© Shutterstock

Severin Cortis Küchenzettel: Seeteufel der Flüsse

Nur die wenigsten wissen um das herausragend feste und saftige Fleisch eines Räubers aus den Tiefen unserer Alpenflüsse und -seen. Dabei ist die Aalrutte fast jede Anstrengung wert.

Bevor Sie weiterlesen, eine Warnung: Dieser Text hat das Ziel, Ihnen den Mund nach einer Spezialität aus unseren Flüssen und Seen wässrig zu machen, die Sie nur mit Glück werden verkosten können. Die Aalrutte, auch Quappe oder Trüsche genannt, ist ein Süßwasser-Raubfisch von größter Delikatesse, außerordentlich festem, saftigem und wohlschmeckendem Fleisch, der in unseren Breiten nur ganz selten angeboten wird. In Frankreich, wo er »Lotte de Rivière« (Seeteufel der Flüsse) genannt wird, gilt er als einer der besten Süßwasserfische überhaupt. Rund um den Bodensee, den Genfer See oder am ostfranzösischen Lac d’Annecy, manchmal auch rund um die großen Teichwirtschaften in Böhmen steht er noch auf den Speise­karten der besseren Wirtshäuser. Am Wiener Karmelitermarkt ist hin und wieder ein Anbieter von Biofisch anzutreffen, der zumindest in der Vergangenheit auch manchmal Aalrutte im Talon hatte.
Dabei ist sie gar kein so seltener Fisch. Sie liebt die kühlen, tiefen Gewässer der Alpenseen, wo sie bis in große Tiefen vorkommt und sich von allerlei Kleingetier, aber auch von Fischlaich ernährt. Weil die Gastro­nomie aber so gut wie ausschließlich nach den »gängigen« Edelfischen wie Forelle, Saibling oder Wels verlangt und die wenigsten Gäste überhaupt wissen, was eine Quappe oder Aalrutte ist, wird ihr von professioneller Seite kaum noch nachgestellt. Hobbyfischer mit feiner Zunge hingegen wissen, dass die Rutte am ehesten bei Dunkelheit anbeißt und idealerweise mit Lebendködern wie Würmern zu überlisten ist. Dass ihr Anblick im Vergleich zu einem rosa-bauchigen Seesaibling oder einer silbrig-blau glitzernden Forelle ganz objektiv unattraktiv ist, mag zu ihrem unterschätzten Nimbus beitragen.
Dabei hat die Aalrutte neben dem köstlich festen Fleisch noch einen Vorzug, der gerade in unseren Breiten unschlagbar sein sollte: Sie hat keine Gräten, lediglich ein in der Körpermitte verlaufendes Knochengerüst.Den Franzosen ist das grätenfreie, für einen Süßwasserfisch ungewöhnlich kompakte Fleisch dieses mit dem Kabeljau verwandten Knochenfisches mindestens so teuer wie seine außergewöhnlich wohlschmeckende, an Vitaminen reiche und große Leber. Klassisch wird sie in Mehl gewendet, in schäumender Butter rosa gebraten, mit Sherryessig glaciert und mit einem kühlen Süßwein-Gelee, idealerweise vom Sauternes, serviert.
Dem Fisch selbst wird vor dem Braten die Haut abgezogen, danach wird er mehliert und ebenfalls in schäumender Butter gebraten. Dazu will man am liebsten knackiges Gemüse, wie in untenstehendem Rezept einen nur kurz durch die Pfanne gezogenen Spinat etwa, in Weißwein und Safran geschmorten Fenchel oder entrippte, blanchierte und mit wenig Knoblauch (aber viel Butter) sautierte Frühkraut-Blätter.

Erschienen in
Falstaff Nr. 05/2018

Zum Magazin

Severin Corti
Severin Corti
Autor
Mehr entdecken
Mehr zum Thema
Rezept
Karpfaccio
Der hauchdünn geschnittene Karpfen wird von einem warmen Pickelfond über Kapern und Hollerblüten...
Von Philip Rachinger