In der Cocktailszene begibt man sich »back to the roots«: Alte Rezepturen, beste Zutaten, hochwertige Alkoholika werden verwendet. Mit drei Rezepten zum Nachmixen!
Nicht nur bei den verwendeten Alkoholika achten Barkeeper heute auf Qualität, auch Sirups werden selbst gemacht und Säfte frisch gepresst / Foto: iStock
Es ist unglaublich, wie viele junge, motivierte und bereits sehr gut ausgebildete Bartender es heute gibt. Zu meiner Zeit waren die Leute noch weit von diesem Level entfernt«, sagt Klaus Stephan Rainer von der »Goldenen Bar« in München. Es gibt einen klaren Trend zur Professionalisierung in der Cocktailszene. »Die strenge Neoklassik der vergangenen Jahre war wichtig, um nun wieder offener werden zu können, sie hat eine gute Basis geschaffen«, so Rainer. Offen ist die Barszene in der Tat für viele Tendenzen. »Die Richtung wird nicht mehr nur von den großen Spirituosenkonzernen vorgegeben«, meint Angus Winchester, einer der international bekanntesten Bartender, »es bilden sich auch autonome Entwicklungen wie die Fokussierung vor allem amerikanischer Bartender auf Rye Whisky, echten Roggenwhisky, der bisher dem Namen nach, aber nicht in wirklich guter Qualität existierte.«
Limette / Foto: iStock
Revival alter Rezepturen Viele Bartender beleben schöne, alte Cocktailrezepturen wieder. Man spricht von Prohibition Drinks und meint damit nicht unbedingt jene Zeit, als in den USA der Handel von Alkohol untersagt war, sondern einfach alte Rezepturen. »Sazerac« etwa, ein sehr alter Drink auf der Basis von Cognac und Peychaud’s Bitter, erlebte 2008 ein besonderes Revival, als die Stadt New Orleans – das Mekka der Cocktails – ihn zu ihrem offiziellen Drink ausrief.
Auch Erich Wassicek von der Bar »Halbestadt« in Wien ist ein Liebhaber alter Drinks und recherchiert vorzugsweise in klassischer Literatur wie dem »Savoy Cocktail Book«. Die Karte des »Halbestadt« besteht weitgehend aus wiederentdeckten Drinks, auch sein »Red Basil Smash« geht auf eine Rezeptur des ausgehenden 19. Jahrhunderts zurück. Und in noch einer Hinsicht ist Wassicek Traditionalist: »Ich arbeite nicht gerne mit Sirups oder Säften, ich finde es fantastisch, wie gut Alkohol für sich allein schmecken kann, etwa im Zusammenspiel mit Wermut oder Bitter. Diesen unmittelbaren Eindruck will ich nicht durch anderes verwischen.« Damit spricht er zwei weitere aktuelle Trends an: Die Zeiten, als Angostura der einzige Bitter einer Bar war, sind vorbei, und Vermouth erlebt eine Renaissance.
Roter Basilikum / Foto: Corbis
Kräuter und Gewürze im Fokus Viele von Wassiceks Kollegen verwenden zwar Sirup und Säfte – allerdings selbst gemacht beziehungsweise frisch gepresst. Wobei die Dominanz von Früchten in den modernen Bars weitgehend einer Vorliebe für Kräuter und Gewürze gewichen ist. Auch Christian Ebert von der Wiener Barschule und Angus Winchester sehen diesen Trend. »Plötzlich sind Zutaten wie Gurken, Basilikum, Pfeffer, Kardamom oder gerade auch Zitronenverbene in Mode. Alles muss jedenfalls von erster Qualität und zweifelsfrei ganz frisch sein«, erklärt Ebert. Dass Timo Janses für den »Mountain Club« Kardamom, selbst gemachten Ananassirup, aber auch Pfeffer verwendet, bestätigt diesen »würzigen« Trend.
Immer öfter werden Destillate wie Wodka von gutem Gin, Whisky oder Rum verdrängt. »Die Leute sind draufgekommen, dass Wodka die Eigenschaft hat, neutral zu sein, und dass der durchschnittliche Konsument angebliche Topprodukte kaum von anderen unterscheiden kann«, sagt einer, der es weiß, es jedoch vorzieht, anonym zu bleiben.
Der deutsche Cocktailmeister 2010, Stephan Hinz vom »Shepheard« in Köln, geht in seinem Qualitätsbewusstsein sogar so weit, dass er seine Sirups selbst herstellt und auch Alkoholika selbst aromatisiert. Und zwar durch Barrel-Aging: Cocktails werden auf Vorrat gemixt und in Glasflaschen oder auch kleinen Holzfässern einige Wochen gelagert, um sie dann bei Bedarf als Zutat für einen Drink zu verwenden. Hinz macht etwa aus einem »Aged Negroni« einen »Sparkling Negroni«, indem er ihn mit Soda ergänzt.
Eiswürfel / Foto: iStock
Mit besten Zutaten experimentieren Die neue Lust am zwanglosen Experimentieren mit besten Zutaten inspirierte Klaus Stephan Rainer beispielsweise dazu, mit dem »Padovani« zu spielen. Heraus kam sein aktueller Lieblingscocktail: der Ardbeg Uigeadail mit St-Germain, einem Holunderblütensirup. Man sieht – nichts ist mehr verboten, solange es gut schmeckt. Es verwundert daher auch nicht, dass es sogar zu einem Revival des »Tiki« gekommen ist und damit des »Mai Tai« oder des »Zombie Cocktails«. Der »Tiki« entstand in San Francisco und griff Einflüsse der Karibik und der pazifischen Inseln auf – basierend auf Rum, Fruchtsäften und Falernum, einem Sirup aus Mandeln, Ingwer, Zitrone und Nelken. Cocktails dieser Art huldigen einer etwas dick aufgetragenen, romantisierenden Südseefolklore. Sie verströmen Retro-Charme pur. Die klobigen Trinkbecher für einen »Tiki« sind seltsam, doch geschmacklich hat er durchaus seine Meriten.
Auch was das Handwerk angeht, wurden die Standards in guten Bars deutlich angehoben. Heute gilt es nicht mehr als cool, sondern als unprofessionell, keine Messbecher zu verwenden. Darüber hinaus wird großer Wert auf bestes Werkzeug gelegt. Aus Japan kommt die nun auch in westlichen Bars verbreitete Vorliebe für das professionelle und aufwendige »Schnitzen« der Eiswürfel. All das spiegelt einen neuen Trend in der Barszene wider: das stärkere Bemühen, dem Gast etwas Besonderes zu bieten und dabei unaufdringlich zu bleiben. Die Rückkehr zu klassischen Cocktails ohne Schirmchen und Verzierung gibt den Bars jedenfalls ihr authentisches Flair wieder zurück.
Klaus Stephan Rainer ist von der Professionalisierung der Cocktailszene begeistert / Foto: beigestellt
Haus der Kunst Cocktail
Von Klaus Stephan Rainer, »Goldene Bar« im Haus der Kunst, München, www.goldenebar.de
Zubereitung Gin, Saft und Zucker sehr gut shaken und in einen Tumbler mit großen Eiswürfeln seihen. Mit etwas Champagner und Gin & Tonic Espuma toppen. Gin & Tonic Espuma: Zutaten kurz im Elektromixer blenden und in einen Sahnesiphon geben. Mit einer Kapsel beschicken und kalt stellen.
Erich Wassicek verzichtet auf Fruchtsäfte. Er mixt lieber Drinks wie den »Red Basil Smash« / Foto: beigestellt
Zutaten Eine Handvoll rotes Basilikum in den Shaker ½ Zitrone (das bittere Ende weggeschnitten) 5 cl Gin 2,2 cl Zuckersirup
Zubereitung Das Basilikum und die Zitronenhälfte samt Schale gut im Shaker zerstoßen. Restliche Zutaten und Eis dazu, gut schütteln, durch ein feines Teesieb ins Cocktailglas gießen, mit Crushed Ice auffüllen.
Stephan Hinz, der deutsche Cocktailmeister 2010, aromatisiert sogar seine Alkoholika selbst / Foto: beigestellt
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