Menschen aus der direkten Nachbarschaft kommen aber manchmal mit dem eigenen Geschirr und nehmen sich das Essen mit.« 
Ursula Varela LeyvaGründerin »el Feo«

Hungry Guy – Wien

Die Nahost-Küche boomt – das merkt man im urbanen Raum zwangsläufig. »Wir sind das einzige Lokal mit eigener Pita-Bäckerei«, streicht Ralf Kober, zuständig für Marketing und PR bei »Hungry Guy«, heraus. Das Restaurant ist benannt nach seinem Gründer: Eyal Guy, geboren in Tel Aviv, 
seit 1989 in Wien. Mit »Hungry Guy« verwirklicht er seine Idee einer multikulturellen Street Cuisine: 
hier trifft die Pita mit Sauerkraut und Grillhühnchen auf die Shawarma-Platte, dem meist verkauften Gericht des Fast-Service-Restaurants. »Fast Food«, will Kober so nämlich nicht stehen lassen. »Die Zubereitung der Gerichte dauert ab Bestellung 5 bis 10 Minuten, in Stoßzeiten natürlich auch mal ein bisschen länger.« Die Lage des »Hungry Guy«: exponiert, im schicken 1. Wiener Gemeinde-bezirk. Da kostet das halbe Grillhuhn dann auch mal 7,60 Euro. »Die zentrale Lage, das professionelle 30-köpfige Team für eine 7-Tage-Woche und Zutaten von höchster Qualität haben nun mal ihren Preis. Vor allem unsere internationalen Gäste sind mit der Kalkulation sehr zufrieden.« Der Pita-Plan geht auf, der Trend ist, so Kober, ungebrochen. »Die Menschensuchen spannende und gesunde Alternativen zu Würstel und Hamburger, das können wir bieten.« Im Mai dieses Jahres eröffnete Guy den ersten Ableger, eine Hummusbar, ebenfalls im 1. Bezirk. Auch ein Foodtruck ist nicht ganz abwegig, wie Kober verrät. »Wir haben sehr hohe Ansprüche an die Zubereitung,das müsste auch bei einem Foodtruck gewährleistet sein. Noch sind wir hier nicht am Ziel.«

Im »Hungry Guy« werden Nahost-Küche mit traditionell österreichischer kombiniert.
© Hungry Guy
Im »Hungry Guy« werden Nahost-Küche mit traditionell österreichischer kombiniert.

Kantini – Berlin

Ganz etwas anderes – ein Mix aus Food-Court und Straßenmarkt à la Bangkok. Oder eher à la Palm Springs, denn der kalifornische Ort war Inspiration für das pastellige Interieur. Was die Macher des »Kantini« (im »Bikini Berlin«) hier auf die Beine gestellt haben, spielt in einer eigenen Liga, eine Nummer größer als das, was man so kennt. Eine Win-Win-Situation für alle. Shopping-center suchen gezielt nach Gastronomen, die Besucher anziehen und Gastronomen suchen nach Standorten, an denen sie sesshaft werden können, ohne gleich ein Restaurant schmeißen zu müssen. 13 Restaurants – von bereits etablierten bis hin zu Start-ups – sind mit von der Partie, dazu zwei Pop-ups, die jeweils sechs Monate bleiben. »Trends kommen und gehen, daher ist es uns wichtig, dass alle Gastronomie-Konzepte ineinander greifen, sich ergänzen und nicht miteinander konkurrieren«, erklärt Antje Leinemann, Geschäftsführerin »Bikini Berlin«. Gerade in einer Stadt wie Berlin kein leichtes Unterfangen. Kann denn hip sein, wofür man nicht ewig anstehen muss? Kann denn gut sein, was man einfach so am immer selben Ort findet? Die Zeit wird es zeigen, Leinemann weiß natürlich um die Vorreiterrolle, die das »Bikini Berlin« inne hat und die es zu verteidigen gilt. 

Das »Kantini« im »Bikini Berlin« ist ein innovatives Gastronomie Konzept.
© Franz Brück
Das »Kantini« im »Bikini Berlin« ist ein innovatives Gastronomie Konzept.

Miss Maki – Wien

Maki Rollen, Sushi Burritos, Dim Sum und Poké Bowls – klingt trendy, ist es auch. Ein Konzept, das sich so auch in Paris oder London finden würde? Wohl kaum, denn Anna Kleindienst sorgt für den Twist, der das Ganze besonders macht. So wird die Mochi-Roll zur »Mohn-Powidl«-Roll und Lachs zur Lachsforelle, Thunfisch zu Zander und Lachskaviar zu Saiblings-Kaviar. »Wir verwenden ausschließlich österreichische Fische. So können wir die Frische sichern und uns auf artgerechtes Handling verlassen.« Die junge Wienerin ist Quereinsteigerin. BWL-Studium, Schwerpunkt Marketing, danach Beauty-Branche. Die Idee zu »Miss Maki« im Epizentrum Wiens kam ihr in Asien, mit dem Angebot des hawaiianischen Nationalgerichts Poké Bowl war sie in Österreichs Hauptstadt früher dran, als die anderen. Kleindienst hat sogar noch einen anderen Trend ins Konzept mit rein verpackt: Personalisierung. An der »Make-it-yourself«-Theke stellt sich der Kunde Bowl oder Sushi Burrito nach den eigenen Vorlieben zusammen. Dass die Wiener die Idee goutieren zeigt die Eröffnung eines zweiten Laden – das »Love, peace & Poké« ist »Wiens 1. Poké-Shop« und in einem großen Einkaufscenter zu finden. »E’ai kaua« – was soviel heißt wie »Guten Appetit« auf hawaiianisch. 

Sushi Burrito, Poké Bowls und Maki Rollen der anderen Art findet man bei »Miss Maki« in Wien.
© Miss Maki
Sushi Burrito, Poké Bowls und Maki Rollen der anderen Art findet man bei »Miss Maki« in Wien.

Artikel aus Falstaff Karriere 04/2018.

Nicola Afchar-Negad
Autor
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