Selbstbewusst bis an die Spitze: Birgitta Rust

Die Bremer Brennerin erzeugt im Europahafen inzwischen 13 Brände.

Fasziniert von flüssigem, hochprozentigem Obst war Birgitta Rust schon immer. In diesem Fall stimmt auch der Spruch: »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.« Denn bereits ihr Vater beschäftigte sich mit gebranntem Obst. »Er lebt mit seiner zweiten Frau, einer Österreicherin, am Mondsee bei Salzburg. Als Geschenk brachte er immer feine Brände mit nach Bremen. Da wurde mein Interesse geweckt.« Die Norddeutsche sattelte von Unternehmensberaterin auf Brennerin um.

Die eigene Brennerei
Das ist inzwischen vier Jahre her – eine ungewöhnlich kurze Zeit, um sich einen ausgezeichneten Ruf zu erarbeiten. Denn den genießt Birgitta Rust in der Branche, sowohl bei den Kollegen wie auch bei den Obstbrandfans. Die Eröffnung ihrer eigenen Brennerei legte die Unternehmerin auf den 11. 11. 2011 um 11.11 Uhr: »Ich wollte eine Schnapszahl.« Den nicht unbedingt selbstverständlichen Standort im Bremer Hafen erklärt sie ganz einfach: »Es ergab sich durch private Kontakte die Möglichkeit, diese attraktiven Räume direkt am Europahafen anzumieten. Es handelt sich um aufgeschnittene alte Betonweintanks, das ehemalige Lager eines großen Bremer Weinimporteurs und -händlers.«

Von Vorbildern und Zielen
Die Konkurrenz ist groß und wächst ständig, gebranntes Obst wird immer vielfältiger, immer mehr Brenner in Deutschland, Österreich und der Schweiz gehen auf den Markt. Da ist eine gehörige Portion Selbstbewusstsein notwendig, um Erfolg zu haben. Aber daran mangelt es nicht: Auf die Frage, wo sie sich selbst zwischen Rochelt, Ziegler, Reisetbauer, Gölles, Vallendar und anderen sieht, antwortet sie kurz und bündig: »Genau dort.« Dementsprechend nennt sie als besonders vorbildlich und prägend für ihren Stil die Brände von Stählemühle und Marder, aber auch die Produkte vieler kleiner Brenner.

»Mein Ziel ist es«, sagt sie, »irgendwann mit diesen Brennern in einem Atemzug genannt zu werden.« Ein Zeichen, dass sie sich auf dem richtigen Weg befindet: Die Brände aus Bremen sind inzwischen auch in der Spitzengastronomie bekannt. So werden sie nicht nur in den Zwei-Sterne-Häusern »Söl’ring Hof« und »La Mer« auf Sylt angeboten, sondern auch im ebenso hochdekorierten Hamburger Restaurant »Louis C. Jakob«. In der Hauptstadt ist Rust ebenfalls präsent, und zwar im Restaurant »First Floor«.

Vom Mirabellenbrand zur SortenvielfaltNoch liegen Nussbrände an der Spitze der ­aktuellen Hitlisten. Doch die Nachfrage nach Bränden aus regionalen Apfelsorten steigt ständig / Foto: beigestellt
Das Portfolio von »Birgitta Rust Piek­-feine Brände« wächst konsequent. Zu den Klassikern Williamsbirne, Mirabellen und Zwetschgenbrand sind seit der Gründung Aprikosenbrand und Schlehenbrand dazu­gekommen, um nur die wichtigsten Spirits zu nennen. Begonnen hat die Manufaktur übrigens mit einem Mirabellenbrand. Rust produziert neben Kern- und Steinobst-Spirituosen auch »Nordische Wildfrüchte«. Dazu zählen Schlehen-, Hagebutten-, und Sanddornbrand. Die Früchte kommen aus ganz Europa, deshalb ist der Standort im Hafen sehr sinnvoll.

Über eigene Obstgärten verfügt das Unternehmen nicht. »Der regionale Ansatz ›Aus dem Norden – für den Norden‹«, so Rust, »funktioniert nicht. Das Obst im Norden wird teilweise unreif geerntet und hat nicht so viel Zucker, das heißt, die Ausbeute ist zu niedrig. Zudem mangelt es an Säure. Ich beziehe viel Obst aus Frankreich, zum Beispiel Mirabellen, Zwetschgen, Williamsbirnen und Quitten. Die Äpfel allerdings kommen aus dem ›Alten Land‹, Sanddorn aus Mecklenburg-Vorpommern.«

Mehr als Klassiker
Dreizehn verschiedene Brände und Geiste bietet das Unternehmen bis jetzt, hinzu ­kommen eine fünf Sorten umfassende Likör-Range sowie der »Bremer Bitter«. Doch ­damit ist Rust mit ihrem »Brennerlatein« noch lange nicht am Ende: Im Augenblick arbeitet sie an einer Obstcuvée aus Äpfeln und Birnen und an einem Sanddornbrand. Ebenso in der Pipeline: Gin mit Lemongrass, Haselnuss aus dem Bourbonfass und Single-Malt-Whisky. Für einen ihrer Kunden wird gerade ein Brand aus Sellerie und Ananas entwickelt.

Brände erobern die Cocktailbars

Bereits seit längerer Zeit haben Obstbrände ihren festen Platz in den Cocktailbars, und das nicht mehr nur in »purem« Zustand: In den letzten Jahren sind sie auch als Cocktailzutaten beliebt geworden – vor allem Nussbrände sind wegen ihrer sehr speziellen Aromastruktur in einigen Kombinationen wahre flüssige Highlights. Selbstverständlich wird auch mit den »Piekfeinen Bränden« gemixt, etwa Aprikosenbrand mit Lillet (einem französischen Aperitif, bestehend aus Wein und Fruchtlikör) und Sekt oder Gin Fizz mit Rusts Erdbeer-Rhabarber-Likör.

Ehrliche Produkte
Aber nicht nur aufgrund ihrer Cocktail­fähigkeit sind Nussbrände im Trend. »Sie ­stehen nach wie vor ganz oben auf der ­Hitlis­te«, antwortet Birgitta Rust auf die ­Frage nach den derzeitigen Rennern. »­Außerdem stelle ich gerade fest, dass die ­regionalen Obstsorten immer interessanter werden. Die Kunden wünschen sich eben ehrliche Produkte, die im Geschmack überzeugen.« Selbstverständlich hat auch die Bremer Brennerin einen ­Favoriten: »Ganz klar der Quittenbrand.«

Rust-Brände: Verkostungsnotizen

93 PUNKTE
Schlehenbrand 2012
40 Vol.-%, € 60,–/0,35 l
Feiner wildfruchtiger Duft mit schokoladigen und marzipanigen Anklängen, ebenso Weichselkirsche. Analog am Gaumen von charakteristisch wildfruchtiger Würze, ebenso ätherisch, schokoladig, lange ­anhaltend.

91 PUNKTE
Williamsbirnenbrand 2012
40 Vol.-%, € 29,–/0,35 l
Sauberes, offenes Duftbild von reifen ­Williamsbirnen, gelbfruchtig, zitronig, grasig; Konsequent am Gaumen, mit den charakteristischen pikanten Noten der Birnenschalen.

89 PUNKTE
Quittenbrand 2012
40 Vol.-%, € 42,–/0,35 l
Mit den typischen wächsernen und ätherischen Noten im Duft, auch blumig, duftig. Wechselspiel aus öligen und pikanten Aromen am Gaumen, würzig-herb im Ausklang.

88 PUNKTE
Mirabellenbrand 2012
40 Vol.-%, € 29,–/0,35 l
Sehr authentisch im Duft, blumig, nach Zwetschge, mit Anmutung von Süße und Schokolade, zarter Steinton. Ähnlich auch am Gaumen, wieder deutlich Zwetschge, der Steinton ist hier etwas dominanter.

Text von Werner Obalski
Verkostungsnotizen von Peter Hämmerle
Aus Falstaff Nr. 03/13