Auf steilen, optimal zur Sonne ausgerichteten Hanglagen gegen kalte Strömungen geschützt, fühlt sich die Rebsorte Blaue Wildbacher besonders wohl.

Auf steilen, optimal zur Sonne ausgerichteten Hanglagen gegen kalte Strömungen geschützt, fühlt sich die Rebsorte Blaue Wildbacher besonders wohl.
© Steiermark Tourismus | Harry Schiffer

Schilcher: Ganz und gar nicht zum Fürchten

Der zwiebelrote Schimmer des Schilchers gehört so zwingend zur kulinarischen Identität der Steiermark wie Klachelsuppe mit Heidensterz, Käferbohnen oder Kürbiskernöl.

Die Böden und das rauere Klima lassen an den Ausläufern der Koralpen in der Weststeiermark einen Wein entstehen, wie es ihn so nirgendwo sonst auf der Welt gibt. Die Farbnuancen dieses Roséweins reichen von einem blassen Rosa über Zwiebelfarben bis hin zu Rubinrot. Einst konnten Kenner allein an der Farbschattierung die Ortschaft der Herkunft punktgenau erkennen. Den Namen soll der Schilcher von seinem schillernden Glanz im Glas bekommen haben, so erzählt es eine der viele Geschichten, die sich um diesen sagenhaften Wein ranken. Wer ihn persönlich bereits in größeren Mengen genossen hat, der weiß, dass manch Wahres in den Überlieferungen steht. Der Schilcher bringe Stumme zum Reden und mache jünglingsfroh manch Alten – so weiß es die Mär. Die schmähliche Bezeichnung »Rabiatperle« verdient er auf keinen Fall, denn bisher sind eher Fälle bekannt geworden, wo Buschenschank-Gäste »rabiat« wurden, weil der Schilcher-Nachschub zu lange auf sich warten ließ, also weil sie zu wenig und nicht zu viel davon bekommen hatten.
Riecht man am Glas, so offeriert der echte Schilcher vegetale Nuancen, die an die grasigen Sauvignon-Blanc-Noten erinnern. Auch kann er Stachelbeeren, Schwarze Ribisel, aber auch Walderdbeeren und Limettenschalen anklingen lassen. Am ­Gaumen ist der klassische Schilcher aber staubtrocken und besitzt eine klare, saure Komponente, die durchaus in der Katego­rie »herzhaft« angesiedelt sein darf.  Eine Eigenschaft, die diesem Wein, der eine ­Jahrhunderte zurückverfolgbare Tradition besitzt, nicht immer lobende Worte eingetragen hat. So schrieb einst Papst Pius VI., der 1782 auf einer Reise zu Kaiser Joseph II. bei den Franziskanern von Maria Lankowitz übernachtete, in sein Reise­ journal: »Hier hat man uns einen rosaroten Essig vorgesetzt, den sie Schilcher nennen.« Die Rebsorte, aus der man den Schilcher exklusiv erzeugt, ist die Blaue Wildbacher, deren Name einige Synonyme hat, von denen Spätblau wohl das bekannteste ist. Ihren Ursprung hat die autoch­thone Blaue Wildbacher mit ziemlicher Sicherheit in der Steiermark, sie ist ein Heunisch-Sämling und genetisch sehr nahe mit der Blaufränkisch-Rebe verwandt, deren Ursprung erst in jüngster Zeit in der Untersteiermark, im heutigen Nordost-Slowenien, verortet werden konnte.

Neue Herkunftspyramide

Mit der Einführung des neuen DAC-Systems für die Steiermark gibt es nun auch für den Schilcher die dreiteilige Herkunftspyramide unter der Bezeichnung Weststeiermark DAC. Im Unterschied zu allen anderen zulässigen regionalen Rebsorten darf beim Schilcher ein Restzuckerwert von vier Gramm nicht überschritten werden. Andererseits darf Schilcher früher als andere regionale Weine in den Verkehr gebracht werden. Schilcher als Gebietswein darf bereits ab dem auf die Ernte folgenden 1. Dezember angeboten werden, die Orts- und Riedweine erst ab 1. Februar der Folgejahres. Im mittleren Segment hat man sich darauf verständigt, ausschließlich die Ortsbezeichnungen Ligist, Stainz, Deutschlandsberg und Eibiswald zu verwenden.
Die aktuellen Anbauflächen in der Weststeiermark nehmen etwa 550 Hektar ein, wobei die Blaue Wildbacher den Löwenanteil ausmacht. In Zeiten des großen Schilcher-Booms in den 90er-Jahren wurde auch außerhalb der Weststeiermark im restlichen Bundesland Blauer Wildbacher ausgesetzt. Die so gewonnenen Schilcher-Weine werden ohne DAC und unter der breiter gefassten Herkunftsbezeichnung Steiermark angeboten. Bei diesen Weinen darf sich der Konsument natürlich nicht jene Charakteristika erwarten, die nur das Terroir in der Weststeiermark dem Schilcher dank der besonderen Böden aus Gneis- und Schieferverwitterungsgestein und auch dank der speziellen Mikroklimata zu verleihen imstande ist.
Wer sich dem wahren Wesen des Schilchers konkret annähern möchte, dem kann ein Besuch dieser wunderschönen Weinkulturlandschaft nur nachdrücklich empfohlen werden. Denn erst vor Ort und in Kombination mit einer deftigen Jaus’n beim Winzer entwickelt der Schilcher seine volle Faszination. Und hier kann man dann die feinen Unterschiede zwischen den Ortsherkünften kennenlernen und wird schließlich sogar seine persönliche Lieblingsried mit ihren unverwechselbaren Nuancen auskosten. Spezialitäten wie Frizzante, Sekt und sogar Süßweine vom Schilcher runden die Palette ab, natürlich kann man aus der Blauen Wildbacher auch »richtigen«, dunklen Rotwein erzeugen, dieser trägt dann auch den Sor­tennamen als Bezeichnung. Ein letzter Tipp für Schilcher-Novizen: Beim ersten Glas schreckt so manchen die Säure – die eines klassischen Schilchers kann bekanntlich einen Bären aus dem Winterschlaf wecken. Das zweite Glas beginnt dann schon zu munden. Aber Achtung: Ab dem dritten denkt keiner mehr ans Aufhören.

Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2019

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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