Stippvisite am Steppensee

Der Neusiedler See lockt Urlauber und Ausflügler mit südlichem Flair, mildem Klima und kulinarischer Vielfalt.

Gerhard Windholz vom Gasthaus »Zur Alten Mauth« südlich von Neusiedl am See ist ein Wirt, der größten Wert auf kurze Transportwege legt. Direkt hinter dem Haus fristen zottelige Mangalitza-Schweine bis zu ihrer Schlachtung vor Ort ein sorgenfreies Dasein. Die Tiere werden direkt im Betrieb verarbeitet und landen als Schnitzerl, Kotelett, Schinken, »Blunzn« oder Bratwurst auf dem Teller. Das Flair ist bodenständig-rustikal, die Küche aber erstaunlich vielfältig: Auf der Karte finden sich Schneckengulasch und gebackene Kutteln ebenso wie Kardinalschnitten. Wie alle anderen pannonischen Schmankerlwirte legt Windholz aber nicht nur beim Mangalitza-Schwein Wert auf die Herkunft, er arbeitet beim Bezug der Lebensmittel auch ausschließlich mit Lieferanten aus der näheren Umgebung.

Ein Vordenker auf dem Gebiet der Verwendung regionaler Zutaten ist Fritz Tösch, der ­Patron des »Nyikosparks« in Neusiedl. Küchenchef Sascha Huber würzt die traditionelle pannonische Küche mit modernen Elementen und verwendet regionale Produkte wie Neusiedler-See-Zander oder Seewinkler Steppenrind von den entsprechenden »Genuss Regionen«. Auch das riesige Weinangebot hat natürlich einen lokalen Bezug und beinhaltet unter anderen köstliche Tropfen vom Leithaberg, vom Hang der Parndorfer Platte oder aus dem Seewinkel. Wer den Weinen unbeschwert zusprechen möchte, der kann sich gleich im gegenüberliegenden ­Gästehaus einquartieren. Generell sind alter­native Fortbewegungsmittel wie Fahrrad oder Schiff sehr empfehlenswert. Rund um den See führt ein beliebter Radwanderweg, und mit schwimmenden Untersätzen kann man die nicht zu unterschätzenden Entfernungen oft rascher zurücklegen als mit dem Auto.

Neusiedler-See- Zander im »Nyikospark« / Foto: BMLFU, Rita Newman

Einen Überblick über das vinophile Angebot des Burgenlands verschafft eine der Weinbars oder Vinotheken rund um den See. Das »Weinwerk« in Neusiedl ist gleichzeitig Veranstaltungszentrum, und die neu eröffnete »Selektion Vinothek« beim Schloss Esterházy in Eisenstadt beherbergt ein Sortiment von 600 Weinen.
Direkt am nördlichen Seeufer liegt die populäre »Mole West«, die mit der Holzterrasse und den Bootsanlegestellen nicht nur viel mediterranes Ambiente vermittelt, sondern auch kuli­narisch einen Umweg wert ist. Südöstlich von Neusiedl liegt Weiden, das kulinarisch lange Jahre vor allem als Heimatgemeinde der »Blauen Gans« bekannt war. Vor über einem Jahr wurde der Hort anspruchsvoller Kulinarik allerdings ein Raub der Flammen. Das Restaurant wie die darüber gelegene Bar »Club 119« wurden wieder aufgebaut und werden seit Anfang Mai von Oliver Wiegand bekocht.

Wer seine Reise gen Osten fortsetzt, passiert einige schlichte Steckerlfisch-Hütten am Rande der Bundesstraße und kommt nach Gols, in die größte Weinbaugemeinde Österreichs. Dort sind einige der besten Winzer des Landes zu Hause, die ihrerseits anspruchsvolle Feinschmecker sind. Einer der Lieblingsköche der Winzerszene ist Dimitri Martini mit seiner Osteria »L’Altro Vino«, die mittlerweile auf dem Gutshof Paulahof vor Nickelsdorf untergebracht ist.

Der gemütliche Garten des »Gasthauses zur Dankbarkeit« / Foto: beigestellt

Das »Gasthaus Zur Dankbarkeit« ist ein Schmuckstück österreichischer Wirtshauskultur  und liegt im Badeort Podersdorf. Wirt Josef Lentsch ist ein aufmerksamer und humorvoller Gastgeber, die Schank ist rustikal, wie es sich für ein richtiges Wirtshaus gehört, und der Gastgarten ein traumhafter Ort für laue Sommerabende. Die Ausrichtung der Küche erfolgte schon lange vor dem breiten Trend nach dem regionalen und saisonalen Angebot, dafür macht die Weinkarte aber nicht an der Grenze des Burgenlandes halt. Ein hinreißender Klassiker ist die »Jiddische Hühnerleber«, die man nicht ohne eine verführerische Trockenbeerenauslese aus dem Seewinkel genießen sollte. Lentsch ist selbst leidenschaftlicher Weinbauer und neben Süßweinen vor allem für finessenreiche Burgunder bekannt.

Der Nationalpark Neusiedlersee-Seewinkel ist ein paradiesisches Rückzugsgebiet für 300 zum Teil bedrohte Vogelarten und viele weitere Tiere und Pflanzen. Er beherbergt aber auch einladende Heurige, hervorragende Weinbaubetriebe und empfehlenswerte Unterkünfte wie die St. Martins Therme bei Frauenkirchen, das Vila Vita Pannonia Resort bei Pamhagen und das Hotel Nationalpark in Illmitz.
Am westlichen Seeufer stranden die letzten Ausläufer der Alpen, und mit der Seehöhe steigt auch das kulinarische Niveau. Kapitän Walter Eselböck steuert mit seinem Taubenkobel das seit über einem Vierteljahrhundert unangefochtene kulinarische Flaggschiff des Burgenlandes. Ihm zur Seite stehen Ehefrau und Sommelière Eveline und seit Kurzem auch Schwiegersohn Alain Weissgerber, der ehemalige Pächter der »Blauen Gans«. Seit heuer wird im »Relais & Châteux«-Haus gänzlich auf eine Speisekarte verzichtet und noch mehr Wert auf regionale Lieferanten gelegt. Der »Taubenkobel« ist aber nicht nur das beste ­Restaurant des Burgenlandes, auch die individuell eingerichteten Zimmer sind sicherlich die schönsten weit und breit. Der andere Schwiegersohn heißt Eduard Tscheppe, kommt aus der Südsteiermark und betreibt mit seiner Frau Stephanie das Gut Oggau, ein biodynamisch geführtes Weingut, das während der Sommermonate mit einem feinen Heurigen verführerische Akzente setzt.

»Gut Purbach« – Geheimtipp für Gourmets / Foto: beigestellt

Max Stiegl verwendet in seinem »Gut Purbach« in der gleichnamigen Ortschaft Kräuter aus dem eigenen Garten und bereitet frische ­Fische aus dem See zu. Landesweit bekannt ist der hochdekorierte Koch allerdings für seine Innereienküche. Gemeinsam mit dem Falstaff-Gourmetclub hat er beispielsweise elfgängige Innereienmenüs in Tapas-Portionsgröße zubereitet, von Lammnieren über Kuheuter bis zu Lammzungen. Nicht ganz so einhellig fiel die Zustimmung der Gourmetclub-Tester bei der »Seejungfrau« in Jois aus: Das polarisierende Lokal hat jetzt neue Betreiber, die sich viel ­vornehmen, aber vorerst kaum neue Akzente setzen. Die Preisgestaltung könnte man wohlwollend als selbstbewusst bezeichnen, das kulinarische Angebot ist überschaubar und konventionell, die Qualität ist solide. Aber die ­Gäste lieben ihre »Seejungfrau« auch nicht wegen der Küche, sondern vor allem wegen ihres mediterranen Flairs und der bevorzugten Lage direkt am See.

Restaurants, Hotels, Vinotheken - Die Hotspots am See

Text von Bernhard Degen

Aus Falstaff Nr. 4/2011

Bernhard Degen
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