Carsten K. Rath: Der mehrfach ausgezeichneten Unternehmer und Keynote Speaker ist ein Service- und Qualitätsenthusiast.

Carsten K. Rath: Der mehrfach ausgezeichneten Unternehmer und Keynote Speaker ist ein Service- und Qualitätsenthusiast.
© Foto beigestellt

Service und der Umgang mit dem Kunden

Service ist eine Frage der Beziehung. Merkwürdig, dass viele Unternehmen dennoch keine Scheu haben, ihre Kunden vor den eigenen Mitarbeitern zu warnen.

Wie soll ein Kundenbetreuer, Rezeptionist oder Verkäufer Kunden begeistern, wenn schon sein Namensschild ihn als ahnungslosen Neuling ausweist? Mangelndes Vertrauen in die Mitarbeiter ist eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Ein verschwommenes Foto amüsiert derzeit die Internet-Gemeinde: Es zeigt einen jungen Mitarbeiter in der Filiale eines bekannten schwedischen Möbelhauses. Auf dem Rücken seines gelbblauen T-Shirts steht auf Englisch: »Mitarbeiter auf Zeit – bitte stellen Sie mir keine schwierigen Fragen«.

Das demütigende T-Shirt ist ein Höhepunkt des Trends, Mitarbeiter in den Augen des Kunden abzuwerten, um Ja, wozu eigentlich? Um ihnen das Leben leichter zu machen? Oder doch eher, um Kundenbeschwerden vorzubeugen? Um Servicemängel, die durch schlechtes Training oder unterbezahlte Leiharbeit entstehen, abzufangen, indem man den Kunden um Nachsicht für schlechte Führung bittet? Wer so denkt, schätzt nicht nur seine Mitarbeiter gering, sondern auch seine Kunden.

Die Unsitte mit den Namensschildern

Es gibt viele weitere Formen dieses Trends. Die wohl verbreitetste ist die Unsitte, Auszubildenden Namensschilder zu verpassen, die sie als solche kennzeichnen. Die virtuelle Fortsetzung: E-Mail-Signaturen, die eine Mitarbeiterin z. B. als »Schülerin im zweiten Lehrjahr« kennzeichnen. Leider ist es selbst bei Premiummarken nicht unüblich, den ersten Eindruck des Kunden auf diese Weise zu schmälern.

»Service hat viel mit Erfahrung zu tun. Je mehr wir unsere Mitarbeiter schulen und mit ihnen trainieren, desto besser wird der Service.«

Was liest der Kunde denn, wenn er dieses Schild oder diese Signatur sieht? Er liest: »Mein Name ist Stefanie Müller, und ich bin doof.« Das Schild sagt: »Ich habe keine Ahnung von diesem Job, und nicht mal mein Chef traut mir zu, dass ich Sie anständig bedienen kann. Gehen Sie lieber zu einem anderen Mitarbeiter!« Stellen wir uns einmal vor, ein deutscher Premiumautobauer würde das machen. Sie holen Ihren nagelneuen, teuren Wagen ab und auf der Motorhaube prangt ein großes Schild: »Gebaut von Lehrlingen«. Würden Sie mit einem guten Gefühl vom Hof des Händlers fahren? Eher nicht. In der produzierenden Industrie käme kein Mensch auf die Idee, das Produkt abzuwerten, indem sie die Mitarbeiter als Anfänger abwertet. Warum? Weil es den Kunden nicht interessiert, wie das Ergebnis zustande gekommen ist. Er will ein perfektes Produkt. Er will die Marke lieben. Und ganz bestimmt nichts hören, was sein Kundenerlebnis schmälert.

Kundensicht vergessen

Service, die Arbeit mit Menschen für Menschen, hat viel mit Erfahrung zu tun. Niemand wird das bestreiten. Die meisten Kompetenzen, die exzellenten Service ausmachen, lassen sich erlernen und fortlaufend schulen. Je mehr sie trainiert und je länger sie praktiziert werden, desto besser wird der Service – solange dabei gleichzeitig auch die Neugier und die Bereitschaft zur Veränderung erhalten bleiben, sich also keine stumpfe Routine einstellt. Ein praxisintegriertes Trainingsprogramm wie we-learning by RichtigRichtig sorgt für einen perfekten Erfahrungstransfer innerhalb des Teams und stellt gleichzeitig die nötige Flexibilität sicher. Doch im Service gibt es genau- so wie in der produzierenden Industrie keine Schonfrist für das Ergebnis – jedenfalls nicht aus Sicht des Kunden und nicht für den ersten Einkauf. Wenn der nicht begeistert, wird es keinen zweiten geben. Ein Kunde ändert seine Erwartungshaltung an das Unternehmen nicht, nur weil er einen unerfahrenen Mitarbeiter vor sich hat. Ihn interessiert nur das Ergebnis: Er will exzellenten Service.

»Vertrauen ist der Schlüssel: Ein Mitarbeiter, der sich des Vertrauens seines Vorgesetzten gewiss ist, strahlt Zuversicht aus.«

Dennoch kommen Unternehmen auf die wildesten Ideen, um die Erwartungshaltung ihrer Kunden zu drosseln. Als wäre schlechter Service weniger schlimm, wenn man vorher gewarnt worden ist. Ach, Sie lernen noch? Dann sehe ich natürlich darüber hinweg, dass Sie mir als Allergiker gerade ein Gericht mit Nüssen serviert haben. Es ist Blödsinn, zu glauben, dass Kunden zufriedener wären, wenn sie auf mangelnde Erfahrung oder Kompetenz aufmerksam gemacht werden.

Beschwichtigung torpediert Kundenerfahrung

Betrachten wir das Ganze mal aus Sicht des Mitarbeiters: Hat er etwas davon, wenn der Kunde ihn von vornherein für unfähig hält und mit dem Schlimmsten rechnet? Machen Anfänger eher Fehler als erfahrene Mitarbeiter? Klar. Doch für den Kunden spielt es keine Rolle, wer einen Fehler macht. Es spielt dagegen sehr wohl eine Rolle, wer sich um ihn kümmert. Die wichtigste Ebene beim Service ist die Beziehungsebene. Und wenn die von vornherein torpediert wird, kann der Service noch so gut sein: Der Kunde wird trotzdem glauben, dass er einen Service zweiter Klasse erlebt hat. Und entsprechend wird er dem Mitarbeiter auch begegnen.

Was noch wichtiger ist: Wenn die Führung Mitarbeitern mit abwertenden Maßnahmen signalisiert, dass sie ihnen nicht vertraut, dann werden die Mitarbeiter sich auch nichts trauen. Im Kontakt mit dem Kunden sind sie ja von vornherein in einer schlechten Position. Die Konsequenz: Der Kunde wird ebenso auf den »Lehrling« herabblicken wie die Führung, und ebenso Fehler erwarten. Und selbst wenn der Mitarbeiter eine tolle Idee hat, um den Kunden zu überraschen, er wird sie lieber für sich behalten, um nur ja seine Kompetenzen nicht zu überschreiten. Kunde unzufrieden, Mitarbeiter gedemütigt, Chance zur Kundenbegeisterung vertan: Niemand profitiert von Beschwichtigungsmaßnahmen im Service.

Vertrauen macht den Meister

Ein Mitarbeiter dagegen, der sich des Vertrauens seiner Vorgesetzten gewiss ist, strahlt Zuversicht in seine Fähigkeiten aus. Das Vertrauen stärkt seine Haltung. Wenn der Kunde spürt, dass die Haltung stimmt, kann er auch verzeihen, wenn ein Prozess mal nicht hundertprozentig klappt – denn der Weg zum Ergebnis interessiert ihn nicht. Wird der Kunde von einem haltungsstarken Mitarbeiter bedient, wirkt sich das direkt positiv aufs Image des Unternehmens aus.

Denn in diesem Moment, und bei jedem Kundenkontakt, ist der Mitarbeiter die Marke. Auch wenn er erst seit gestern dabei ist. Service braucht die Augenhöhe – zwischen Mitarbeiter und Kunde und zwischen Mitarbeiter und Führung. Denn die Anzahl der positiven Geschichten, die Kunden sich über Ihr Unternehmen erzählen, ist der wahre Wert Ihrer Marke.

Unternehmen, die ihre Mitarbeiter in den Augen des Kunden abwerten, schießen sich ein Eigentor. Vertrauen gehört zu den wichtigsten Dingen, die Führung Mitarbeitern geben kann. Vorauseilende Beschwichtigungsmaßnahmen gegenüber dem Kunden signalisieren das Gegenteil von Vertrauen. Das Namensschild ist am Ende eine selbsterfüllende Prophezeiung: Wer schlechten Service erwartet, wird den Service auch schlecht finden. Der Mitarbeiter hat gar keine Chance, den Kunden positiv zu überraschen. Und im Bewusstsein, dass man ihm nichts zutraut, wird er es aus Angst vor Fehlern im Zweifel auch gar nicht erst versuchen.

Führung tut gut daran, auch neue oder junge Mitarbeiter im Kundenkontakt unter realistischen Bedingungen herauszufordern. Natürlich erst, wenn sie die nötigen Grundkompetenzen draufhaben, und auch das liegt in der Verantwortung der Führung. Mitarbeiter brauchen die nötigen Entscheidungs- und Handlungsfreiheiten, um Kunden selbstständig begeistern zu können. Wenn ich sie in den Augen des Kunden abwerte, schränke ich ihre Freiheit ein – aus Angst vor Fehlern. Das T-Shirt und die Namensschilder sind letztlich Zeichen dieser Angst seitens der Führung. Sie sind Symptome des Kontrollwahns, der Mitarbeitern den Spielraum für Exzellenz nimmt.

Das Vertrauen der Führung in ihre Mitarbeiter ist eine zwingende Voraussetzung für exzellenten Service. Denn ein Chef, der seinen Mitarbeitern nicht traut, hat Mitarbeiter, die sich nichts trauen.

Über den Autor

Carsten K. Rath hat dutzende Unternehmen und Teams auf vier Kontinenten geleitet. Heute ist er geschäftsführender Gesellschafter seiner eigenen Hotelmarke »Kameha Grand Hotels & Resorts«.
www.carsten-k-rath.com

Carsten K. Rath
Mehr entdecken
Mehr zum Thema