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Sind Luxusweine zu schade zum Trinken?

Weine um tausend und mehr Euro sind längst keine Seltenheit mehr, sondern meist streng limitierte und heiß begehrte Schätze einer stetig wachsenden Zahl von Liebhabern.

Wir leben in einer Zeit, in der die Weine grundsätzlich besser denn je sind. Doch an der Spitze der Pyramide auch so teuer wie nie. Natürlich sind diese hochwertigen, exorbitant teuren Weine faszinierende Gewächse. Penibelst vinifiziert und ausgebaut. Zumeist aus alten Reben. In den meisten Fällen mit einer fast mystischen Historie ausgestattet. So wie die großen Bordeaux und Burgunder – teilweise auch Rhône. Doch selbst relativ junge Weingüter erzielen mit ihren Weinen heute Preise, die sich ein Normalbürger nie leisten könnte.

Nehmen wir das Beispiel Screaming Eagle: Der erste Rotwein dieses Weinguts wurde im Jahr 1992 abgefüllt. Für eine Flasche vom 2014-er werden aktuell etwa 3000 Euro aufgerufen – da wird einem schon anders. Was ist wohl der Grund für diese Preisentwicklung mancher Weine? Die Knappheit? Natürlich, Limitierung erzeugt Nachfrage – Pétrus ist das beste Beispiel dafür. Oder auch so mancher »Garagen-Winzer«. Doch bei Bordeaux-Weinen mit einer Produktion von 100.000 Flaschen und mehr kann man nicht mehr von Limitierung sprechen.

Die Lagerfähigkeit? Die haben sowohl die Weine aus Bordeaux als auch jene aus Burgund hinlänglich bewiesen. Die Medien – allen voran Robert Parker? Hohe Punktewertungen von Parker befeuern jedenfalls die Nachfrage und die Preise. Und mittlerweile machen auch viele andere Medien bei diesem Spiel mit. Aus all den genannten Gründen sind diese gesuchten Weine oftmals reine Spekulationsobjekte. Oder aber eben eine Sicherheit für die Pension. Ein Glücksfall ist, wenn jemand einmal dringend Geld benötigt und seine Weine auf den Markt wirft. Dann kann man schon das eine oder andere Schnäppchen erwerben – das ist allerdings eher die Ausnahme.

Wann platzt die Blase?

Ich kenne viele Menschen, die solche Preziosen in ihren Kellern liegen haben, die Flaschen aber niemals öffnen. Viel zu teuer zum Trinken, meinen sie. Schließlich verkaufen sie die Weine im Alter – natürlich mit der Prämisse, so richtig Geld zu machen – oder sie werden vererbt. Man kann nur hoffen, dass diese Blase niemals platzt. Denn dann würde es so richtig rumpeln im Gebälk der Weinszene. Nicht zu vergessen ist, dass diese teuren Weine auch gerne und häufig gefälscht werden. Wie eigentlich jedes Luxusprodukt. Ich war selbst einmal Zeuge solch einer Entdeckung – da schmeckte ein Lafite Rothschild 1945 ziemlich nach Tee …

Ein weiterer Aspekt für die hohen Preise mancher Weine ist die Tatsache, dass es eben viele so genannte Etikettentrinker gibt. Vor allem seit der Öffnung des Eisernen Vorhangs. Viele dieser Flaschen wandern auch von einem Keller zum anderen. Getrunken werden sie nie. Sie werden auf ihrer Wanderschaft nur immer teurer. So manche Weine in dieser Preiskategorie befinden sich zwar auf Weinkarten – meist in der Spitzengastronomie –, doch werden sie selten verkauft. Natürlich zum einen wegen des Preises, doch auch wegen des Umstands, dass viele Sommeliers diese Weine nie probieren können. Wie denn auch, welcher Sommelier verdient schon so viel? Daher wissen sie auch nicht wirklich, wie diese Weine tatsächlich schmecken. Außer sie haben einen betuchten Gönner.

Wie viel ist ein Wein wert?

Aber die grundsätzliche Frage lautet: Ist ein Wein wirklich hunderte, oft tausende Euro wert? Die Antwort: Nicht wirklich. Es ist natürlich immer nur der Markt, der diese Preise macht. Wer kann schon 1000 Euro »erschmecken«? Ein Sommelier wird jedenfalls nicht daran gemessen, wie viele teure Weine er verkauft, sondern an der Zufriedenheit seiner Gäste. Einen Wein zu verkaufen, der nach viel mehr schmeckt als er kostet, das ist die hohe Schule der Gastgeber. Und – stellen Sie sich vor: Da leistet man sich einmal tatsächlich solch einen hochpreisigen Wein und dann korkt er – Halleluja.

Eigentlich sind die raren, superteuren Weine vor allem eine Chance für die Mitbewerber: Einen Wein zu produzieren, der (fast) genauso gut ist und viel weniger kostet, das wäre für alle Beteiligten ein Gewinn und macht auch dem Weinfreund Spaß. Ein positiver Aspekt dieses Preisgefüges ist, dass ein Weingut, welches hohe Preise für seine Weine zu erzielen vermag, eine ganze Region gleichsam schultert, deren Image hebt und die Kollegen ihrerseits die Preise erhöhen können. Die Welt wäre jedenfalls um einiges ärmer ohne diese Weine. Jede Nation ist stolz, solche Weine zu haben, allen voran die Franzosen. Und auch wenn sich nur die wenigsten Genießer einen solchen Wein leisten können, spricht man darüber.

Abschließend, um die Situation zu entspannen: Ich liebe die Weine von Pétrus, Haut Brion, Lafite, Mouton, Latour, Masseto, Gaja, Grange, Screaming Eagle, Romanée-Conti, Vega Sicilia, Guigal & Co. Doch leider sind sie mir preislich entglitten. Das war in Vor-Parker-Zeiten noch deutlich besser. Da haben wir uns im kleinen Kreis z. B. eine Flasche Pétrus geteilt und probiert. Das geht sich heutzutage nicht mehr aus. Doch ich bin sehr privilegiert und habe Freunde, die mir diese Weine immer noch hier und da einschenken …


Adi Schmid ist der Grandseigneur der österreichischen Sommelier-Szene. Knapp 41 Jahre lang pflegte er Keller und Gäste des Wiener »Steirerecks«, heute verarbeitet er als Autor sein Wissen über edle Weine.


Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2021

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