© Harald Lieleg/Kollerhof

Serie an Frostnächten lässt Winzer verzweifeln

Mittlerweile sind nicht nur alle Weinbaugebiete in Österreich betroffen, Winzer aus ganz Mitteleuropa melden Schäden.

In den letzten Nächten haben in fast allen Weingärten des Landes Strohballen gebrannt, um mit dem Rauch die gefrorenen Triebe zu schützen. In einigen Weinbaugemeinden sind auch Hubschrauber geflogen, um die kalte Luft aufzuwirbeln. Um Langenlois beispielsweise herrschte so rege Betriebsamkeit, dass die Situation fast apokalyptisch anmutete. Winzer aus allen Weinbaugebieten berichten von großem Zusammenhalt und verzweifelten gemeinsamen Anstrengungen, um das Schlimmste zu verhindern. Nach der Nacht von Montag auf Dienstag, wo bereits aus fast allen Regionen Frostschäden gemeldet wurden, war es nun noch schlimmer. Großflächige Schäden sind nun traurige Tatsache, welches Ausmaß sie genau erreichen werden, kann noch nicht gesagt werden. Weitere Frostnächte sind nicht ausgeschlossen. Verschärft wurde die Lage dadurch, dass sich nicht nur Kälteseen gebildet haben, sondern auch obere Luftschichten im Minusbereich waren und das gefürchtete Phänomen des Strömungsfrostes aufgetreten ist. Deshalb waren offenbar verbreitet auch höher gelegene Hanglagen betroffen. Die letzten Meldungen sind schon von Anzeichen der Hoffnungslosigkeit gezeichnet, Winzer die sich vorerst vorsichtig optimistisch zeigten sind nahe an der Resignation.

Tattendorfer Winzer versuchen mit Rauch die Weingärten zu schützen
© Franz Landauer-Gisperg
Tattendorfer Winzer versuchen mit Rauch die Weingärten zu schützen

Besorgniserregende Meldungen aus allen Richtungen

In der Wachau hat es wohl Spitz wieder am schwersten getroffen, aus dem Spitzer Graben wurden schon am Dienstag minus vier Grad gemeldet, jetzt dürfte es kaum besser gewesen sein, berichtet Michael Donabaum. Erich Machherndl maß in Wösendorf nur knapp unter Null, was für die Weingärten kein Problem war. Vincent Bründlmayer berichtet aus Langenlois, dass es in den tiefer gelegenen Weingärten minus 2,5 Grad erreicht hat: »Wir haben intensiv geräuchert, wissen aber noch nicht, wie sehr das geholfen hat.« Schwer getroffen hat es auch wieder Rohrendorf und Gedersdorf mit minus 2 Grad. Artur Toifl vom Weingut Thiery-Weber zeigte sich auf Falstaff-Anfrage schwer frustriert:

»Nach den verheerenden Hagelschäden im Vorjahr und der kleinen Ernte 2014 ist das der nächste Rückschlag. Wir hoffen noch, dass was nachtreibt, aber manchmal möchte man echt am liebsten den Hut drauf haun. Aber es ist schön zu sehen, welchen Zusammenhalt es gibt, was da mobilisiert wurde ist ein Wahnsinn!« (Artur Toifl)

Christina Netzl berichtet aus Carnuntum, dass es nicht kälter war als Dienstagfrüh, aber die Schäden waren da schon enorm. Der Weinviertler Herbert Zillinger hofft, dass er mit einem blauen Auge davon gekommen ist. Aus anderen Teilen des Weinviertels werden allerdings Frostschäden gemeldet. Aus dem Nordburgenland sind ähnliche Meldungen zu vernehmen. Gerhard Pittnauer sagte schon am Dienstag, dass es »ziemliche Schäden« gibt. »Es wurden sogar die Hanglagen in Mitleidenschaft gezogen, ich kann mich nicht erinnern, dass das bei Spätfrost jemals so massiv der Fall war.« Auch aus Andau kommt keine Entwarnung, Hannes Reeh sagt, dass die Weingärten den ganzen Winter nicht so weiß waren.

»Die Rieden wo keine Weingärten hin gehören kennen wir jetzt auch!! Dort haben wir 100% Ausfall!« (Hannes Reeh)

Auch in der traditionell frost-gefährdeten Thermenregion wurde alles gegen gravierende Schäden unternommen: Räuchern, Frostberegnung und der Einsatz von Hubschraubern. Franz Landauer freut sich über einen Etappensieg und postet auf Facebook: »Frost vs. Tattendorf 0:1«
Eindrücke aus den Weibaugebieten in der Bilderstrecke ...

Tiefster Winter im Süden

Schlimmer als am Dienstag war es auf jeden Fall vom Mittelburgenland südwärts. »Es ist aber zu befürchten, dass es einiges erwischt hat«. »Wir haben heute Nacht um drei Uhr angefangen, nasse Strohballen zu verbrennen«, berichtet Clemens Reisner vom Deutschkreutzer Weingut Hans Igler, wo die Triebe bereits zehn Zentimeter groß waren. »Natürlich ist so langanhaltender Frost um diese Zeit sehr überraschend und ungünstig. Man kann aber davon ausgehen, dass die Maßnahmen gut gegriffen haben und wir alle mit einem blauen Auge davon gekommen sind«, zeigt sich der Winzer optimistisch. Silvia Heinrich berichtet ebenfalls aus Deutschkreutz, dass die ganze Ortschaft auf den Beinen war, um die Schäden bei minus 2 Grad durch Rauch abzufedern.
Tief winterliche Bilder kommen aus der Steiermark. Es liegen bis zu zehn Zentimeter Schnee und es wurden Temperaturen bis zu minus 2 Grad gemessen. So schlimm wie den Obstbau dürfte es die Weinbauern zwar nicht erwischt haben, aber dennoch sind verbreitet Frostschäden entstanden. Harald Lieleg vom Kollerhof bei Leutschach berichtet, dass verbreitet geräuchert wurde und dass man nun abwarten müsse, wieviel gerettet werden konnte. Christoph Neumeister aus Straden, der sich am Donnerstag noch optimistisch geäußert hatte, revidiert nach der erneuten Frostnacht auf Freitag und sagt, dass es »wirlich übel aussieht«.

© Stefan Landauer

Kampf mit allen Mitteln

Der Kaltlufteinbruch hat die Winzer nicht unvorbereitet getroffen. Auch wenn die Möglichkeiten begrenzt sind, wurde alles versucht, um die Schäden zu minimieren. Am weitesten verbreitet ist die Methode, die Weingärten mit dichtem Rauch einzuhüllen, um die Triebe zu schützen. Denn wenn die Sonne aufgeht, werden die teils gefrorenen Blättchen zu schnell erwärmt und die Zellen platzen auf. Die gleiche Idee liegt der Frostberegnung zugrunde, bei der die Pflanzen gezielt mit einer dünnen Eisschicht überzogen werden. In der gefährlichsten Zeit bei Sonnenaufgang schützt das Eis vor zu schneller Erwärmung. Noch spektakulärer ist die Hubschauber-Methode, bei der tatsächlich Hubschrauber über die Weingärten fliegen, um die Kälteseen aufzuwirbeln. All diese Maßnahmen haben aber nur dann Sinn, wenn die Quecksilbersäule nicht zu tief fällt. Bei minus vier Grad hilft nur noch beten.

Frostnächte in ganz Europa

Schwere Spätfrostschäden hat es auch im Burgund gegeben, berichtet das Branchen-Magazin »The Drinks Business«. Dort habe der Frost sogar Weingärten erfasst, die normalerweise verschont bleiben, heißt es in dem Bericht. Am schlimmsten habe es die höher gelegenen Weinberge in Chablis und der Grand Auxerrios getroffen, auch aus dem Loiretal, dem Languedoc und den Abruzzen gibt es Frost-Meldungen. Für alle Regionen gilt: das Ausmaß der Schäden ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzuschätzen.

In Tattendorf wurde erfolgreich Frostberegnung angewandt
© Franz Landauer
In Tattendorf wurde erfolgreich Frostberegnung angewandt

Auch deutsche Winzer betroffen

Während ein Großteil der Österreichischen Weinbauregionenen gegen die frostigen Nächte kämpft meldet sich in Deutschland bisher nur Franken mit Schadensvermutungen. Wie groß diese sind vermag man aber noch nicht zu sagen. In Iphofen sind vor allem die flachen Lagen in Mitleidenschaft gezogen worden, die oberen Steillagen bei Hans Wirsching beispielsweise sind nicht betroffen. Beim Weingut Ruck wurden in den flachen Lagen »Feuerchen geschürt«, allerdings umsonst – »die Ausdehnung des Frosts war einfach zu groß«, so der Winzer auf Falstaff-Anfrage. Schäden gibt es, von einer Katastophe vermag Hans Wirsching jedoch nicht zu sprechen: »Da war der letzte Frost vom 4. Mai 2011 schlimmer«. Gröbere Maßnahmen im Kampf gegen den Frost wie im Nachbarland haben die beiden Winzer aus Iphofen nicht ergriffen. Sie hoffen, dass bis zum vorhergesagten Temperaturaufschwung ab Freitag die Reben der Kälte trotzen.

Im Rheingau gab es Minusgrade, vor allem in den abseits des Rheins gelegenen Weinbergen. Allerdings fiel das Thermometer selten tiefer als minus ein Grad, so dass die Winzer davon ausgehen, dass sie glimpflich davongekommen sind. Angela Kühn führt zudem zwei Faktoren an, die vermutlich das Schlimmste verhindert haben: »Zum einen ist die Zwischenbegrünung durch die kühle Witterung der letzten Wochen noch nicht hoch aufgelaufen, dadurch kann die Kaltluft am Boden entlang abfließen. Zum zweiten ist der Riesling noch nicht wirklich weit draußen.«

Minusgrade in der Schweiz

Ein Lichtermeer war in der Nacht auf Donnerstag in der Bündner Herrschaft zu beobachten. Die Winzer versuchten, ihre Weingärten mit so genannten, aus dem Obstbau bekannten, Frostkerzen gegen die eisigen Temperaturen zu schützen. Der angekündigte Frost führte zu einem regelrechten Frostkerzen-Engpass, die Lager seien leergekauft, berichtet der Schweizer Rundfunk.

Winzer Georg Fromm ist Präsident der Bündner Weinbauern und hatte bereits zu Beginn der Woche eine Krisensitzung angesichts der Wetterprognosen einberufen. Er habe auch einen Hubschraubereinsatz in Erwägung gezogen, erzählt er dem SRF. Hubschrauber sind dann aber doch nicht geflogen und auch von unkonventionellen Methoden wird berichtet: während Winzer mancherorts das Gras in Hanglagen mähen, damit die Kaltluft besser ins Tal abfließen kann, wird andernorts der Boden aufgegraben, damit die Reben durch die abstrahlende Erdwärme geschützt werden. Ob all diese Maßnahmen einen Nutzen hatten, wird sich erst zeigen und die Gefahr ist auch noch nicht gebannt, denn es sind weitere Frostnächte angekündigt. Während die Winzer sich über Prognosen bezüglich Ernteausfall noch bedeckt halten, schreibt die Boulevard-Zeitung »Blick« von möglichen 80 Prozent Einbußen.

Martha und Daniel Gantenbein haben wie viele Winzer der Bündner Herrschaft die Nacht auf Donnerstag im Freien verbracht. Martha Gantenbein berichtet von bangen Momenten, als das Thermometer bereits um 22 Uhr nur noch ein Grad anzeigte. »Die Frostkerzen, die wir im ganzen Weinberg und auch in den Steillagen aufgestellt hatten, halten üblicherweise nach dem Anzünden zehn Stunden lang. Wenn wir die Kerzen also schon um zehn Uhr angezündet hätten, hätte ihre Wirkung kaum ausgereicht, um die Reben bis zur Wirkung der ersten Sonnenstrahlen zu schützen.« Um Mitternacht war es dann aber so weit. Die ganzen folgenden Stunden über blieben Reben und Kerzen unter Bewachung – »schließlich will man ja nicht auch noch einen Waldbrand riskieren«. Nun dauere es, so Martha Gantenbein weiter, noch ein paar Tage, bis sich abschätzen lasse, ob es dennoch Schäden gegeben habe. Ganz besonders hofft die Winzerin aus Fläsch darauf, dass der Forst nicht noch einmal zurück kommt. Denn: »Wir haben jetzt unser Pulver verschossen«.

In den übrigen deutschschweizer Kantonen scheint die Lage unterschiedlich dramatisch gewesen zu sein. Patrick Thalmann von der Winzerei Zur Metzg​ berichtet aus dem Zürcher Weinland, dass es bei ihm keine Schäden gegeben habe. «Bei uns war die Vegetation zum Glück noch nicht weit genug.» Anders die Situation bei Ueli Kilchsperger vom Weingut Kilchsperger: «Unsere Lagen in Flaach sind teilweise komplett erfroren.» In einem großen Teil der Ostschweiz habe es Schäden gegeben.
Auch am Zürichsee, wo der Austrieb schon etwas weiter vorangeschritten ist, gibt es Schadensmeldungen. Cécile Schwarzenbach von der Reblaube Obermeilen erzählt von grossen Sorgen, gibt aber auch vorsichtige Entwarnung. «Es war sehr knapp. Wir sind uns noch nicht ganz sicher, aber wahrscheinlich sind wir mit einem blauen Auge davongekommen.» Schwarzenbach vermutet, dass der Frost vor allem in einer Parzelle Schäden verursacht hat. «Aber auch wenn sich unsere Vermutungen bestätigen: So dramatisch wie in Österreich ist es nicht.»

Wenn es zu kalt wird, nützen alle Maßnahmen nichts und die Triebe sind zerstört. Hier ein Weingarten der Familie Netzl in Carnuntum.
© Chistina Netzl
Wenn es zu kalt wird, nützen alle Maßnahmen nichts und die Triebe sind zerstört. Hier ein Weingarten der Familie Netzl in Carnuntum.
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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