Straight Bourbon, Rye und White Dogs

Jahrelang war Bourbon ein No-Name-Produkt und wurde selbst in den USA nur milde belächelt, doch nun wendet sich das Blatt.

Es gibt vermehrt Sonderabfüllungen auf dem Markt und eine stetig steigende Anzahl an Micro-Distilleries, die sich auf das Whiskeybrennen verlegen. Allen Katz, einer der bekanntesten US-Spirits-Journalisten, hat voriges Jahr eine eigene Destillerie mitten in Manhatten eröffnet. In seinem Portfolio findet sich wie selbstverständlich auch Rye, die ursprünglichste Variante des amerikanischen Whiskeys. In jüngerer Vergangenheit waren solche Roggendestillate völlig verschwunden, jetzt erleben sie ein unerwartetes Revival. Selbst White Dogs kommen wieder in den Handel: Das sind blanke Destillate ohne jede Fasslagerung, die ein ganz eigenes aromatisches Profil aufweisen – süßlich, manchmal mit grasigen oder floralen Noten.

Bei Woodford Reserve ist man offen für Experimente, ob mit vier Hölzern oder mit Rye / Foto: beigestellt Warum es so lange gedauert hat, bis Whiskey wieder ernst genommen wurde, hat his­torische Gründe: Hätte in den USA nicht die dreizehn Jahre andauernde Prohibition, die 1920 im ganzen Land in Kraft trat, viele Brennereien zum Aufgeben gezwungen, wäre es denkbar, dass amerikanischer Whiskey heute an erster Stelle läge und nicht schottischer. Damals, während der »großen Trockenheit«, wurde in Wahrheit mehr getrunken als zuvor, allerdings mussten die Leute auf Scotch und Canadian umsteigen, womit sich auch die Geschmacksvorlieben änderten. Dave Broom führt in seinem empfehlenswerten »Whiskyatlas« zudem folgenden Grund an: »Vielleicht wäre es sogar gelungen, die Bevölkerung wieder an Rye und Bourbon zu gewöhnen, hätte der Zweite Weltkrieg nicht erneut zur Schließung der Produktion geführt. Danach war US-Whiskey praktisch ein Fremder im eigenen Land.«

Einigen wenigen Familien ist es zu verdanken, dass Bourbon & Co. überhaupt überlebten. Es sind Namen wie Samuel, Crow, Russel oder die Beams – deren Gründervater tatsächlich Jakob Böhm hieß –, die in teils weit verzweigten Dynastien untrennbar mit Whiskey verbunden sind. Einzig die Shapiras aber sind noch Eigentümer einer großen Des­tillerie – Heaven Hill. Diese Familien hatten oder haben großen Einfluss auf den Whiskey, denn anders als in Schottland kommt bei US-Whiskey kaum geografisches Terroir zum Tragen, entscheidend sind vielmehr die stilprägenden Leute dahinter.

Maker’s Mark ist ein Beispiel dafür, wie ein Stil mit Beharrlichkeit zu Erfolg gelangt, ohne die Qualität zu vernachlässigen oder modischen Trends zu folgen. Dieser Whiskey ist wie ein Monolith, er zeigt genau, wer er ist und wer er nicht ist. Jack Daniel’s hat eine ähnliche Geschichte, mit dem wesentlichen Unterschied, dass dieser aus Tennessee stammt und nicht aus Kentucky, wo die meisten Whiskey-Destillerien sitzen, und dass er über Holzkohle gefiltert wird – einst ein Versuch, fehlerbedingte Stoffe zu entfernen, heute ein technisches wie geschmackliches Markenzeichen.  Der »Gentleman Jack« wird sogar jeweils vor und nach der Reifung im Fass gefiltert. Ähnlich wie manche Cocgnacmarken ist Jack Daniel’s bei diversen US-Bands über die Maßen beliebt und zu einem ikonenartigen Markenzeichen geworden.

Jack Daniel’s stammt aus Tennessee und wird über Holzkohle gefiltert / Foto: beigestelltNeben den gesetzlichen Vorschriften, die Whiskey beeinflussen, sind vor allem die Getreidemischung, die Sauermaischung, der Alkoholgehalt sowie die hohen Temperaturen in den Lagerhäusern charakterformend. Mit diesen Parametern spielen sich die Masterdistiller auch weidlich – daraus entsteht die gegebene Vielfalt. Charakteristisch ist in der Regel ein hoher Maisanteil. Wie viel gemälzte Gerste oder Roggen oder auch Weizen zugegeben wird, ist Sache des Masterdistillers. Weil das Wasser in Kentucky und Tennessee relativ hart ist, wird sauer eingemaischt – von der alten Mashbill, der gemahlenen, gekochten und vergorenen Getreidemischung, wird ein Teil zur neuen gegeben, um einen pH-Wert zu erreichen, der eine stabile Vergärung erlaubt. Die meisten großen Destillerien besitzen einen oder mehrere Hefestämme zur Umwandlung des Zuckers in Alkohol, die sie teils seit Generationen wie ihren Augapfel hüten. Insbesondere die Lagerung in den heißen Warehouses ermöglicht einen völlig anderen Stil als den schottischen. Durch die Hitze werden die frischen Eichenfässer viel intensiver ausgelaugt als im kühlen, feuchten Schottland. Manche Destillerien verstehen sich exzellent darauf, Fässer aus verschiedenen Zonen der Lagerhäuser miteinander zu verschneiden. Manche Fässer werden innerhalb eines Zyklus sogar in die unterschiedlichsten ­Klimazonen der Lagerhäuser verfrachtet.

Mancher Whiskyfreund kann sich mit den US-Whiskeys nach wie vor nicht anfreunden. »Auf mich wirkt es seltsam«, sagt der Experte Helge Müller, »dass viele Fans in Schottland auf gewisse Art stecken bleiben, ohne Geschichte und Leute hinter diesem Destillat auch jenseits des Atlantiks zu würdigen. Wir sprechen immerhin von einer Periode von fast 300 Jahren. Geschichte manifestiert sich auch auf eine andere Art, etwa wenn Robert Birnecker seine akademische Laufbahn ­fahren lässt und mit seiner Frau in Chicago die Koval-Distillerie gründet und damit das Handwerk seines österreichischen Groß­vaters wieder aufnimmt. Die Birneckers ­gehören damit zu einer von über 150 Micro-Distilleries in den USA, von denen sicher noch zu hören sein wird.«


Four Roses Single Barrel / Foto: beigestelltVERKOSTUNGSNOTIZEN

93 Punkte
FOUR ROSES SINGLE BARREL
Kentucky Straight Bourbon
50 Vol.-%, 0,7 l, € 44,–
Engmaschig verwoben im Duft, süßlich, ­würzig und floral, dunkle Getreidenoten. Die tabakigen Noten setzen sich am Gau­men fort, deutliche getreidige Präsenz, vielschichtig und wieder mit grünlichen Akzenten.

93 Punkte
WOODFORD RESERVE
Aged Cask Rye Master’s Collection
46,2 Vol.-%, 2 x 0,35 l, € 100,–
Florale, grasige Noten im Duft, süßlich-getreidig, Anklänge an Hefe und Zitrus,
nussig-röstig, dunkle Würze im Hintergrund. Am Gaumen sehr kompakt und logisch, mit schön ausgeprägter dunkler, getreidiger Note sowie gut verwobenen, reifen Holzaromen.

93 Punkte
KNOB CREEK
Kentucky Straight Bourbon
50 Vol.-%, 0,7 l, € 51,–
Zimtige und frische Aromen im Duft, grasig, vanillig und würzig. Analog am Gaumen, mit viel Druck, der Alkohol ist dennoch gut eingebunden, dunkle getreidige Noten, Tabak, gute Länge.

92 Punkte
JACK DANIEL’S NO.1
43 Vol.-%, 0,7 l, € 33,–
Transparent und harmonisch im Duft, mit
Anklängen an Tabak, Karamell und Vanille, staubig, ätherisch. Spannender Mix aus Süße und getreidiger Würze, Aromen von Orangenzesten, Dörrfrüchten und Karamell.

92 Punkte
ELIJAH CRAIG 12 YEARS
Kentucky Straight Bourbon
47 Vol.-%, 0,7 l, € 33,–
Vielfältig im Duft, mit typisch süßlichen und karamelligen Noten, Zimt, Ingwer, grasig. Süß­lich und würzig am Gaumen, der Alkohol ist gut eingebunden, wieder viel dunkle Aromatik.

92 Punkte
FOUR ROSES SMALL BATCH
Kentucky Straight Bourbon
45 Vol.-%, 0,35 l, € 39,–
Sehr offen und schön verwoben im Duft, ­frische ätherische Aromen, grasige und vegetabile Noten. Analog am Gaumen, wieder viel Frische, die auch an Ingwer erinnert, dahinter die typischen Aromen des Eichenfasses.

91 Punkte
JACK DANIEL’S SINGLE BARREL
45 Vol.-%, 0,7 l, € 37,–
Frische Feigen, Karamell und dunkle, brotige Aromen im Duft, schöner Mix aus Süße und Würze. Analog am Gaumen, vegetabilen Aromen, Anklänge von Paprikaschoten und frisch geschnittenem Gras, dunkle, getreidige Würze im Abgang.

91 Punkte
MAKER’S MARK
Kentucky Straight Bourbon
45 Vol.-%, 0,7 l, € 30,–
Authentisch und logisch im Duft, süßlich, mit den typischen Aromen des Eichenfasses, Vanille und Karamell. Auch am Gaumen sehr kompakt und geradlinig, anhaltend und von schöner, würzig-getreidiger Note getragen.

90 Punkte
EVAN WILLIAMS
Kentucky Straight Bourbon
43 Vol.-%, 0,7 l, € 25,–
Das Duftbild ist geprägt von dunklen, würzigen Noten, auch süßlich, tabakig und holzig. Konsequent am Gaumen, mit eher dunklen Getreidearomen, auch eine Spur grasig und würzig im Abgang.

BURBON-INFO
»Kentucky Straight Bourbon« bedeutet: Das Destillat muss einen Maisanteil von mindes­tens 51 % aufweisen, darf nicht auf mehr als 80 % gebrannt werden, muss ­mindestens zwei Jahre in einem neuen, ­getoasteten ­Eichenfass lagern und darf mit nicht mehr als 62,5 % Alkohol in dieses ­eingefüllt werden. Die Brenner der meisten großen Marken destillieren auf großen Gegen­strom­kolonnen. Wird auf Pot-Still gebrannt, so wird das meistens ausgewiesen.
»small batch« bezeichnet eine kleine Charge und ist ein Hinweis auf Pot-Still.
»100 proof«: Anders als die britischen Proof-Angaben teilt man die US-Proof einfach durch zwei, um auf die bei uns üblichen Volumenprozent zu kommen.
»craft distillery«: So wird eine handwerklich betriebene Brennerei bezeichnet.

Text von Peter Hämmerle
Aus Falstaff Nr. 06/2013 und Falstaff Deutschland Nr. 05/2013

Peter Hämmerle
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