Selbstmarketing: Der Gastronom als Marke

Eine Zeitgeisterscheinung, mit der man sich beschäftigen muss. Doch wann ist es genau richtig und wann zu viel des Guten? Mario Zadra und Christoph Wagner verraten es KARRIERE.

Giorgio DeLuca, Mitgründer der Edelgreißlerkette »Dean & DeLuca«, soll gesagt haben: »Betrachte deinen Namen als dein wichtigstes Kapital. Vor dem Geld kommt immer dein Ruf.« KARRIERE sprach mit Gastronom Mario Zadra und Developer Christoph Wagner über Ruf und Berufung, Schlagfertigkeit und Souveränität.

KARRIERE: Welche Assoziation löst das Wort »Selbstmarketing« bei Ihnen beiden aus? Ist es positiv oder negativ besetzt?
Mario Zadra: Es mag zwar negativ behaftet sein, aber es kommt immer darauf an, was du wie daraus machst. Das beste Beispiel ist mein Lokal, in dem wir gerade sitzen. Ich komme nicht aus diesem Bezirk (Anm.: Stadtrand von Wien), mich kennt hier keiner.  Hier musst du aber mit jedem Gast persönlich reden, bei jedem nachfragen – das kannte ich so nicht, das war bisher nicht meine Art, ich habe mich früher immer im Hintergrund gehalten. Jetzt wird aber gefragt, warum ich nicht zu den Tischen komme. Mittlerweile merke ich, dass es sogar eine gute ­Werbestrategie ist. Vor Ort zu sein und sich persönlich zu kümmern ist eine positive Form des Selbstmarketings.
Christoph Wagner: Ich glaube, das ist ein Spezifikum dieses Lokaltyps. Im »Freiraum« in der Wiener Innenstadt ist das nicht Konzept. Ich bin eher in der Rolle als Produktentwickler präsent, aber nicht als Hausherr oder ­Gastgeber. Abgesehen davon muss ich halt immer Folgendes bedenken: Wenn ich dem Lokal Identifikation durch eine Person gebe, dann wird auch eingefordert, dass diese Person vor Ort ist. Generell: Was man einmal anbietet, wird immer wieder gefordert. Das gilt auch für Rabattierungen, DJs und so weiter. Ich will mit Qualität und Ambiente punkten und eine Kontinuität anbieten können. Aber es kommt, wie gesagt, auf den Lokaltyp an. Im Wirtshaus ist gefragt, dass der Wirt auch da steht.

Empfinden Sie, Herr Zadra, dieses neue Im-Mittelpunkt-Stehen als unangenehm?
Zadra: Als Wirt im Mittelpunkt zu stehen hat Vor- und Nachteile, vor allem aber ist es eine große Verantwortung. Und: Es hat funktioniert, wir hatten nach zwei Monaten schon Stammgäste. Aber ich versuche jetzt eigentlich auch, mich wieder etwas zurückzunehmen, denn was passiert, wenn ich mal zwei Wochen im Urlaub bin? Kommen die Leute dann nicht mehr?

Sie sind beide schon lange im Geschäft und bekannt – inwieweit bringt der Name ­Credibility?
Wagner: Das ist natürlich ein ganz wichtiger Faktor, wenn es um Banken und Finanzierung geht. Der Gästebereich ist wichtig, macht aber »nur« 50 Prozent aus. Bei den Banken hilft ein bekannter Name wirklich, wir bekommen sogar initiativ Flächen angeboten und es gibt mittlerweile Gewerbevermieter, die uns etwas dafür bezahlen würden, wenn wir in ihren Objekten ein Lokal realisieren.
Zadra: Der Name öffnet zum Teil Türen, die nicht von vorneherein offen stehen.
Wagner: Da darf man sich auch nicht scheuen, den Namen einzusetzen. Man muss schon sagen, was man warum gemacht hat und welche Strategien man verfolgt.
Zadra: Den Namen nicht einzusetzen wäre in dem Fall geschäftsschädigend.

Kann der Name auch Nachteile bringen? Angenommen, es gibt einen Aufreger – ist man als bekannter Protagonist dann nicht angreifbarer?
Zadra: Kurzfristig sicher, aber das sind im Normalfall kurzlebige Dinge.
Wagner: Da ist schon was dran. Wenn beispielsweise bei mir etwas vorfallen würde, käme ich als Person vermutlich nicht ins Kreuzfeuer. Wobei: Besser wäre es, denn dann würde es nicht das Lokal abkriegen. Mir wäre lieber, ich fange es ab.

Welche Eigenschaften sind Ihrer Meinung nach in der Gastronomie gefragt?Zadra: Ein großes Herz und Wille. Wenn man will, kann man alles lernen auch Schlagfertigkeit – z. B. im Umgang mit dem Gast?
Zadra: Ja, finde ich schon. Man muss präsent sein und man selbst bleiben, alles andere ist uninteressant.
Wagner: Wenn es um Beschwerden von ­Gästen geht: Da kommen doch im Endeffekt immer wieder dieselben Sachen. Ich muss vor allem eine Lanze für die Kellner brechen. Im Gegensatz zu England und Nordamerika wird der Kellner bei uns als Lieferant und Diener wahrgenommen und nur in den seltensten Fällen als Berater. Da hapert es bei uns – oft auch in der Ausbildung. Schlagfertigkeit bedeutet für mich ­Souveränität. Das hat viel mit Charakter zu tun. Man sollte sich grundsätzlich überlegen, ob man Kellner sein möchte, und es nicht nur wegen der Aussicht auf gutes Geld machen. Das ist die Hauptsache.  

Die Gesprächspartner
Mario Zadra, Wien
Er war Pächter, Barchef, Geschäftsführer, Gesellschafter, Betriebs- und Restaurantleiter, Chefeinkäufer – und seit Sommer 2015 führt er mit »Das Severin« sein erstes eigenes Vorstadt-Wirtshaus mit Bio-Schwerpunkt.
www.dasseverin.at

Christoph Wagner, Wien
Projektentwickler, dessen Lokale (z. B. »Rochus«, »Freiraum«) hohe Bekanntheit und starke Frequenz eint. Der Fokus: Produktinnovationen und zeitgemäßes Design. Mit dem »Freiraum Deli« will Wagner expandieren, derzeit werden Inves­toren gescannt.
www.ds-c.at

Das ganze Interview mit  Mario Zadra und Christoph Wagner aus Falstaff & Hogast KARRIERE 02/15 von Nicola Schwendinger.


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