Sinn für Genuss in die Wiege gelegt

Die Familien Dorfer, Döllerer und Brugger über kulinarische Erziehung.

LISL WAGNER-BACHER - Erziehungsauftrag
»Ich finde, man kann Kindern als Oma sehr viel mitgeben – und das müssen nicht unbedingt nur Süßigkeiten sein«, so Wagner-Bacher.

Ich war ja immer ein Allesesser und hab überall kosten müssen«, sagt Lisl Wagner-Bacher, Grande Dame der österreichischen Gastronomie und stolze Oma von fünf Enkelkindern. Bei Amelie (7), Constantin (5), Sophia (5), Florentin (4) und der kleinen Alica (1) sieht das ganz anders aus. Constantin isst beispielsweise partout kein Gemüse. »Bei ihm sind wir mit dem, was er mag, relativ schnell fertig: Fisch, Fleisch, dazu Kartoffeln, Reis oder Nudeln«, erzählt Wagner-Bachers Schwiegersohn Thomas Dorfer, Papa von Constantin und Florentin. Und wenn die Familie einmal im Jahr ­gemeinsam in den Urlaub nach Italien fährt, bleibt Constantin bei Nudeln, während die Mädels auf Meeresfrüchte setzen. »Das haben sie von der Oma«, so Dorfers Erklärung für diese bei kleinen Kindern doch recht ungewöhnliche Vorliebe.

»Es soll sich jeder so entwickeln, wie er will«, lautet Wagner-Bachers Einstellung zum Thema Kinder und Essen, »das Einzige, was mir immer wichtig war und ist: dass sie etwas Frisches ­bekommen.«

Die Enkelkinder von Lisl Wagner-Bacher sind richtige »Fruchttiger«. Statt Süßem trinken sie lieber selbst gemachtes Frappé / Foto: © Moritz SchellNaschgarten für NaschkatzenFreuen würde sich Wagner-Bacher, die in ihrem Schwiegersohn einen würdigen Nachfolger für ihr Restaurant »Landhaus Bacher« gefunden hat, darüber, wenn die Enkelkinder ihre Leidenschaft für Hausmannskost teilen würden: »Ein Lieb­lings­essen von mir ist Bohnenfleisch mit grünen Fisolen, doch das haben die Kinder letztens gleich wieder zurückgeschickt und nach ein paar Nudeln verlangt.« Frische ist oberstes Gebot, und in diesem Sinne ist auch Fast Food kein Thema. »Ein anderes Freizeit­programm ist uns da lieber.«Naschen ist erlaubt, »aber nicht den ganzen Tag und auch nicht vor dem Essen«, so Dorfer. Süßigkeiten werden von den Kindern aber meist gar nicht nachgefragt, denn »sie essen alle sehr gern Obst«. Aus diesem Grund hat Lisl Wagner-Bacher auch einen »Naschgarten« angelegt: »Wir haben einen Apfel-, einen Marillen- und einen Kirschbaum, Brombeeren, Ribiseln, Himbeeren und Heidelbeeren.« Schön findet sie es, »wenn Kinder ordentlich essen, sich benehmen können und wissen, wie man mit einer Serviette umgeht – aber ohne Drill«. Das liege auch in der Verantwortung der Eltern, ergänzt Dorfer. Auch gegen Kinder in Sterne-Häusern hat die Spitzenköchin nichts einzuwenden: »Ich habe meine Töchter überallhin mitgenommen, etwa ins ­›Tantris‹ oder zu Eckart Witzigmann. Als dort das Amuse-Gueule serviert wurde, sagte meine Tochter Christina: ›Mama, wir haben zu Hause aber größere Portionen.‹«Spaß mit Nudeln: Die Kinder von Andreas Döllerer sind mit viel Engagement in Papas Küche dabei /© Döllerer's Genusswelten by Cathrine StukhardSpaß mit Nudeln: Die Kinder von Andreas Döllerer sind mit viel Engagement in Papas Küche dabeiANDREAS DÖLLERER - Kinder in der Küche»Sie dürfen mithelfen, kosten und einfach mit meiner Arbeit mitleben«, so Andreas Döllerer. Im Salzburger Ort Golling ist die Welt noch in Ordnung. Umgeben von traumhafter Landschaft, wachsen die Kinder von Spitzen­koch Andreas Döllerer (33) unbeschwert auf. So wie er selbst sind sie in eine Gastro­nomen­familie hineingeboren und haben diese Welt von klein auf kennengelernt. Das gemeinsame Kochen findet ­daher auch in der Res­taurantküche statt: »Sie helfen bei Kleinigkeiten, machen Pasta und verrichten kleine Handgriffe in der Patisserie«, schildert Andreas Döllerer. Das Vermitteln von Wissen über die Herkunft und Erzeugung von Produkten ist hier kein Trend, sondern alltäglich. »Wir besuchen regelmäßig Produzenten, schauen uns an, wo der Fisch herkommt, oder fahren zum Bauern. Meine Kinder wissen, dass die Kuh nicht ­violett ist«, erzählt ­Döllerer, der weit über die Landesgrenzen hinaus für seine »Cuisine Alpine« bekannt ist. Schnecken schmeckenZu Hause wird gegessen, was auf den Tisch kommt – jeden Tag wird mit frischen Produkten gekocht. Gerade wenn Kinder in einem gastronomischen Betrieb aufwachsen, sei es wichtig, dass man sie nicht verwöhnt, sagt Döllerer aus Erfahrung. »Da muss man im eigenen Restaurant ein bisschen aufpassen, dass die Kinder nicht ­jeden Tag nur das bestellen und essen, was sie möchten.« Bei Besuchen anderer Restaurants sieht die ­Sache ganz ­anders aus. Da suchen sich der kleine ­Andreas (6) und sein Bruder Leopold (4) dann für Kinder doch recht ungewöhnliche Dinge aus – beispielsweise Schnecken. »Sie bestellen eigentlich sehr ›erwachsene Dinge‹ und mögen vieles gerne, von dem andere Kinder gar nicht wissen, dass man es überhaupt essen kann«, kommentiert ­Döllerer die Vorlieben ­seiner Sprösslinge – das ­klassische Schnitzel mit Pommes sei dann eher kein Thema für die Kleinen. Und wie wird im eigenen Restaurant mit kleinen Gästen umgegangen? »Da machen wir generell alles, was die Kinder wollen. Wir haben das Glück, dass wir beide Angebote – also Wirtshaus und Restaurant – haben«, erklärt der Starkoch. Familien mit Kindern empfehle man dann eher das Wirtshaus, »da es dort einfach unkomplizierter ist«. Für ein Kind sei es irgendwann nicht mehr lustig, wenn eine Menüabfolge rund drei Stunden dauert. Von Verboten in Bezug auf Essen hält Döllerer wenig: »Was den Kids vorenthalten wird, ist dann meistens das, was sie am meisten wollen.« Da ist es ihm schon wichtiger, den Kindern etwas über Lebensmittel beizubringen: »Wir fah­ren oft am Samstag gemeinsam zum Einkaufen zum Großmarkt – da kommt dann einfach alles in den Einkaufswagen: von Flugmangos bis zu Gummibärchen.«Ginger mit Papa Wini Brugger und Mama Sabine Hinteregger am Herd: Spaß ist eine wichtige Zutat / Foto: © Moritz SchellGinger mit Papa Wini Brugger und Mama Sabine Hinteregger am Herd: Spaß ist eine wichtige Zutat WINI BRUGGER - Süße Sünden»Ich hasse Schokolade«, sagz Ginger Brugger stolz. »Aber Schokomilch magst du schon«, relativiert der Papa. Ähnlich wie in seinem neu eröffneten Restaurant »Dstrikt« im »The Ritz-Carlton« in Wien setzt Wini Brugger – der mit dem »Indochine« für seine Asia-Küche bekannt wurde – zu Hause auf Bodenständiges: »Wir essen gerne tradi­tionell, aber eine Art von Slow Food«, so Brugger. Essen werde in der Familie zelebriert, und Töchterchen Ginger habe ein Bewusstsein dafür, dass es auch Zeit braucht, um etwas Gutes zuzubereiten, erzählt der stolze Vater.Schmutzige Nudeln als Favorit»Bei uns kommt immer alles auf den Tisch. Es wird auch viel gekostet, und wir versuchen, dass sie zumindest alles einmal probiert. ­Ginger hat aber auch oft ihren eigenen Geschmack«, erklärt Brugger die Eigenheiten seines Sprösslings. Und tatsächlich: Falls man vermutet, die Achtjährige trinke wie alle Kinder gerne Limonade und esse gerne Süßes, so liegt man bei ihr nicht richtig. Am liebsten trinke sie Wasser, und »sie isst nicht das klassische Naschzeug, liebt aber Mehlspeisen«, weiß Mama Sabine Hinteregger. Eine Naschlade gebe es zwar, aber nur für Gäste, während es dem quirligen Blondschopf vor allem Palatschinken und Kaiserschmarren angetan haben. »Sie isst irrsinnig gerne Fleisch, mag Wiener Schnitzel und Backhendl, auch Nudeln mit Schwammerln, aber kein Ketchup und keine Mayonnaise«, führt Hinteregger weiter aus. »Schmutzige Nudeln« stehen auf Gingers Speisekarte ganz oben. ­Dabei handelt es sich nicht um eine frag­würdig zubereitete Speise, sondern um ein ­Gericht mit Geschichte: Die chinesischen Eiernudeln mit Sojasauce sahen »schmutzig« aus, und Papa Wini Brugger flunkerte Ginger ­früher gerne an und sagte, sie seien kurz zuvor auf den Boden gefallen. Gegessen hat Ginger die »Schmutzigen Nudeln« trotzdem, und sie schmecken ihr heute noch – ebenso wie Kärntner Kasnudeln, die im Hause Brugger-Hinter­egger aufgrund der familiären Wurzeln zum ­Standardrepertoire zählen. Vorbildrolle statt DrillGinger sei quasi im Restaurant aufgewachsen und habe die Vorzüge, aber auch die Pflichten der Gastronomie früh kennengelernt – auch was Höflichkeit und Tischmanieren betrifft, erinnert sich Brugger. In Bezug auf Essen mache Ginger viel nach, was ihr die Eltern vorlebten. »Wir sind einfach allem gegenüber sehr offen. Ginger zwingen wir aber nicht alles auf.« Auf keinen Fall wollen Brugger und Hinteregger einen Drillaffen: »Kinder haben ihren eigenen Geschmack, und den muss man ihnen auch lassen.«Den gesamten Artikel lesen Sie im aktuellen Falstaff JUNIOR 2012 - Jetzt im Handel!Text von Marion TopitschnigFotos von Moritz Schell und Döllerer's Genusswelten by Cathrine Stukhard

Marion Topitschnig
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